VWheute-Kolumnist Hermann fordert vom GDV ein „unmissverständliches Bekenntnis pro Berater“
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Klaus Hermann ist Versicherungskaufmann und meinungsstark. Quelle: VWheute.

In der neuen Bundesregierung wird es ziemlich sicher mehr Politiker geben, die unsere Branche verändern wollen, prophezeit Kolumnist Klaus Hermann. „Wir müssen ihnen klarmachen, dass die Wähler vor allem deshalb links wählen, weil sie sich Klimaschutz und mehr soziale Gerechtigkeit und nicht die Abschaffung ihres Beraters oder des Provisionssystems wünschen“, erklärt er in der Kolumne. Für den GDV und seinen Hauptgeschäftsführer hat er eine klare Botschaft.

Heute in einer Woche sind die Würfel gefallen. Die Wähler*innen haben dann entschieden. Über die Konstellation im neuen, deutschen Bundestag. Über rot-rot-grün, schwarz-grün-gelb, rot-grün-gelb oder schwarz-rot-gelb. Über die Zukunft unseres Landes – zumindest für die nächsten vier Jahre. Über die Zukunft unserer Branche?

Wohl kaum. Lediglich eine von 38 Fragen des aktuellen „Wahl-O-mat“ zur Bundestagswahl beschäftigt sich marginal mit unserer Branche. Dabei geht es um die Beitragspflicht zur Gesetzlichen Rentenversicherung, die ja nur in ihren Auswirkungen mit der Privaten Versicherung zu tun hat. In den Wahlprogrammen der einzelnen Parteien finden sich reichlich unterschiedliche Ideen, wie man zukünftig mit unserer Branche umgehen möchte. Von der Stärkung der Vorsorge und dem „Weiter so wie bisher“, bis zur Bürgerversicherung und obligatorischer Honorarberatung.

Während das in unserer Zunft nachvollziehbar sorgenvoll beobachtet und kommentiert wird, machen sich im Moment die wenigsten Bundesbürger Gedanken über den Fortbestand eines Berufes, der in den Beliebtheitsskalen regelmäßig aus dem Keller grüßt. Selbst, wenn man mit dem Megafon von der Quadriga des Brandenburger Tores brüllen würde, dass es um zehntausende Arbeitsplätze und Existenzen geht, werden die kurzzeitig nach oben blickenden Menschen spätestens dann ihren Einkaufsbummel Richtung Berliner Friedrichstraße unbeeindruckt fortsetzen, wenn sie erfahren, dass da einer der Erben von Herrn Kaiser um etwas Aufmerksamkeit und Mitleid winselt.

Es ist nicht ausschließlich in unserem Ansehen begründet, wenn die Themen der Finanzdienstleistungsbranche im Bundestagswahlkampf und den diversen „Triells“ wenig bis keinen Platz finden. Es liegt vor allem daran, dass es im Moment einfach viel größere Probleme zu lösen gibt. Wer den Klimawandel auf ein für die Menschheit erträgliches Maß reduzieren und der einzigen Partei die Stimme geben will, die es seit Jahren bei dem Thema ernst meint, der kauft im Paket auch die Bürgerversicherung und die Honorarberatung mit ein. Trotz aller Befangenheit kann man den Wähler*innen nicht verübeln, dass Klimawandel, Digitalisierung, Bildung, Außenpolitik und Neuverschuldung im Mittelpunkt der Diskussionen und Auseinandersetzungen stehen.

