„Blaupause“: Deutsche Betriebsrente soll Deutschland zum bAV-Land machen

Ist die Deutschen Betriebsrente der bAV-Durchbruch? Bild von RalfWieckhorst auf Pixabay Bild von RalfWieckhorst auf Pixabay.

Große Versprechungen bei der Vorstellung der „Deutschen Betriebsrente“. Die Kooperation der Versicherer Talanx und Zurich hat das erste Sozialpartnermodell vorgestellt. Das Produkt soll „doppelte Leistung wie eine klassische bAV“ bieten und gleichzeitig „sicher sein“. Die Mitarbeiter der Talanx wird es freuen, denn nachdem die Verhandlungen mit Verdi abgeschlossen sind, steht den 11.000-Beschäftigten dieser Weg offen. Das Unternehmen hofft auf „vierstellige Abschlussraten“. Auch die Zurich liebäugelt offenbar mit einer Einführung.

Die beiden Versicherer sehen das Sozialpartnermodell als großen Wurf an. Beide Seiten hatten bei der Pressekonferenz mehrere Vorstände aufgefahren, unterstützt von ihren Pressesprechern und eingerahmt von Vertretern der Arbeitgeber und Gewerkschaften. Diese Aufbietung zeigt den Stolz der Beteiligten und die Hoffnung auf viele Folgeabschlüsse. Der Zurich-CEO Carsten Schildknecht erklärt, dass der erfolgte Abschluss eine „bAV-Blaupause“ sei und das Thema auch im eigenen Haus auf der „Agenda stehe“.  

Zunächst ist aber die Talanx an der Reihe.  Künftig können rund 11.000 Beschäftigte der Talanx Gruppe ihre betriebliche Altersversorgung auch über die reine Beitragszusage abschließen. „Das ist ein Meilenstein für die Altersversorgung in Deutschland. Mit dem Sozialpartnermodell setzen wir auch in der bAV auf die Chancen des Kapitalmarkts“, erklärt Christopher Lohmann, Vorstand der Talanx Gruppe und verantwortlich für Privat- und Firmenversicherung Deutschland:  In der Lösung liege ein „enormes Zukunftspotenzial“, sowohl für privat- wie Firmenkunden.

GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen freut sich ebenfalls über die Lösung.  „Das ist ein Meilenstein und hoffentlich ein Durchbruch für eine zeitgemäße betriebliche Altersversorgung, die Beschäftigten gleichzeitig Beitragssicherheit und chancenreiche Kapitalanlage bietet.“

Die Versicherer wären bereit, zusammen mit den Sozialpartnern praktikable Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Hoffentlich bekommt der Hidden Champion betriebliche Altersvorsorge in der öffentlichen Debatte um die Vorsorge fürs Alter zukünftig mehr Beachtung. Hofft er. „Wir brauchen mehr Rechtssicherheit für die Mitwirkung der Sozialpartner. Denn diese übernehmen hier ein hohes Maß an Verantwortung für die Durchführung eines Sozialpartnermodells.“

Weniger Kosten, mehr Risikobereitschaft

Die entwickelte „Blaupause“ soll „ein wesentliches Standbein der Altersversorgung für zukünftige Generationen sein“, erklärt Lars Golatka, Bereichsvorstand bAV bei Zurich und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Pensionsfonds AG, dem Konsortialführer der „Deutschen Betriebsrente“. Golatka rührte die Werbetrommel kräftig. Als Ergebnis käme beim vorgestellten Modell „das Doppelte der klassischen bAV“ heraus. Ursächlich dafür sei ein Anlagemix aus „50 Prozent Aktien und Rentenpapieren“ in Verbindung mit „aktuellen Sterbetafeln“. Daraus resultiere eine Rendite „knapp unter vier Prozent“ bei „signifikant reduzierten Verwaltungskosten“.

Ein Knackpunkt beim Sozialpartnermodell war der Verzicht auf Garantien. Doch alle Beteiligten, insbesondere die überzeugende  Verdi-Fach­grup­penlei­te­rin Ver­si­che­run­gen Martina Grundler, stellten klar,  dass die Lösung zeitgemäß war und Sicherheit schafft. Neben den Arbeitnehmerbeiträgen aus der Entgeltumwandlung fließen auch die gesetzlichen Arbeitgeberzuschüsse in Höhe von 15 Prozent in den Aufbau der Versorgung ein.

Zudem leisten die Arbeitgeber auf jeden Euro Beitrag einen ergänzenden Sicherungsbeitrag, der dem Kollektiv als zusätzlicher Sicherheitspuffer zugutekommt. Damit hat das Sozialpartnermodell, auch wenn keine formellen Garantien ausgesprochen werden dürfen“, ein hohes Maß an Sicherheit“. Der Verzicht auf Zusagen ermögliche auch eine aggressivere Anlagepolitik, erklärte Golatka. Das ist ein wesentlicher Punkt, denn in Solvency II-Zeiten müssen Garantien mit hohen Einlagen gesichert werden.

Tarifvertrag, oder nicht?

Das Sozialpartnermodell ist nur mittels Tarifvertrag zu realisieren. Die Versicherer bedauern das und nehmen mit Blick auf kommendes Geschäft die Politik in die Pflicht. Unisono erklären Schildknecht und Lohmann, dass mit der Deutschen Betriebsrente der bAV-Weg für mehr Bürger geebnet ist. Die Politik müsse vor dem Hintergrund von 73 Prozent tariflosen Arbeitnehmern, „das Nötige in die Wege leiten“. Gemeint sind damit wohl auch Lösungen für Branchen, die „tarifnahe“ Verträge aufweisen.

