Komplizierter bAV-Vertrieb: Hoffnungen der Branche ruhen auf BRSG und Sozialpartnermodell

Stotternder Motor: Wohin führt die bAV die Versicherer?Pavlofox auf Pixabay

Die bAV ist das Hoffnungskind der Lebensversicherer. Das Potenzial ist vorhanden, doch zuerst kam Corona und darüber hinaus erschweren vertriebliche und (steuer-)rechtliche Herausforderungen das Geschäft stetig. Wie sich Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) und Sozialpartnermodell (SPM) auf den künftigen Vertrieb auswirken werden, erklären drei führende Versicherer. Rennwagen oder doch klappriger Ochsenkarren, was ist die bAV 2021/22?

Die bAV bietet den Versicherern Chancen, belegt eine Studie von MSR-Consulting. Die Vertriebsdellen durch COVID waren deswegen nicht von Dauer. „Das Neugeschäft hat sich nach einem kurzzeitigen, aber deutlichen Einbruch schnell erholt“, schreibt die Württembergische. Corona war und ist ein „einschneidendes Ereignis“, aber an den grundlegenden Themen rund um Demografie, Altersvorsorge und langfristigem Fachkräftemangel „ändert sich nichts“. Die Gothaer stimmt zu, die Corona-Pandemie habe sich im Bereich bAV sowohl beim bestehenden Geschäft als auch im Neugeschäft bemerkbar gemacht. Auch die Stuttgarter analysierte eine kleine Eintrübung, doch die „Umorientierung ließ nicht lange auf sich warten“, erklärt Henriette Meissner, Generalbevollmächtigte für die bAV. Seit Sommer letzten Jahres ist das bAV-Geschäft „stetig gewachsen“ und das Unternehmen rechnet 2021 mit einem „Rekordjahr“. Das Potenzial und der tatsächliche Umsatz sind „hoch“ und das wird „auch so bleiben“.

Neben Corona erschweren immer wieder rechtliche Fragen die bAV-Arbeit der Anbieter und Kundenunternehmen, zuletzt beispielsweise die Altersklausel in einer Versorgungsordnung. Mitunter ziehen sich die Prozesse über Jahre, sodass die Versicherer selbst mit den zuständigen Behörden in Kontakt treten, um Probleme vorab auszuräumen. Das gelang zuletzt der Alte Leipziger, die Unterstützungskasse mit fondsgebundener Rückdeckung ist nun möglich, wie der Verantwortliche Ralf Linden im VWheute-Interview erklärt. Ein anderer Weg für ein reibungsloseres bAV-Geschäft sind Kooperationen. So arbeitet beispielsweise die Sparkassenversicherung mit der LBBW zusammen.

bAV-Potenziale aus dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG)?

Möglichkeiten zum bAV-Verkauf bringt unter anderem das BRSG, das ab 2022 zusätzlich für Bestandslösungen gilt. Demnach müssen alle bAV-Verträge mit einer rein arbeitnehmerfinanzierten Entgeldumwandlung auf eine gemischte Finanzierungsform umgestellt werden. Vielen Unternehmen ist das im vergangenen Jahr gelungen, doch rund jedes fünfte Haus muss die Finanzierungsform im Jahr 2021 noch angleichen.

Diesen Anpassungsbedarf wollen die Unternehmen nutzen. Durch den verpflichtenden AG-Zuschuss für Bestandsverträge ab dem 1. Januar 2022 (…) „ist definitiv Potenzial da“. Dies könne „auch als Gesprächsanlass für ggf. weitere Entgeltumwandlung genutzt werden“, schreibt die Gothaer. Die Württembergische stellt fest, dass es „dieses Jahr und möglicherweise auch noch darüber hinaus“ einen hohen Beratungsbedarf zur verwaltungseffizienten und rechtssicheren Umsetzung der Änderungen geben wird.

Die Stuttgarter sieht durch die Umsetzung des Arbeitgeberzuschusses „wichtige Impulse“ gesetzt. Der Countdown zur Umsetzung im Bestand ticke. Wir sehen mittlerweile sehr häufig, dass der gesetzliche Zuschuss ein wichtiger Einstieg für ein „Mehr“ an bAV ist, 15 Prozent sei lediglich das gesetzliche Minimum. Auch an dieser Stelle wirke der „Megatrend“ Demografie und Fachkräftemangel zugunsten der bAV. Ein weiterer Impuls des BSRG ist laut Stuttgarter die Förderung der arbeitgeberfinanzierten bAV für die sogenannten Niedrigverdiener. „Die größeren Unternehmen machen es vor und wir sind sicher, dass sich das in den nächsten Jahren im Mittelstand fortsetzen wird.“

Das Sozialpartnermodell (SPM) sprießend oder abgestorben?

Das SPM spaltet die Geister. Die einen sehen darin ein Modell der Zukunft, andere verspotten es als Rohrkrepierer. Die Talanx und Zurich haben es bereits umgesetzt, doch dabei blieb es, analysiert Assekurata-Chef Reiner Will  kürzlich in der Montagskolumne.

Für die Stuttgarter ist besonders ein Aspekt wichtig. „Das Sozialpartnermodell hat als eine wichtige Komponente die Möglichkeit, stärker in Sachwerte, also insbesondere Aktien anzulegen (…).“ Die Wertpapiere stünden für ein Mehr an langfristiger Sicherheit – auch und gerade bei abgesenkten Garantien: Die „Kraft der Aktien“ müsse entfesselt werden. Die Politik sei daher gefordert, auch in der betrieblichen Altersversorgung oder bei der sehr zielgenauen Förderung durch die Riesterrente mehr Wahlmöglichkeiten zwischen 0 und 100 % Garantie zu ermöglichen. Wenn das geschieht, dann steht das Sozialpartnermodell nicht mehr als „singuläre Besonderheit im Raum“, sondern sei Teil einer Versorgungslandschaft. Eine Aktienanlage mit weniger Garantien und einem mehr an langfristiger Sicherheit werde dann „immer mehr zur Selbstverständlichkeit“.

Eine Spur kritischer gegenüber dem SPM ist die Württembergische. „Die Geschichte des Sozialpartnermodells ist noch nicht geschrieben. Stand heute ist es aus unserer Sicht noch keine Erfolgsgeschichte.“ Die Anbieter hätten „ihre Hausaufgaben gemacht“, die Frage zur Akzeptanz gehe in Richtung Sozialpartner und ob diese „das Modell annehmen“. Die Versicherer seien bereit. Die Gothaer sieht das SPM potenziell als Wachstumsfaktor. Die Hürde seien eher die Tarifvertragsparteien, der Markt habe darauf „wenig Einfluss“.

Es geht auf die Überholspur

Die Anbieter glauben an die bAV als Ganzes, nicht immer an alle Durchführungswege. Die Pandemie war nicht mehr als eine Delle in einem superschnellen, wettbewerbsfähigen Rennauto; ärgerlich, aber schnell ausgebessert. Nun kann es mit voller Fahrt auf der bAV-Rennstrecke vorangehen.

Autor: Maximilian Volz

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