Was Mitarbeiter über Versicherer denken: Führungsdefizite bei Generali, „alt gebliebene“ Debeka, Ergo im Aufwind

Wir schneiden Versicherer als Arbeitgeber ab? Bild von John Hain auf Pixabay

Nirgendwo gehen die Menschen so lustlos zur Arbeit wie in Deutschland. Das zeigt eine globale Studie zur Mitarbeiterzufriedenheit, des dänischen Unternehmens Peakon. Unter anderem ist die Finanzbranche bei vielen Arbeitnehmern nicht gut gelitten. Die Bewertungen der Versicherer beim Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu sprechen Bände.

Im Mittelfeld der beliebtesten Branchen findet sich laut Studie die Finanzbranche. Das bedeutet, der Bereich befindet sich ungefähr in der Mitte zwischen Katastrophe und Traumjob – allerdings im Land der unglücklichsten Arbeitnehmer. Wirklich sprechen wollen die Unternehmen über ihr Image bei den potenziellen und ehemaligen Angestellten nicht so recht, woran das liegen mag?

Die wichtigste Erkenntnis zu den Kununu-Bewertungen hat die Debeka in Form ihres Pressesprechers Christian Arns zu Papier gebracht: „Sicherlich ist es nichts ungewöhnliches, dass man bei 16.000 Mitarbeitern auch mal eine kritische Stimme findet“. Da hat er recht, doch es bleibt selten bei einer negativen Meinung – unabhängig von der Gesellschaft.

DFV polarisiert

Bei keinem der untersuchten Unternehmen ist die Diskrepanz zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt so deutlich wie bei der Deutschen Familienversicherung unter Führung von Chef Stefan M. Knoll.

Quelle: Kununu

Einmal sind die Vorgesetzten „herrisch und menschlich gesehen absolut inakzeptabel“ sowie der Kollegenzusammenhalt von „Neid, Missgunst und Misstrauen“ geprägt. Auf der anderen Seite wird von einem „fairen Umgang miteinander“ und einem „Wir“-Gefühl gesprochen.

Die deutsche Familienversicherung, deren Chef Bücher über das Führen von Mitarbeitern verfasst, hat leider nicht auf eine Anfrage zum Thema reagiert. Die Meinung des Unternehmens, das bis zu 6.500 Euro für eine Bewerbung bezahlt und bei dem die Vorstände persönlich per Video rekrutieren, wäre interessant gewesen. Das Unternehmen polarisiert offenbar genau wie ihr Chef.

Die Debeka hat ein besseres Rating vorzuweisen und zum Thema Mitarbeiterklima etwas beizutragen. „Unsere letzte Mitarbeiterbefragung zeigte ein hohes Maß an Zufriedenheit“, schreiben die Koblenzer.

Quelle: Kununu

Das mag sein, doch finden sich auf dem Bewertungsportal einige kritische Stimmen, die zu viel Kontrolle beklagen. „Es gibt Vorgaben in allen Bereichen. Viel Platz für eine individuelle Gestaltung der täglichen Arbeit ist wohl nicht vorgesehen.“

Das ist ein Kritikpunkt der Peakon-Studie für Deutschland allgemein. in den USA oder Skandinavien herrsche „eine andere Kultur der Mitarbeiterführung als in Deutschland“. Die Entscheidungsfreiheit für Arbeitnehmer sei größer, die Arbeitszeiten flexibler.

Die Koblenzer sind sich bewusst, dass auch im eigenen Haus (noch) nicht alles optimal läuft, ein Mitarbeiter sprach von „altbacken“. Ein Wandel gelinge nicht „von heute auf morgen“, aber es wurden zahlreiche Veränderungen auf den Weg gebracht, um ein „bestmögliches und modernes Arbeitsumfeld“ bieten zu können. „Das müssen wir auch, denn aufgrund der demografischen Entwicklung wird der Arbeitsmarkt immer schwieriger“, erklärt Arns. Die Debeka habe den Anspruch, „unseren Mitarbeitern einen möglichst lebenslangen Arbeitsplatz zu bieten“. Ähnlich äußerte sich bereits der Debeka-Chef Brahms, ehemals Personalvorstand, im Interview mit der Versicherungswirtschaft.

Am Ende stellt Arns noch die kluge Frage, ob „Hire-and-Fire“-Mentalität in den USA final besser wäre als das europäische Modell. Das mag jeder selbst entscheiden, positiv ist bei Debeka und DFV, dass die Bewertungen der Kununu-Nutzer individuell kommentiert werden. Ein potenzieller Arbeitnehmer kann bei der Portal-Recherche sehen, dass das Unternehmen präsent, selbstkritisch und lernbereit ist. Nicht die schlechtesten Attribute.

Ergo und Generali

Gute Eigenschaften hat offenbar die Ergo, jedenfalls lässt dies das Ranking erahnen, von den getesteten Versicherern ist es das beste Ranking.

Quelle: Kununu

Leider konnte das Unternehmen nichts zur eigenen Strategie erzählen, also lassen wir die Mitarbeiter sprechen. „Im Großen und Ganzen ein super Arbeitgeber“, „gutes Unternehmen mit Luft nach oben“ oder „mein persönlicher Traumjob“.

