Welche Insurtechs vom Investitionsaufschwung profitieren

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Im dritten Quartal 2020 wurden weltweit Investitionen in Insurtechs in Höhe von 2,5 Mrd. US-Dollar in insgesamt 104 Transaktionen getätigt. Das entspricht einem Anstieg gegenüber dem Vorquartal von 63 Prozent im Investitionsvolumen und 41 Prozent in der Transaktionsanzahl. Nicht alle profitieren. Mit Getsurance und Joonko mussten zwei deutsche Jungunternehmen ihr Geschäft (vorläufig) aufgeben.

Die Geldgeber sind wieder investitionsbereit. „Die weltweite Finanzierungsaktivität hat nach dem COVID-19-bedingten Rückgang im ersten Quartal bereits ein halbes Jahr später einen neuen Höchststand erreicht“, sagt Michael Klüttgens, Leiter der Versicherungsberatung bei Willis Towers Watson Deutschland. Die aktuellen Zahlen  würden unterstreichen, dass Investoren trotz der COVID-19-bedingten Umwälzungen „großes Wachstumspotenzial für Insurtechs erkennen“.

Dem weltweiten Trend entspricht auch die „Investitionsentwicklung in Deutschland“. Obwohl sich im dritten Quartal keine Mega-Deals ergaben, machten Finanzierungen in deutsche Insurtechs fünf Prozent aller weltweiten Transaktionen aus. „Dies liegt sogar leicht über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre von vier Prozent“, erklärt Niki Winter, Director und Digitalisierungsexperte bei Willis Towers Watson in Deutschland.

Ein interessanter Aspekt des InsurTech Briefing Q3/2020 von Willis Towers Watson ist, dass die Geldgeber ihren Fokus auf „reife Insurtechs“ legen. Bei diesen sind die „Entwicklung und die Kapitalbedürfnisse vorgezeichnet“, und es ergeben sich meist „höhere Finanzierungsrunden“.

Kein Geld für alle

Vielleicht ist der Blick auf bestimmte Entwicklungsstadien bei Insurtechs der Grund, dass mit Joonko und Getsurance aktuell zwei Insurtechs wegen fehlenden Geldgebern aufgeben mussten. Getsurance hat Insolvenz angemeldet, der Geschäftsbetrieb wird allerdings aufrecht gehalten. Der vorläufige Insolvenzverwalter Friedemann Schade erklärte, dass ein neuer Geldgeber gesucht wird.

Dasselbe Schicksal erlitt aktuell auch  das Berliner Unternehmen Joonko. Die Finleap-Tochter wollte über den Weg des Vergleichsportals zur Finanzplattform wachsen, doch ist (vorerst) gescheitert. Die Aufgabe überrascht, denn die potenziellen Geldgeber zeigten sich auch während der Krise gegenüber Investments in Insurtechs aufgeschlossen. So stieg beispielsweise Carsten Maschmeyer bei Neodigital ein und auch sonst waren Beobachter und Gestalter der Szene, wie Finleap-CEO Ramin Niroumand, bezüglich weiteren Investitionen optimistisch. Nun hat es mit Joonko eines von Niroumands Unternehmen erwischt.

Die Aufgabe hat Gründe. Für dieses Geschäftsmodell und die Akquise von Endkunden ist ein sehr hoher Kapitalbedarf nötig, das war uns von Anfang an bewusst, schreibt das Unternehmen auf Anfrage. Die COVID-19-Pandemie habe das Kfz-Versicherungsgeschäfts geschwächt und damit die Kundenakquisition „noch einmal erschwert“. Es wäre ein höherer Kapitalbedarf nötig gewesen, der mit den bestehenden Investoren nicht realisierbar gewesen wäre.

„Die Series A Finanzierungsrunde sollte den mittelfristig geplanten Kapitalbedarf decken. Leider ist sehr kurzfristig einer der Lead-Investoren abgesprungen, so dass wir keine ausreichend hohe Finanzierungsrunde zustande bekommen haben. Daher mussten wir uns letztlich für die Beendigung des Geschäfts entscheiden“, schreibt Joonko.

Dennoch glaubt Finleap als Mutterkonzern noch an die Realität eines Finanzportals. „Das war immer die Idee hinter Joonko, von der auch weiterhin alle bei Joonko und Finleap überzeugt sind. Zum jetzigen Zeitpunkt hat diese ambitionierte Wette unter den genannten Umständen leider nicht funktioniert“, schreiben die Berliner.

Was die prägenden Figuren beim Portal, Carolin Gabor und Andreas Schroeter, in Zukunft bei Finleap tun werden, ist noch offen. Erst einmal kümmern sie sich darum, dass „alle Mitarbeiter:innen von Joonko neue Positionen im Finleap Ökosystem“ finden. Was die Gründer darüber hinaus machen, werde „zu gegebener Zeit“ kommuniziert. Löblich, dass Finleap die Mitarbeiter auch in der Krise nicht fallen lässt.

Wenige Investitionen im mittleren Bereich

Neben den hohen Finanzierungssummen ist laut InsurTech Briefing Q3/2020  ein Anstieg der Anzahl der Investitionen von 74 auf 104 zu beobachten. Hierbei ist insbesondere die Zunahme der Early-Stage-Finanzierungen auffällig. Die vergleichsweise kleinen Investitionen in Unternehmen in der Frühphase machten 57 Prozent der Transaktionen aus. „Im Unterschied zu den positiven Entwicklungen im Early-Stage- und im Later-Stage-Segment sehen wir einen relativen Rückgang im mittleren Investitionsbereich zwischen 20 und 50 Millionen US-Dollar, den Series-B- und C-Finanzierungsrunden“, erklärt Winter.

Zu dieser Polarisierung bei den Finanzierungen kommt eine ähnliche Polarisierung bei den Investoren hinzu: Während sich vor allem Venture Capital- und Private Equity-Gesellschaften in Early-Stage-Phasen engagieren, fokussieren sich die (Rück-)Versicherer primär auf Later-Stage-Finanzierungen. Letztere wählen ausgereifte Technologien gezielt aus, um ihre eigene Wertschöpfungskette zu ergänzen oder ihre technologische Weiterentwicklung zu beschleunigen, heißt es weiter.

Der Anteil mittelgroßer Deals sank im dritten Quartal um neun Prozent und entspricht damit 14 Prozent der Gesamtzahl aller Transaktionen. „Für Insurtechs, die ihre Lösungen erst noch skalieren und zur Marktreife bringen müssen, ist diese Entwicklung schwierig, denn es fehlt ihnen der entscheidende Schub“, sagt Winter. Offenbar ist genau diese Entwicklung Joonko und Getsurance zum Verhängnis geworden.

Autor: Maximilian Volz

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