Montagskolumne: Assekurata-Chef Reiner Will zum ersten Sozialpartnermodell – ein Startschuss zur rechten Zeit?
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Reiner Will ist geschäftsführender Gesellschafter und Mitbegründer der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur. Quelle: Assekurata - von der Redaktion bearbeitet

Andrea Nahles, wer war das noch? Richtig, die ehemalige SPD-Vorsitzende und Ministerin für Arbeit und Soziales. Der Politik hat sie 2019 den Rücken gekehrt. Als streitbarer Geist und erste Frau an der Spitze der SPD war sie angetreten, diese von innen zu reformieren. Gescheitert ist sie vor allem an mangelnder Solidarität in den eigenen Reihen. Es birgt daher eine gewisse Ironie, dass das in ihrer Ägide im Betriebsrentenstärkungsgesetz verabschiedete Sozialpartner-Modell der betrieblichen Altersvorsorge unter dem Namen Nahles-Rente in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist.

Unter großem medialem Interesse und mit hohen Erwartungen brachte eine Reihe von Versicherern diese neue Form der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) 2018 aufwendig auf den Weg. Abschlüsse blieben dann aber aus; denn das Modell „pay and forget“, in dem Firmen lediglich einen Beitrag zusagen, aber völlig aus der Haftung genommen werden und statt einer garantierten Rente eine unverbindliche Zielrente vereinbart wird, sorgte aufseiten der Gewerkschaften für viel Unsicherheit.

Erst jetzt, drei Jahre nach Gesetzesverabschiedung, verkündete das Konsortium „Die Deutsche Betriebsrente“, bestehend aus den beiden Versicherern Talanx und Zurich, den ersten Abschluss. Ab 1. Juli dieses Jahres können die rund 11.000 Tarifversicherten der Talanx-Gruppe die neue bAV-Lösung nutzen. Das Modell basiert auf einem Haustarifvertrag mit ver.di als Partner.

Dass Garantien im Niedrigzinsumfeld Kunden die Chance auf eine angemessene Rendite rauben, und auch die Anbieter kaum mehr eine Chance haben, ihre Kosten ins Verdienen zu bringen, ist in Expertenkreisen gemeinhin bekannt. Treu dem Motto „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“ setzt sich diese Erkenntnis auf Verbraucherseite allerdings nur langsam durch. Der Spagat zwischen Sicherheit und Rendite lässt sich auch in dem nun vereinbarten ersten Solidarpartnermodell nachvollziehen. Zwingend, weil rechtlich vorgegeben, ist der Verzicht auf Garantien, um höhere Renditechancen am Kapitalmarkt zu eröffnen.

Damit kommt es zu Volatilitäten in der Wertentwicklung der Renten, weswegen auf Betreiben der Gewerkschaft eine Sicherheit eingebaut wurde. Infolgedessen zahlt der Arbeitgeber Talanx zusätzlich eine Sicherungsprämie in Höhe von fünf Prozent der eingezahlten Beiträge. Darüber hinaus waren aber anscheinend noch weitere Sicherheiten notwendig, damit der Abschluss zustande kam. So werden erreichte Rentenansprüche bei Renteneintritt zu 112,5 Prozent statt wie üblich zu 100 Prozent mit Kapital abgedeckt. Ein weiteres Indiz: Der Kapitalanlagemix soll sich hälftig aus Anleihen und Aktien zusammensetzen. Hiermit werden die zur Verfügung stehenden Marktchancen zwar nur bedingt genutzt, aber die Risiken am Kapitalmarkt reduziert. Konsortialführer Zurich beabsichtigt ebenfalls, mit ver.di über das Sozialpartnermodell für die eigenen Mitarbeiter zu verhandeln.

Dass Versicherer an ihr eigenes bAV-Modell glauben und dies ihren Mitarbeitern auch anbieten, darf man voraussetzen. Dabei soll es aber nicht bleiben: Der Presse konnte man entnehmen, dass bereits Gespräche mit weiteren Tarifparteien aus dem Banken- und Energiebereich laufen. Für die dortigen Angestellten wäre dies eine gute Nachricht. In der Regel hat diese Arbeitnehmerschaft aber bereits zu einem überdurchschnittlichen Anteil eine bAV. Hiermit käme man dem primären Ziel des Betriebsrentenstärkungs­gesetzes, nämlich gute Lösungen für Arbeitnehmer zu finden, die noch keine bAV haben, nicht wesentlich näher. Die Bindung des Modells an Tarifverträge erschwert nämlich vor allem die Verbreitung unter kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU).

Fraglich ist, ob die von Talanx, Zurich und ver.di erzielte Lösung oder vergleichbare Angebote anderer Versicherer nun in weitere Tarifverträge eingehen und ob die vielen nicht tarifgebundenen KMU sich diesen Verträgen durch Bezugnahme überhaupt anschließen. In einer Zeit, in der viele Betriebe pandemiebedingt die Wand im Rücken näher denn je spüren, dürfte zudem das Thema Sicherheit in der bAV ein besonders hohes Gewicht haben, die Bereitschaft, zusätzliche Sicherungsbeiträge zu leisten, aber begrenzt sein. So positiv die Nachricht und die Ausgestaltung des ersten Solidarpartnermodells auch sind, die Diskussion um eine flächendeckende bAV-Lösung und damit auch um ein Obligatorium werden sicher nicht abreißen.

Autor: Reiner Will ist geschäftsführender Gesellschafter und Mitbegründer der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur

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