Votum-Chef Klein: „Staatliche Teillösungen haben in der dritten Säule der Altersvorsorge nichts zu suchen“

Martin Klein. Quelle: Votum-Verband

Diese Woche richtete sich der Votum-Verband mit klaren Forderungen an die Politik. Weniger Bürokratie und mehr Bekenntnis zur Schlüsselindustrie Finanzdienstleistung wird gefordert.  „Die Politik muss erkennen, dass die Lösung der großen Herausforderungen der Nachhaltigkeit und Altersvorsorge nur über diese Schlüsselindustrie führt“, erklärt Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Branchenverbands VOTUM Verband unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa. Auch sonst spart er nicht mit Forderungen und Vorschlägen.

VWheute: Im Wesentlichen forderten Sie diese Woche von der kommenden Regierung den Abbau von Bürokratie und die Reformierung, aber Beibehaltung der privaten Altersvorsorge, speziell Riester.

Martin Klein: Es ist auf ganzer Linie inakzeptabel, dass aufgrund von politischen Machtspielen eines der weltweit erfolgreichsten privaten Altersvorsorgeprodukte bewusst kaputt gemacht wird. Dem stellen wir uns entschieden entgegen.

Ja, Riester muss reformiert werden. Die Vorschläge dafür liegen seit Langem auf dem Tisch – auch aufseiten von VOTUM mit unserer Forderung nach einer sofortigen Minimal-Riesterreform der neuen Bundesregierung. Riester aber einfach so sehenden Auges an die Wand fahren zu lassen – und danach sieht es aktuell aufgrund der politischen Untätigkeit in der auslaufenden Legislaturperiode stark aus –, ist die schlechteste aller Lösungen.

VWheute: Was spricht gegen staatliche Teillösungen in der Altersvorsorge?

Martin Klein: Staatliche Teillösungen haben in der dritten Säule der Altersvorsorge nichts zu suchen. Es müssen Anreize geschaffen werden, die Bürger zur privaten Vorsorge zu motivieren. Eine One-size-fits-all-Lösung für 45 Millionen Erwerbstätige mit 45 Millionen unterschiedlichen Biografien ist jedoch der falsche Weg.

VWheute: Was wäre für Sie eine von Ihnen geforderte „gerechte Rentenpolitik“ und wie kommen wir dahin?

Martin Klein: Eine gerechte Rentenpolitik ist dann gegeben, wenn Bürger, die ihr Erwerbsleben dazu genutzt haben, für ihr Alter vorzusorgen, in der Rente ein für ihr Leben ausreichendes Einkommensniveau halten können. Dafür muss es für jedermann möglich sein, alle drei Säulen der Altersvorsorge für dieses Ziel zu nutzen – natürlich bei Sicherstellung einer Grundsicherung aller Bürger über die gesetzliche Altersvorsorge. Diese Angebotsvielfalt zu ermöglichen, muss Hauptaufgabe Nummer 1 für die Politik sein. Die dritte Säule der privaten Altersvorsorge abzuschaffen oder in ihrer Attraktivität zu beeinträchtigen, kann nicht die Lösung sein.

VWheute: „Die Politik muss das Potenzial der Schlüsselindustrie Finanzdienstleistungsbranche noch viel stärker als bisher nutzen und fördern“. Würde eine Mehrheit der Bevölkerung ihrer Forderung zustimmen würden, was wünschen Sie sich?

Martin Klein: Ich bin der festen Überzeugung, dass diejenigen, die in Kontakt zu einem Berater stehen, dies unterstützen. Über 200.000 Versicherungs- und Anlagevermittler beraten die Bürger zu Fragen rund um die Themen Daseinsvorsorge, Altersabsicherung und Vermögensaufbau. Der geringe Grad von Beschwerden, die unsere und andere Verbraucherschlichtungsstellen erreichen, zeugt von einer hohen Zufriedenheit. Die Komplexität bei der Auswahl einer maßgeschneiderten Altersvorsorge unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen bedarf einer persönlichen Beratung.

Die Politik muss erkennen, dass die Lösung der großen Herausforderungen der Nachhaltigkeit und Altersvorsorge nur über diese Schlüsselindustrie führt. Ohne die Finanzdienstleistungsbranche und ihre Berater wird uns die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft nicht gelingen und Altersarmut nicht verhindert werden können. Die Politik muss das Potenzial dieser Schlüsselindustrie noch viel stärker als bisher nutzen und fördern, anstatt sie mit Überbürokratisierung zu blockieren. 

