Angriff auf alle: Das steckt hinter dem Allianz-Projekt Iconic Finance
Das Blöde an der Zukunft ist, dass sie niemand kennt. Das gilt auch für die Allianz, die aber dennoch still und heimlich ein Konzept entwickelt hat, um den Finanz-, nicht nur Versicherungsmarkt, künftig anzuführen. Unter „Iconic Finance“ firmiert das Projekt, für das personell bereits die Grundlagen gelegt wurden. Doch es bleiben Fragen, beispielsweise, welche Rolle der Vermittler in dieser neuen Welt spielen soll.
Die Meldung nahm die Schlagzeilen im Sturm, die Allianz hat Aboalarm-Gründer Bernd Storm zum führenden Kopf ihres Projekts Iconic Finance gemacht. Dort trifft er auf seinen alten Aboalarm Kollegen Arnold Brunner und den Allianz-Manager Tobias Tschiersky, der wohl den Versicherungssachverstand einbringen soll. Damit sich die beiden Neuen bei der Allianz wie zu Hause fühlen, haben sie ein komplettes Fintech-Team von ihrer alten Firma zu „Iconic“ mitgenommen, berichtet finanz-szene.de.
Die Personalien sind damit noch nicht abgeschlossen, die Münchener verpflichteten zudem den IT-Sicherheitsexperten Vincent Haupert, offenbar als „N26-Hacker“ bekannt. Personell ist der Grundstein gelegt, bleibt noch offen, was Iconic Finance ist und was damit erreicht werden soll.
Das ist die neue Tochter
Der zuletzt ausgeschiedene LV-Vorstand Markus Faulhaber erklärte: „Wir werden eine Internet-Plattform bauen, die den Kunden 360-Grad-Analysen ihrer Finanzen ermöglicht.“ Das ist nun auch nicht gerade selbsterklärend. Besser verständlich ist die Erklärung, dass eine digitale Lösung entwickelt werden soll, die die persönliche Finanzwelt des Nutzers abdeckt. Es wird also eine Plattformlösung, die vom Girokonto über den Versicherungsvertrag bis hin zum Energiekontrakt alles abdeckt. Das Bankgeschäft soll ebenfalls integriert sein.
Der Ansatz ist nicht neu, das Beratungsunternehmen EY hat kürzlich prognostiziert, dass die Finanzwirtschaft genau in diese Richtung steuert. Das Unternehmen sprach von Plattformen, auf denen sich der Kunde einmal – gegen Gebühr – registriert und finanztechnisch sein ganzes Leben lang verschiedene Services in Anspruch nehmen kann. Diese würden die Punkte Sparen, Investieren, Leihen, Ausgeben und Absichern umfassen, also ein Komplettpaket, oder in ,Faulhabers Worten, ein 360 Grad-Ansatz.
Angriff auf alle
Das Ziel der Allianz ist klar, mit der Plattform soll der digitale Kundenzugang gelingen. Es ist eine Attacke auf Unternehmen wie Finleap, N-26 oder Check24, die sich im digitalen Bereich tummeln. Als Marktführer in Sachen Versicherung hierzulande ist für die Allianz zwar noch Wachstumspotenzial vorhanden, allerdings nur begrenzt. Die Münchener haben, wie (fast) alle anderen Versicherer längst erkannt, dass das momentane Geschäftsmodell Kunde-Vermittler-Versicherer bald obsolet wird. Zu stark ist der Sog des Smartphones.
Vermittler ist ein gutes Stichwort. Es ist offen, was mit den rund 8.200 Allianz-Agenturen und den dazugehörigen Vermittlern geschieht, wenn die Kunden per Plattform bedient werden. Für den Frieden im Unternehmen ist diese Frage essenziell. Nicht vergessen werden darf, dass die Vermittler zuletzt mehrfach wegen IT-Problemen und Provisionsstreitereien auf Konfrontationskurs mit dem Konzern gingen.
Die Münchener sind sich der Brisanz der Vermittlerfrage bewusst, nach einem Bericht von gruenderszene.de wirbt die Allianz gerade auf Roadshows um die Gunst der eigenen Vermittler.
Eine weitere Frage ist, wer entscheidet, welche Angebote auf die Plattform kommen und welche draußen bleiben müssen. Das sind alles offene Punkte, auch weil die Allianz eine (sehr) kurzfristige Anfrage nicht beantwortete.
Das ist Amazons Pfad
Der Allianz muss es gelingen, bessere Plattform-Angebote wie andere Unternehmen zu schnüren. Nicht einfach, denn die Konkurrenz schläft nicht, im Bereich Gesundheit gibt es solche Plattformen bereits.
Ein viel größeres Risiko bergen aber Unternehmen wie Amazon, Ping An oder Google. Diese Big-Player sind Plattformprofis und für die Errichtung eines solchen Marktplatzes ist kein tiefes Verständnis der Materie Finanzen notwendig.
Plattformen wären genau das Einfallstor der Tech- und Finanzriesen, vor dem sich die Branche so sehr fürchtet. Es ist daher gut, dass sich der Branchenriese Allianz auf die Fahne geschrieben hat, tätig zu werden, bevor sich die wirklichen Giganten in Bewegung setzen.
Die Allianz ist mit „Iconic Finance“ offenbar bereit, die Zukunft mitzugestalten. Trifft die Entwicklung pro Plattform nicht ein, steht immer noch ein effizientes Vertreterteam bereits. Die Allianz fährt mehrgleisig in die Zukunft, „Iconic Finance“ soll noch in diesem Jahr Realität werden.
Autor: VW-Redaktion