Gefährliche Problemzone: Versicherer in der Imagefalle

Irina L auf Pixabay

Knapp zwei von fünf Deutschen haben schon einmal eine Marke aufgrund eines Skandals boykottiert. Die Versicherungsbranche sollte gewarnt sein. Streitereien um PKV-Beitragserhöhungen oder Lebensversicherung, BSV-Prozesse oder negative Dokumentationen im Fernsehen könnten einzelnen Häusern oder gar der Branche dauerhaft Schaden zufügen.

Die Versicherer bewegen sich in einem schwierigen Umfeld. Teilweise aufgrund in der Vergangenheit selbst verschuldeter Skandale. Heute indes werden die Versicherer in der Öffentlichkeit schnell zu „Nichtleistern“ gemacht, wenn im Schadenfall nicht gezahlt sind – obwohl es die Versicherungsbedingungen eigentlich so vorsehen. Dass das nicht einfach zu kommunizieren ist, verwundert kaum.

Für die Branche ist es gerade dann ein schwerer Stoß, wenn im TV auf großer Bühne in diese Richtung berichtet wird. Im Film „Verunsichert“ wurde bei der ARD einmal das Klischee bedient, der Versicherer würde sich um die Auszahlung von Leistungen drücken. Das ZDF hat vor zwei Tagen mit einer Dokumentation unter dem Titel „Schadenfalle – wenn Versicherungen tricksen“ nachgelegt. In der Sendung Wiso ging es darum, wie Versicherer scheinbar „tricksen, um Ansprüche abzuwehren“.

Auch die Diskussionen um die Beitragsanpassungen in der PKV sind ein ewiger Zankapfel, tatsächlich aber oft besser als ihr Ruf. Das Landgericht Bonn hat zuletzt eine Grundsatzfrage bei der Prämienanpassung der Privaten Krankenversicherung (vor-) entschieden, die Auswirkungen auf die Praxis haben könnte. Eine Folge des noch nicht rechtskräftigen Urteils wären Rückforderungen in Millionenhöhe und Änderungen bei den Prämienerhöhungen.

Vor diesem Hintergrund entstehe laut Experten in der Öffentlichkeit der falsche Eindruck als seien Beitragsanpassungen in der Vergangenheit „stets unwirksam gewesen“ und als seien für viele Versicherte tausende Euro „schnell und einfach zurückzuholen“.

Der Kunde will sein Geld

Mediale Diskussionen erschweren das Geschäft und zielen häufig auf Einzelfälle. Auch in der aktuell heißen Debatte um die BSV. Ulrich Leitermann, Chef der Signal Iduna, sagte einmal, dass es klar sei, dass die Betriebsschließungsversicherung nie als Pandemiedeckung gedacht war. Für R+V-Chef Norbert Rollinger ist es „wohl klar, dass das Risiko einer flächendeckenden Pandemie-Versicherung nur unter staatlicher Beteiligung denkbar ist.“

Aus fachlicher und rein unternehmerischer Sicht sind die vorgetragenen Argumente nachvollziehbar. Das Problem: von diesen Experten-Talks bekommt der Kunde im Normalfall wenig mit. Er will entschädigt werden.

Von handfesten Skandalen sind die Versicherer heute zwar weit weg. Sie müssen aber klarer kommunizieren, damit die vielen vermeintlich kleinen Kritikpunkte in Zukunft nicht zu einem härteren Stoß führen. Vielleicht ja durch eine Vereinfachung der komplexen Versicherungsbedingungen.

Image ist wichtig

Fast vierzig Prozent der Kunden haben schon einmal als direkte Folge eines Markenskandals die Verwendung eines Produktes dauerhaft oder vorübergehend eingestellt, zeigt eine Yougov-Umfrage in zehn europäischen Ländern. Am radikalsten sind die Spanier mit 50 Prozent, gefolgt von Dänen und Schweizern. In Deutschland sind es  immerhin 37 Prozent.

Ein Viertel hat schon Banken & Versicherungen boykottiert

Besonders Marken aus der Lebensmittelindustrie sind von einem Verbraucher-Boykott aufgrund eines Skandals betroffen. Ein Viertel der europäischen Marken-Boykottierer haben allerdings die Banken- und Finanzbranche im Visier. Eine Schädigung der Umwelt ist europaweit der am häufigsten genannte Grund für einen Markenboykott.

Bisher ist die Versicherungsbranche hierzulande nicht von einer Abstrafung betroffen. Die Kundenbegeisterung ist auf einem neuen Höchstniveau. Nie war die Zufriedenheit der Privatkunden in der deutschen Assekuranz höher. Der Net Promotor Score (NPS) steigt branchenweit auf +18 und erstmals erzielten alle Top 22 Versicherer einen positiven Wert, wie eine Befragung von MSR Consulting Group zeigt.

Eine gute Nachricht für die Unternehmen: es ist nicht alles verloren, die Kunden belohnen Reue und verändertes Verhalten.

Doch nicht alle Kunden können zurückgewonnen werden, ein Drittel kehrt sich nach Eigenaussage dauerhaft ab.

Quelle: Yougov

Zur Umfrage von Yougov: Ergebnisse der Studie „Brand Boycotters“ der internationalen Data & Analytics Group YouGov, für die 2.040 Deutsche, 1.016 Dänen, 1.008 Finnen, 1.018 Franzosen, 1.026 Italiener, 1.013 Norweger, 1.021 Spanier, 1.015 Schweden, 500 Österreicher sowie 500 Schweizer zwischen dem 27. Juli bis 19. August 2020 mittels standardisierter Online-Interviews befragt wurden. Die Ergebnisse sind gewichtet und repräsentativ für die jeweiligen Bevölkerungen ab 18 Jahren.

Autor: VW-Redaktion

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