VWheute: Bleiben wird dabei: Was erhoffen Sie sich beim Thema Regulierung und Provisionsverbot?

Martin Klein: Ich erhoffe mir, dass die Politik sich von den Fakten leiten lässt. Fakt ist: Die Finanzdienstleistungsbranche ist die wohl regulierteste Branche in Deutschland. Jeder Sparer, der einfach so zum Handy greift und seinen Berater telefonisch um Rat fragen möchte, bekommt am eigenen Leib zu spüren, wie sehr Überregulierung hemmt. Auch das einfache Abschließen einer Hausratsversicherung hat zur Folge, dass der Verbraucher einen ganzen Aktenordner voller Dokumente erhält – die er im Zweifel nicht einmal versteht, weil der Detaillierungsgrad der gesetzlich geforderten Informationen viel zu hoch ist. Wir wollen Nachhaltigkeit und schaffen archivierungspflichtige Datenmüllberge, die exponentiell wachsen. Hier müssen wir innehalten. Wir tragen aktuell mit den anderen Branchenverbänden die regulativen Missstände zusammen und erhalten hoffentlich die Gelegenheit, diese auf Einladung der BaFin auch den Fachministerien zu präsentieren und in einen Dialog zu kommen.

VWheute: Bleibt das Provisionsverbot …

Martin Klein: Der Forderung nach einem Provisionsverbot ist weiterhin eine klare Absage zu erteilen. Da sollte eigentlich ein Blick in die Niederlande oder zu unseren britischen Nachbarn ausreichen. Gerade bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen ist die Beratungslücke im Vereinigten Königreich förmlich explodiert. Eine Beratung gibt es in den allermeisten Fällen erst ab einem Anlagevermögen von mindestens 70.000 Pfund. Das sind Zustände, die sich niemand ernsthaft für Deutschland wünschen kann. Das Gute: Unsere zahlreichen Gespräche mit den allermeisten politischen Entscheidungsträgern, zeigen, dass diese Argumente durchaus Gehör finden. Auch bei den Grünen zeigt man sich diesbezüglich durchaus gesprächsbereit.

VWheute: Was wünschen Sie sich beim Thema Nachhaltigkeit?

Martin Klein: Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist alternativlos. Diese Erkenntnis ist nunmehr endgültig in der Politik angekommen. Die Umsetzung betrifft alle Lebensbereiche – weltweit. Das Ziel ist klar: die Entwicklung hin zu einer klimaneutralen, gerechten und zukunftsorientierten Gesellschaft. Dieser Weg kann nur über Ideen- und Technologieoffenheit führen. Starre Verbote bringen uns nicht weiter. Es braucht Kreativität, Mut, Erfindergeist – und die passenden politischen Rahmenbedingungen.

Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren steht zukünftig auch im Bereich der Kapitalanlage im Vordergrund. Auch der Weg hin zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft ist unumkehrbar. Es ist zu begrüßen, dass Deutschland eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung der europäischen Maßnahmen einnehmen möchte. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass durch nationale Alleingänge des Gesetzgebers oder der Finanzaufsicht die Handlungsalternativen der deutschen Anbieter eingeschränkt werden. Dem Kampf gegen den Klimawandel ist nicht gedient, wenn deutsche Kapitalverwaltungsgesellschaften strengeren Regularien unterworfen werden als die Unternehmen in den europäischen Nachbarländern. Dies würde lediglich zu einer Kapitalflucht ins Ausland führen und die Anlagen deutscher Sparer würden der deutschen Finanzaufsicht entzogen. Damit ist weder dem Klima- noch dem Verbraucherschutz gedient.

Konkret heißt das: Europäische Lösung, keine nationalen Alleingänge, keine Überbürokratisierung und Vorfahrt für Kreativität, Mut und Erfindergeist.

Zur Person und Verband: Rechtsanwalt Martin Klein ist geschäftsführender Vorstand des Branchenverbands VOTUM Verband unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e.V. An die VOTUM-Mitgliedsunternehmen sind 100.000 unabhängige Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler angebunden.

Die Fragen stellte Maximilian Volz.