Getsafe wird mächtiger

Getsafe-CEO und Mitgründer Christian Wiens hat mit dem neuen Kapital ehrgeizige Pläne. Quelle: Getsafe

Neuer Geldsegen für Getsafe: Das Heidelberger Insurtech hat seine Series-B-Finanzierung um knapp 55 Mio. Euro auf nun 80 Mio. Euro erweitert. Bereits im Dezember 2020 hatte das Unternehmen rund 25 Mio. Euro eingesammelt. Mitgründer und CEO Christian Wiens hat jedenfalls ehrgeizige Pläne.

Zu den neuen Investoren gehören einige der größten Family Offices aus Deutschland und der Schweiz, darunter Abacon Capital. Bestehende Investoren wie Earlybird, CommerzVentures und Swiss Re beteiligten sich ebenfalls. „Das Geld fließt mehrheitlich in Wachstum: In den kommenden 24 Monaten wollen wir die Mitarbeiteranzahl auf 300 verdoppeln, in andere europäische Märkte eintreten (Frankreich, Spanien, Italien, die Niederlande und Österreich sind im Gespräch). Außerdem wollen wir weitere Produkte und weitere Features für die App entwickeln. Der andere Teil des Geldes dient als Eigenkapitalausstattung für den eigenen Sachversicherer“, betont eine Unternehmenssprecherin gegenüber VWheute. Insgesamt hat Getsafe mittlerweile 250.000 Kunden gewonnen. Ein Viertel des gesamten Prämien- und Kundenwachstums entfällt dabei auf den britischen Markt.

„Das wichtigste Ziel ist der Start des eigenen Sachversicherers, und wir hoffen auf grünes Licht von der Bafin bis Jahresende. Danach ergeben sich weitere Schritte wie die Expansion“, heißt es weiter. Bereits im letzten Jahr hatte Getsafe die Lizenz bei der deutschen Finanzaufsicht beantragt. Damit will das Unternehmen nach eigener Aussage Produkte und Innovationen für Kunden noch schneller vorantreiben. „Wir wollen Versicherung nicht nur anders, sondern bedingungslos besser machen. Was wir bisher an Innovationen auf dem Versicherungsmarkt gesehen haben, ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Lizenz gibt uns die nötige Freiheit, unkonventionelle Wege zu gehen und Innovationen freier und schneller zu verwirklichen als zuvor“, betont Christian Wiens.

Getsafe agiert dabei bislang als sogenannter Assekuradeur – entwickelt und vertreibt also eigene Policen, Risikoträger ist aber ein anderer Versicherer. Bereits im Dezember 2020 gaben die Heidelberger ihre Kooperation mit der Swiss Re-Tochter iptiQ bekannt. Das gemeinsame Ziel: Eine digitale Kfz-Versicherung, die einen täglich kündbaren Schutz beinhalten und gleichzeitig günstiger sein sollte als bei der Konkurrenz.

Bislang bietet das Start-up aus Heidelberg Haftpflicht-, Hausrat-, Rechtsschutz- und Kfz-Versicherungen in Deutschland sowie Hausratversicherungen in Großbritannien an. Künftig soll auch eine digitale Lebensversicherung dazu kommen. Dabei sei die gesamte technische Infrastruktur im Kern auf mehrere Sparten, Sprachen und Märkte ausgelegt. Im Gegensatz zu etablierten Versicherungskonzernen sei Getsafe damit in der Lage, binnen weniger Monate in einen neuen Markt oder eine neue Produktlinie zu expandieren.

Die Begründung für diesen Schritt: „Jungen Menschen ist das Thema Lebensversicherung und Altersvorsorge extrem wichtig – vermutlich auch, weil sie von der gesetzlichen Rente nur wenig zu erwarten haben. Wir fragen regelmäßig unsere Kundinnen und Kunden, welche Produkte sie sich noch von Getsafe wünschen. Dabei werden immer ein Rentenprodukt und eine BU genannt. Insofern nehmen wir diesen Wunsch der Kundinnen und Kunden ernst und wollen das im kommenden Jahr angehen“, betont die Unternehmenssprecherin gegenüber VWheute.

„Die Versicherungsmarken, die wir heute kennen, wurden in einer ganz anderen Epoche und unter völlig anderen Rahmenbedingungen aufgebaut. Aber Versicherungen können viel besser sein, wenn sie durch Technologie und maschinelles Lernen unterstützt werden. Deshalb glauben wir, dass Versicherungsunternehmen, die von Grund auf ihrer eigenen digitalen Plattform aufgebaut sind, den Markt in den kommenden Jahrzehnten beherrschen werden.“

Christian Wiens, CEO und Mitgründer von Getsafe

Bläst Getsafe zum Angriff auf die etablierten Player?

