Baustelle Re: Rückversicherer gehen mit großer Ungewissheit in die Preiserneuerung

Das internationale Rückversicherungstreffen in Baden-Baden fällt in diesem Jahr coronabedingt aus. Verhandelt wird trotzdem. Quelle: mst

Bereits im Sommer haben die Veranstalter das internationale Rückversicherungstreffen in Baden-Baden abgesagt. Das kann die Branche noch verschmerzen. Viel größere Probleme bereiten den Playern die aktuellen Marktentwicklungen aus höheren Schäden durch Naturkatastrophen, Prämienproblemen – und natürlich Corona. Die Ungewissheit scheint viel größer als in der Vergangenheit.

Die Veranstalter entschieden sich am Ende für eine komplette Absage des Meetings: „Die Option, statt einer hybriden Veranstaltung lediglich ein rein digitales Meeting auszurichten, ist nicht in unserem gemeinschaftlichen Interesse für Baden-Baden. Dies könnte unserem Standort Baden-Baden für die zukünftigen Jahre eher schaden“, so Nora Waggershauser, Geschäftsführerin der BBT, damals.

Dennoch kommen die Rückversicherer dieser Tage wenigstens zu virtuellen Erneuerungsgesprächen zusammen. Branchen-Insider sehen in der aktuellen Corona-Pandemie zwar ein Phänomen, mit dem Erst- und Rückversicherer prinzipiell umgehen können. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit Großschäden wie Hurrikans oder Naturgefahrenereignisse anderer Art. Allerdings könnte Covid-19 wie ein „Katalysator für Preisanpassungen für Erst- und Rückversicherer“ wirken, glaubt Hannover Rück-Vorstand Michael Pickel.

So hat die Nummer drei unter den Rückversicherern in „den zurückliegenden Erneuerungsrunden haben wir Preissteigerungen und Konditionsverbesserungen erreicht. Insbesondere bei schadenbetroffenen Verträgen waren Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich zu verzeichnen.“ Dabei erwartet Pickel im Gespräch mit VWheute, „dass sich dieser Trend in der kommenden Erneuerungsrunde zum 1. Januar 2021 fortsetzen wird.“

Deutlich vorsichtiger zeigte sich jüngst hingegen Joachim Wenning, Vorstandsvorsitzender der Munich Re: „Dieses Jahr haben wir den höchsten Ratenanstieg seit über einer Dekade gesehen. Das ist ein Fakt. Es ist aber auch ein Fakt, dass die Zuwächse 2005 nach der schweren Hurrikan-Saison noch stärker ausfielen“. Dennoch geht der Versicherungsmanager gegenüber dem Handelsblatt davon aus, dass „wir 2021 und 2022 weiter viele Schäden durch Naturkatastrophen sehen werden, weshalb die Prämien in der Rückversicherung kaum sinken werden.“

Christian Mummenthaler, CEO der Swiss Re, sieht sein Unternehmen trotz Corona und den damit einhergehenden Schäden gut kapitalisiert. Die Swiss-Re-Strategie ist wohl am besten mit kontrollierte Offensive beschrieben, mit ihm wird es beim Rückversicherer keine gewagten Experimente geben: „Das Ziel ist nicht Wachstum um jeden Preis, egal wie gut kapitalisiert die Swiss Re ist“, erklärt der Manager. Dennoch rechnet Frank Reichelt, Deutschlandchef des Schweizer Versicherers, mit einer der härtesten Erneuerungsrunden, welche die Branche je erlebt habe.

Düstere Aussichten bei den Ratingagenturen

Die Ratingagenturen zeichneten dieser Tage jedenfalls düstere Aussichten für die Branche. So hat Moody’s bereits Anfang September den Ausblick für die globale Rückversicherungsbranche von stabil auf negativ geändert. Die Gründe liegen nach Ansicht der Analysten in der schwächeren Rentabilität der Unternehmen durch die Corona-Pandemie.

Zudem rechnet die Ratingagentur S&P in einer aktuellen Analyse mit Milliardenverlusten durch die Corona-Pandemie. Allerdings betonen die Analysten, dass die Kapitalisierung der Branche weiterhin robust sei. Die Unternehmen seien von Kapitalerhöhungen in diesem Jahr sowie der Erholung der Märkte seit März profitieren. „Wir glauben, dass zusätzliche direkte und indirekte Covid-19-bezogene Verluste in den nächsten Quartalen auftreten könnten“, heißt es bei S&P weiter.