In der neuen Bundesregierung wird es ziemlich sicher mehr Politiker geben, die unsere Branche verändern wollen. Die Frage ist, ob es so dienlich ist, dass große Teile der Assekuranz seit Monaten eher auf Konfrontation als auf Kommunikation setzen. Kommentare und Posts von klar identifizierbaren Versicherungsvermittlern in den Social-Media-Kanälen, die hart an der Grenze zur Beleidigung und auf unterem Stammtisch-Niveau agieren, helfen wenig weiter und verfestigen bei den entscheidenden Volksvertretern vermutlich nur einen bisher eher oberflächlichen Eindruck. Wenn dann auch noch ein großer Maklerpool in Videobotschaften die Wahlprogramme der Parteien angeblich analysiert und nach den ersten Minuten erkennbar ist, dass es sich letztendlich um eine Werbebotschaft zur liberalen Politik handelt, dann verhärtet das Fronten, die das Agieren derer, die sich faktenbasiert mit den Entscheidern von morgen unterhalten.

Unabhängig, wo jeder von uns am 26. September sein Kreuzchen macht, sollten wir auf den Dialog setzen. Wir müssen mit den Verantwortlichen und stimmungsmachenden Finanzmarkt-Experten im linkspolitischen Lager sprechen. Wir müssen ihnen klarmachen, dass die Wähler*innen vor allem deshalb links wählen, weil sie sich Klimaschutz und mehr soziale Gerechtigkeit und nicht die Abschaffung ihres Beraters oder des Provisionssystems wünschen. Wir müssen aufzeigen, dass eine Bürgerversicherung in England und den Niederlanden gescheitert ist und nicht zu einem besseren Gesundheitssystem geführt hat. Zeigen wir ihnen unsere Büros und lassen sie erleben, warum über 80 % der Deutschen mit ihrem Versicherungsvermittler sehr gut oder gut zufrieden sind. Laden wir sie zu blitzsauberen, hochkarätigen Informationsveranstaltungen der Branche ein, um zu zeigen, mit welcher Qualität gearbeitet und weitergebildet wird.

Die Versicherer sollten flankierend die Vorgaben nach IDD konsequent umsetzen. Zu viele Vertriebe setzen noch messbare Leistungsanreize, die zum Jahresende häufig dafür sorgen, dass der Kunde nicht im Mittelpunkt, sondern im Weg steht. Das ist Wasser auf die Mühlen der Verfechter einer Honorarberatung, mit all ihren bekannten negativen Folgen für die Vermittler und nicht zuletzt der Bürger*innen in den unteren Einkommensgruppen.

Flankierend sollte der GDV endlich ein deutliches und unmissverständliches Bekenntnis zu seinen Vertrieben und Beratern abgeben und mit all seinen Möglichkeiten für den Erhalt des Status quo kämpfen. Die Statements des GDV-Hauptgeschäftsführers haben in der jüngeren Vergangenheit eine unnötige Irritation und Unsicherheit in der Vermittlerschaft hinterlassen.

Wenn es unserer Branche gelingt, das ungerechtfertigte Image des Versicherungsvertreters aus dem vergangenen Jahrhundert abzulegen und einen sich erneuernden, innovativen, modernen und hoch qualifizierten Vertrieb zu präsentieren, verbunden mit eloquenten Experten im Dialog mit der Politik. Dann haben wir gute Chancen, dass sich die Volksvertreter des neuen Bundestages um die Themen kümmern, für die sie wirklich gewählt werden und wir können weiterhin unserer wichtigen Arbeit nachgehen und den Menschen helfen, die existenziellen Risiken des Lebens passend abzusichern. 

Zum Autor: Klaus Hermann ist Versicherungskaufmann  und Makler aus Leidenschaft. Nebenbei ist er Buchautor, Comedian, Besieger von Stefan Raab und vieles mehr. Für die Montagskolumne auf VWheute schaut er aus Sicht eines Vermittlers auf die Branche.

Ein Kommentar

  • Der informierte Kunde sollte stets die Wahl zwischen Tarifen mit Beratung/Provision und einem Nettotarif online haben, um tatsächlich die Wahl zu haben. Das könnte eine sinnvolle Vorgabe des Gesetzgebers sein, statt den Kunden immer nur als unmündig und betreuungsbedürftig hinzustellen….

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