Dabei gibt sich Wiens wie gewohnt betont selbstbewusst: „Die Versicherungsmarken, die wir heute kennen, wurden in einer ganz anderen Epoche und unter völlig anderen Rahmenbedingungen aufgebaut. Aber Versicherungen können viel besser sein, wenn sie durch Technologie und maschinelles Lernen unterstützt werden. Deshalb glauben wir, dass Versicherungsunternehmen, die von Grund auf ihrer eigenen digitalen Plattform aufgebaut sind, den Markt in den kommenden Jahrzehnten beherrschen werden“, betont Wiens.

Das bedeutet für Getsafe im Klartext: „Traditionelle Versicherer müssen umdenken und machen das ja auch schon. Corona hat einen wichtigen Schub in der Digitalisierung gebracht. Gemeint ist damit: Vor einigen Jahren wurden Insurtechs mit dem technologischen Ansatz noch belächelt und galten als Außenseiter. Künftig werden sie die Zukunft der Versicherungswelt maßgeblich prägen.“

„Die Versicherungsbranche hat nie das Bedürfnis gehabt, sich zu verändern oder traditionelle Methoden infrage zu stellen, weil sie nie in Bedrängnis kam. Während die Banken in der Finanzkrise gezwungen waren, sich neu aufzustellen, war das bei den Versicherungskonzernen nicht der Fall. Versicherung ist ein langfristiges Geschäft; das System ist träge.“

Christian Wiens, CEO und Mitgründer von Getsafe

Dass Corona zudem wie ein digitaler Brandbeschleuniger wirkt, scheint für Wiens jedenfalls klar zu sein: „Wer verpasst hat, dass Corona in der Industrie als digitaler Brandbeschleuniger fungiert hat, wird in der Zukunft wahrscheinlich Probleme bekommen. Insurtechs, vor allem Neo-Versicherer, sind beispielsweise dank mobile-first-Ansatz, technischer Infrastruktur und bzw. oder Direktvertrieb krisensicher. Gerade jetzt haben sie eines der vielversprechendsten Geschäftsmodelle überhaupt, in einer der größten Industrien der Welt. Krisen wie Corona zeigen überhaupt erst, wer ein starkes Geschäftsmodell hat und wie groß der digitale Vorsprung gegenüber den traditionellen Versicherern wirklich ist. Damit stehen die Insurtechs erstmal ganz gut da“, betonte er jüngst im Sommerinterview mit VWheute.

Zudem sei der „Wunsch nach Veränderung bei Kundinnen und Kunden schon vorher vorhanden – die Insurtechs beweisen das. Manche traditionelle Versicherer haben sich nicht damit auseinandergesetzt. Andere haben die Zeichen der Zeit erkannt, aber es fehlt ihnen an Geschwindigkeit. Es ist anspruchsvoll, einen großen Tanker umzusteuern, da haben es die kleinen, agilen Insurtechs schon einfacher. Unter anderem deshalb, weil diese keine IT-Altlasten und veraltete Denkstrukturen mit sich herumschleppen müssen“, schreibt Wiens der Branche ins Stammbuch.

Mangelnden Ehrgeiz kann man dem Getsafe-Chef jedenfalls nicht vorwerfen: So will Wiens sein Unternehmen nicht mehr als klassisches Start-up bezeichnen: „Wir sind tatsächlich schon einen Schritt weiter und bezeichnen uns als Scale-up, was heißt, dass wir bereits bewiesen haben, dass unser Geschäftsmodell tragfähig ist. Ich denke, wir sind heute das größte Scale-up im Großraum Mannheim/Heidelberg“, erklärte er vor wenigen Wochen gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung.

Auch ein Börsengang schließt er mittlerweile nicht mehr aus: „Wir wollen noch etwas wachsen und den richtigen Zeitpunkt auswählen. Denn auch die Kultur eines Unternehmens kann sich mit einem Börsengang verändern.“ In Deutschland sei ein solcher Schritt zwar „noch Spekulation, wir können uns aber einen Börsengang in Deutschland gut vorstellen.“

Sicher ist für Wiens nur: „Wir wollen der größte und beliebteste Versicherer der neuen digital-affinen Generation in Europa werden.“ Ob die das am Ende genauso sieht, wird die Zeit erweisen.

Autor: VW-Redaktion

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