Naturkatastrophen sorgen für zusätzliche Belastungen

Hinzu kommen auch die alljährlichen Folgen durch die Naturkatastrophen. Nach Angaben von Geowissenschaftlern könnte die bevorstehende Hurrikansaison im Nordatlantik 2020 größere Schadenauswirkungen auf den Versicherungsmarkt haben als in den Vorjahren. Zusammen mit der Corona-Pandemie wären schwere Sturmtreffer auf Land besonders problematisch, warnte die Munich Re bereits Ende Mai.

Nach einer Analyse der Münchener haben die Naturkatastrophen rund um den Globus allein im ersten Halbjahr 2020 Schäden von insgesamt 68 Mrd. US-Dollar verursacht. Nach Angaben der Munich Re lagen sie damit leicht unter dem 30-jährigen Durchschnitt von inflationsbereinigt 74 Mrd. Dollar. Der Anteil der versicherten Schäden war mit etwa 27 Mrd. Dollar deutlich höher als üblich.

Dabei entfielen nach Angaben des Rückversicherers 47 Prozent der Gesamtschäden und 82 Prozent der versicherten Schäden, ein deutlich höherer Anteil als im langfristigen Durchschnitt (35 Prozent bzw. 60 Prozent). Dagegen verursachten Naturkatastrophen in Europa und in Asien/Pazifik geringere Schäden. Insgesamt kamen in der ersten Jahreshälfte 2.900 Menschen bei Naturkatastrophen ums Leben, deutlich weniger als im Schnitt der vergangenen 30 und der vergangenen zehn Jahre.

Bei den Rückversicherern hat diese Entwicklung daher in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres spürbare Folgen hinterlassen. So erzielte die Munich Re im zweiten Quartal trotz Corona-Belastungen einen Nachsteuergewinn von 579 Mio. Euro (Q2 2019: Mio. Euro). Die Schadenbelastung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie beläuft sich auf insgesamt rund 700 Mio. Euro. Allerdings profitierte der Rückversicherer auch davon, dass abseits von Corona wenige Großschäden anfielen und die Erstversicherungstochter Ergo gut abschnitt.

Demnach verbucht der Düsseldorfer Versicherungskonzern im zweiten Quartal einen Gewinn von 173 Mio. Euro (Q2 2019: 135 Mio. Euro). Dabei profitierte die Ergo nach eigenen Angaben vor allem vom internationalen Geschäft. Immerhin: „Ökonomisch wird Munich Re gestärkt aus der Krise hervorgehen“, gibt sich Wenning dennoch optimistisch.

Der Schweizer Rückversicherer Swiss Re ist hingegen besonders stark von der Corona-Krise gebeutelt. Mit einem Verlust von 1,135 Mrd. US-Dollar sind die Eidgenossen im ersten Halbjahr 2020 tief in die roten Zahlen gerutscht. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr stand zu diesem Zeitpunkt noch ein Gewinn von 953 Mio. US-Dollar.

Die wesentlichen Gründe für den Milliardenverlust sieht der Rückversicherer nach eigener Aussage in den Schäden und Rückstellungen im Zusammenhang mit Covid-19 von 2,5 Mrd. US-Dollar. Ohne die Auswirkungen durch Corona hätten die Eidgenossen einen Konzerngewinn von 865 Mio. US-Dollar verbucht.

Der Hannover Rück hat Corona in den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres einen deutlichen Gewinneinbruch beschert. So fiel der Halbjahresgewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 39,3 Prozent auf 402,4 Mio. Euro. Der Rückversicherer begründet dies mit hohen Rückstellungen für die Covid-19-Folgen.

Vorstandschef Jean-Jacques Henchoz sieht in der Pandemie jedenfalls eine Extremsituation. „Als Risiko ist es für uns nicht diversifizierbar. Deswegen ist die Versicherungswirtschaft nicht in der Lage und hat auch gar nicht das nötige Kapital, um ein derartiges Kumulrisiko zu schultern“, erklärt er gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung.

Inwieweit sich dies auch in der bevorstehenden virtuellen Erneuerungsrunde wiederfindet, werden die kommenden Tage zeigen.

Autor: VW-Redaktion

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