„Es braucht unverändert mehr Impulse, um die Betriebsrenten für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv zu machen. Denn diese Firmen unterliegen oft keinem Tarifvertrag“, erklärt Asmussen. Insbesondere sei es erforderlich, „auch außerhalb des Sozialpartnermodells Produkte mit flexiblen Garantien einsetzen zu können.“

Wenig überraschend hat die Gewerkschaft darauf eine andere Sicht. Sie will mehr Menschen an sich binden und spricht von Flächentarifverträgen. Das Sozialpartnermodell ist nur mit Tarifverträgen zu realisieren und diese nur möglich, wenn sich Beschäftigte in Gewerkschaften organisieren, macht Grundler deutlich. „Ohne die Verdi-Mitglieder bei der Talanx gäbe es diese neue betriebliche Altersvorsorge nicht“, stellt sie klar. „Die Versorgungsempfänger sollen im Sozialpartnermodell durch die Gewerkschaft eine starke Vertretung haben, die im Interesse der Beschäftigten die Entwicklung der Betriebsrenten mit beeinflusst und überwacht. Dafür stehen wir ein“, ergänzt Verdi Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz.

Nach zwei Jahren Verhandlungen, bei denen Verdi laut den beteiligten Versicherern „tief in den aktuariellen Maschinenraum“ hinabstieg, ist der Widerstand nicht unverständlich. Die Grundlagen hätten die Beteiligten gelegt, es könne nicht sein, dass andere im Anschluss davon ohne Zutun profitieren, erklärte Grundler.

Das Projekt stößt offenbar auf Beachtung. „Es gäbe Interessenten“, wie den Arbeitgeberverband des privaten Bankenverbandes und weitere „lose Anfragen“, doch noch nichts Konkretes, erklärte Golatka. Auch einzelne Versicherer hätten sich bereits nach der Lösung erkundigt. Die Nachfrage wird zeigen, ob die „bAV-Blaupause“ tatsächlich ein Meilenstein oder nur ein wertloser Kiesel ist.

Autor: Maximilian Volz

3 Kommentare

  • Ohje Ohje. Wieder eine wir machen es noch besser als bisher und dann kommt doch nur reichlich nichts. Da wir uns aber an die Phrasen gewöhnt haben, wird kaum noch etwas durch den Beitragserbringer bemerkt und hinterfragt. Das ist mittlerweile ausgerechnet und wissenschaftlich erwiesen wie langsam der Rückschritt vollzogen werden muss um diese Bewegung als Fortschritt zu empfinden. BAV kann man feiern wie einen Kindergeburtstag bei Mc Donalds, letztlich durch die gründlich gereinigte Brille geschaut, ist es ein zum scheitern verurteiltes Produkt. Sicherlich mag es regionale Unterschiede geben. In Gegenden in denen selbst die Kassiererin bei Aldi 120.000 € im Jahr nach Hause bringt, mag das BAV Geschäft ein sinnvolles Zubrot sein. Doch es können ja nicht alle in der BRD in seinen alten Grenzen leben.

  • Werner Weisbrod

    Es ist sicherlich berechtigt, an den Aussagen der Versicherungswirtschaft Zweifel zu formulieren. Nach dem rot-grün initiierten Riester-Betrug, der ausschließlich den Versicherungen und dem namensgebenden ehemaligen Fliesenleger Vorteile verschafft hat und dem sogar vom Verfassungsgericht sanktionierten Raub, durch nachträgliche Verbeitragung mit doppelten Krankenkassenbeiträgen auf von den Arbeitnehmern finanzierte Direktversicherungen, glaubt man halt nicht mehr an die ehrliche Leistungsbereitschaft von Politik und Versicherungswirtschaft. Herr Asmussen hat ja hier eine ganz besondere Erwerbsbiographie. Deren Lektüre macht ihn nicht vertrauenswürdiger und schon gar nicht sympathischer. Aber lieber Freund, sagen Sie mir bitte, in welcher ALDI-Filiale Sie die Kassiererin gefunden haben, die ein Monatsgehalt von 10.000 EURO erhält? Die Familien Albrecht wären nicht so reich geworden, wenn sie aus einem derart philanthropischen Charakter heraus agiert hätten. Nicht jeder Bürger der „Alt-BRD“ ist automatisch Millionär – genauso wenig, wie jeder Bürger der DDR ein menschenverachtender Kommunist war.

  • Die richtige Antwort hieße: Mehr Brutto vom Netto statt dieser komplizierten Finanzprodukte, die die „normalen Bürger“, also die, die im Alter ein „zweites Enkommen“ wirklich bräuchten, nicht verstehen. Primär verdienen die Konzerne und die Risiken werden ausgelagert. Ich habe seit 20 Jahren meinen Anlageberater, der mir kontinuierlich Renditen von acht Prozent erwirtschaftet. Mit mir hat er „bei Null“ angefangen. Neukunden müssen mindestens 100.000 Euro mitbringen oder monatlich 1000 Euro aufwärts anlegen. Das könne nicht viele und die soziale Schere geht immer weiter auseinander. Deshalb wähle ich SPD – damit für meine Mitbürger gesorgt ist. Denn meine Rendite kann ich nur in sozialem (und ökologischem) Frieden genießen. Den Zusammenhäng verstehen die Wenigsten.

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