Analyse: Gefährdet Corona die Gehaltsstrukturen der Versicherer?
Die Pandemie könnte die Branchenangestellten teuer zu stehen kommen. Fast jedes fünfte Unternehmen weltweit hat in der Coronakrise Gehälter gekürzt, deutlich mehr Erhöhungen gestrichen. Zwar sind die Angestellten tarifvertragsgeschützt, doch in zwei Jahren wird neu verhandelt. Wie AGV, Gewerkschaften und Versicherer die Situation und die Auswirkungen von Corona auf die künftigen Gehälter bewerten, hat VWheute in Erfahrung gebracht.
Nahezu jedes fünfte Unternehmen weltweit (19 Prozent) hat in der Coronakrise Gehälter gekürzt, 31 Prozent haben die jährlichen Gehaltserhöhungen ausgesetzt, zeigt der Korn Ferry Pulse Survey. In Deutschland sieht es allerdings besser aus. Trotz des Krisenjahres planen die Unternehmen hierzulande die Gehälter im nächsten Jahr im Median um 2,5 Prozent nominal anzuheben. Weitere gute Meldungen für deutsche Arbeitnehmer hat die Unternehmensberatung Mercer. Im Jahr 2020 liegt der durchschnittliche nominale Gehaltszuwachs in Deutschland bei 2,2 Prozent, das inflationsbereinigte Plus beläuft sich auf 1,7 Prozent. Damit liegt die reale Lohnsteigerung „erheblich über dem Vorjahresniveau“.
Den Gute-Nachrichten-Hattrick schließt Sebastian Hopfner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des AGV ab. „In der deutschen Versicherungswirtschaft wird die COVID-19-Krise nach gegenwärtigen Erkenntnissen keine unmittelbare Auswirkung auf die Lohnentwicklung haben.“ Der im November 2019 getroffene Tarifabschluss habe „Planungssicherheit für beide Seiten auch in der Krise geschaffen“. Insofern wäre es richtig gewesen, „einen Abschluss mit langer Laufzeit“ – Januar 2022 – zu vereinbaren.“
Es könne „natürlich nicht ausgeschlossen werden“, dass sich die Krise „mittelbar auf die Tarifverhandlungen 2022/2023 auswirken wird“. An dieser Stelle würden Geldpolitik, die Inflation vor allem aber die Geschäftsentwicklung eine „gewisse Relevanz haben“. Derzeit sei nicht absehbar, wie sich die für den Tarifabschluss relevanten Indikatoren entwickeln werden. Fest steht laut Hopfner, dass die Tarifpolitik der letzten Jahre „absolut richtig war“. Die „Abschlüsse mit Augenmaß“ erweisen sich als „Nachhaltigkeitsfaktor für die Beschäftigung in der Branche, auch und gerade in Krisenzeiten“.
Verdi macht schon mal Druck
Verdi, Gewerkschaft und Tarifgegenspieler des AGV, sieht ebenfalls keine Gehaltsgefahr, sondern im Gegenteil Steigerungspotenzial. Bisher sei die Versicherungsbranche „gut durch die Krise gekommen“, daran haben die Beschäftigten einen „hohen Anteil“. Aus diesem Grund gäbe es aus Sicht von Verdi „keinen Grund für eine Zurückhaltung bei den Tarifforderungen im Jahr 2022“, erklärt Martina Grundler, Fachgruppe Versicherungen bei Verdi. Doch es ist nicht alles gut und sicher.
Es sei noch nicht „nicht richtig einzuschätzen“, welche Folgen die Pandemie im folgenden Jahr haben wird. „Wir rechnen durchaus mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation und auch eine Insolvenzwelle und damit verbundene hohe Arbeitsplatzverluste sind nicht ausgeschlossen.“ Das könnte Auswirkungen auf die Versicherungsbranche haben und damit zu einer „Verschlechterung der Rahmenbedingungen und Geschäftsergebnisse der Versicherungsunternehmen“ führen. Dieses Auskommen könnte ein gutes Tarifergebnis „erheblich erschweren“.
Und die Manager?
Bleibt noch die Frage, was mit den Gehältern der Manager geschieht, die keine Tarifbindung haben. Wird die Krise zu Reduzierungen führen oder die Boni gefährden, fragen sich die Entscheider.
„Im Rahmen des Abschlusses neuer Verträge im Top Management hat Covid-19 keinerlei Einfluss auf die Grundgehälter. Da die Boni leistungsabhängig und in aller Regel an die Unternehmenserfolge gebunden sind, atmet der Bonus mit. Bei stark betroffenen Unternehmen wie der Lufthansa, etc. fällt der Bonus entsprechend vollkommen aus“, erklärt Christoph Netta, Managing Partner bei Heads, einem Unternehmen im Bereich Personalsuche- und -beratung.
Zugegeben, bis zum Jahreswechsel ist es noch eine Weile, aber warum nicht auch schon mal im frühen Dezember eine gute Nachricht für alle Angestellten und Führungskräfte der Branche ausgeben: Die Gehaltssituation ist trotz Krise entspannt.
Autor: Maximilian Volz