Allerdings gab es auch Meldungen über „falsche Führungskräfte“ oder zu viel Konkurrenz“. Den besten Mitarbeiterkommentar insgesamt hatte ebenfalls ein (Ex-) Ergo-Mann oder Frau: “ Eine Versicherung mit dunkler Historie. Am Image wird jedoch gearbeitet.“ Ob die Ergo das für eine Werbekampagne nutzen wird?

Wenn es einen Sieger gibt, dann muss es auch einen Verlierer geben. In diesem Fall ist es die Generali. Überraschend ist, dass die Zentrale in Köln ein zumindest solides Ergebnis hatte, während die Generali in München mit Abstand das Schlusslicht bildet.

Quelle: Kununu
Quelle: Kununu

Die Weiterempfehlungsrate liegt bei 17 Prozent, bei den anderen Unternehmen zwischen 67 und 73 Prozent. Insbesondere die Führungskräfte stehen in der Kritik der Mitarbeiter. „Die meisten sind gute Experten, als Führungskräfte charakterlich jedoch völlig ungeeignet und dementsprechend überfordert.“ Ein anderer schreibt: „Nicht authentisch auf Unternehmensebene und teilweise unehrlich auf Abteilungsebene.“ Das Verhalten der Vorgesetzten sei „Minus Zehn“ erklärt ein Weiterer und es herrsche „Missgunst und Machtgier auf allen Ebenen.“

Die positiven Anmerkungen sind dem Score entsprechend in der Minderzahl: „Der wertschätzende Umgang miteinander“ wird geschätzt, ebenso das „das Betriebsrestaurant (keine Kantine!)“ und die „Visionen für die Zukunft“. Gleichzeitig wird aber bemängelt, dass die Strukturen „teilweise nicht bis zu Ende gedacht“ werden und in den oberen Führungsebenen zu viele „Ja-Sager“ sitzen. Eine Anfrage an das Unternehmen blieb unbeantwortet.

Der tatsächliche Sieger des inoffiziellen und unvollständigen Wettbewerbs ist aber ein Unternehmen aus Berlin, streng genommen kein Versicherer.

Quelle: Kununu

Mit Abstand der beste Score aller Unternehmen, Insurtechs können scheinen nicht nur Technik sondern auch Menschenführung.

Verdi und AGV

Nach dem Mikro-Blick in die Unternehmen, fehlt noch die Makro-Sicht auf die Branche insgesamt. Niemand ist dazu besser geeignet als die Arbeitgeber und die Gewerkschaft.

„Ob die Mitarbeiter unglücklich mit Ihrer Arbeit sind und damit lustlos zur Arbeit gehen, kann ich leider nicht konkret beantworten, sagt Michael Gold, Geschäftsführer des AGV, Versicherer als Arbeitgeber. Exakt zu diesen Fragen habe er keine Informationen vorliegen, aber stattdessen besitze er Ergebnisse einer Befragung von Kantar TNS zur Versicherungswirtschaft als Arbeitgeber, die er gerne teile.

Demnach sind aktuell 89,4 Prozent der Befragten „äußerst zufrieden“, „sehr zufrieden“ bzw. „zufrieden“ mit ihrem Arbeitsverhältnis bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber. Im Jahr 2019 lag der Wert bei 86,9 Prozent, die Jahre zuvor war er leicht gefallen.

Ferner würden 70,1 Prozent ihren derzeitigen Arbeitgeber aufgrund Ihrer eigenen Erfahrungen Freunden und Bekanntenweiterempfehlen, das liegt im Spektrum der Kununu-Quoten. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter in der Umfrage ist insgesamt größer als bei den untersuchten Kununu-Bewertungen, die aber insgesamt positiv sind.

Diese Ergebnisse zeigen laut Gold „mehr als deutlich“, dass die Beschäftigten in der Versicherungswirtschaft ihr Arbeitsverhältnis „durchaus sehr positiv bewerten“.

Das Urteil von Verdi ist „gemischt“. Einerseits sei den Beschäftigten bewusst, dass sie im Vergleich zu anderen Branchen „gute Bedingungen haben“, zum Beispiel bei der Bezahlung. Andererseits wächst der Arbeitsdruck und das Gefühl belastenden Arbeitssituationen „ausgeliefert zu sein“. Bei Veränderungsprozessen gelinge es den Vorständen nicht immer, „ihre Beschäftigten auch mitzunehmen“.

Viele Mitarbeiter würden aber auch positive Veränderungen erleben, zum Beispiel neue Entwicklungsmöglichkeiten durch neue Arbeitsformen oder den Ausbau von mobiler Arbeit. Gleichzeitig zeige sich, „dass solche Veränderungen nicht nur positiv wirken, sondern auch neue Belastungen hervorbringen können“.

Autor: Maximilian Volz

Ein Kommentar

  • Leider muss ich Herrn Brahms von der Debeka widersprechen. Wenn man sich aut Bewertungsportalen negativ äußert wird Besserung versprochen, jedoch folgen den Versprechungen keine Taten. Teilweise haben Mitarbeiter die sich dort geäußert haben mit negativen Reaktionen der Führungskräfte zu kämpfen. Auch die Bemühung den Mitarbeitern einen lebenslangen Arbeitsplatz zu bieten zu wollen ist eine Phrase wenn man sich den Umgang von Führungskräften mit ’normalen‘ Aussendienstmitarbeitern anschaut.

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