Post-Faßbender-Ära: So läuft es bei der Arag unter Renko Dirksen

Renko Dirksen. Quelle: ARAG SE

Seit rund zehn Monaten fungiert Renko Dirksen als Vorstandssprecher der Arag. Wenn der neue Chef des Düsseldorfer Versicherungskonzerns heute erstmals die Bilanz für das Geschäftsjahr 2020 präsentiert, scheint er voraussichtlich bessere Zahlen präsentieren zu können als bislang angenommen. Die Fußstapfen, in die er tritt, sind groß.

Dirksens Amtsvorgänger – der heutige Aufsichtsratschef Paul-Otto Faßbender – hatte den Düsseldorfer Versicherungskonzern über Jahrzehnte geprägt. Dabei bringt der aktuelle Vorstandschef genug Stallgeruch mit. Es ist ein echter Generationenwechsel, den Faßbender mit 73 Jahren und eigenen 20 Jahren als Chef der Arag initiiert hat – einen Wechsel, den Branchenbeobachter und die Medien so nicht erwartet hatten.

1976 als Sohn der Eheleute Gebhard und Renate (geb. Pöhl, 2017 verstorben) Dirksen in Hannover geboren, nahm Renko Dirksen nach der Schule, Gymnasium und Abitur sein Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten zu Würzburg, München und Köln auf. Die Zeit des anschließenden Referendariats verbrachte er in Hamburg, Lüneburg, Celle und London. Mit 29 Jahren tritt Dirksen als Assistent des Vorstandsvorsitzenden 2005 der Arag Allgemeine Rechtsschutz-Versicherungs-AG, dem größten deutschen Versicherungskonzern in Familienbesitz und obendrein Marktführer im Segment Rechtsschutz, bei.

Schon hier findet der Newcomer in Arag-Chef Paul-Otto Faßbender einen väterlichen Freund und Protegé, welchem er im Vorwort seiner Dissertation auch für die Unterstützung während der Doktorarbeit dankt. In dieser Zeit erhält der Manager mit 30 Jahren auch seine Zulassung als Rechtsanwalt. Ab 2008 wird Dirksen Leiter der Hauptabteilung Konzernentwicklung der Arag SE, hier beginnt die „Ochsentour“ durch das gesamte Unternehmen. Vier Jahre währt dieses Engagement, welches in den Jahren sukzessiv um die Abteilung Marktforschung und Kundenmanagement (2009) und ab 2012 um die Abteilung Corporate Development International erweitert wird.

Den Lohn für die Mühsal der Ebenen gewinnt Dirksen ab dem Jahr 2013, als er danach zum Mitglied des Vorstands der Arag Lebensversicherungs-AG und der Arag Krankenversicherungs-AG befördert wird und in weiteren schnellen Stufen die Karriereleiter bis zum Mitglied des Vorstands der Arag SE für das Ressort Kapitalanlagen, Konzernentwicklung und Betriebsorganisation aufsteigt.

„Unternehmen im Aufbruch“

Auch wenn sich noch in jeder Krise unerwartete Chancen bieten, für Experimente ist weder Dirksen noch Paul-Otto Faßbender, der weiter die Geschicke der Arag als Aufsichtsratsvorsitzender supervisiert, zu haben. Das kommt auch im weiteren Verlauf des Statements aus der Bilanz-Pressekonferenz klar zum Ausdruck, wenn Dirksen konzediert: „Das Vorstandsteam der Arag ist davon überzeugt, dass aktuell nicht der richtige Zeitpunkt ist, um große Zukunftsvisionen auszurollen. Alles, was dazu bis Mitte März noch gültig war, hätte heute keinen Bestand mehr und alles, was heute interessant erscheint, wird im August völlig überholt sein. Auf diese Achterbahn werden wir den Konzern nicht schicken.“

Für seinen ersten Auftritt vor der Presse als Arag-Chef hätte sich Dirksen sicher andere Bedingungen gewünscht und jedem CEO würde wohl eher die Stimme versagen, als solche Sätze zu kommunizieren: „Wir werden 2020 Kunden verlieren und ein deutlich schlechteres Ergebnis sehen“, aber die Zeiten sind eben, wie sie sind und als „ein Unternehmen im Aufbruch“, wie Dirksen meint, bieten sich vielleicht gerade in diesen Zeiten für den neuen Mann an der Spitze ungeahnte Möglichkeiten zur Profilierung.

Arag: Höhepunkte in den vergangenen Monaten

07.04.2021: Verbraucherzentrale NRW zwingt Arag zur Bedingungsanpassung
Hat die Arag Versicherungsnehmer mit einer Rechtsschutzklausel unangemessen benachteiligt? Ja, sagt die Verbraucherzentrale NRW (VZ-NRW) und verweist auf ein aktuelles BGH-Urteil. Die Arag ist überrascht über diese Interpretation. Der BGH habe „keine Anhaltspunkte“ bezüglich der „Intransparenz der beanstandeten Klausel“ gefunden. Die nötigen Änderungen seien „geringfügig“.

17.03.2021: Arag übernimmt DAS Legal Protection in Kanada
Der Arag Konzern übernimmt das kanadische Unternehmen DAS Legal Protection Inc. von der Munich Re/Ergo-Gruppe. Über den Kaufpreis haben die beiden Vertragsparteien Vertraulichkeit vereinbart.
08.07.2020: Faßbender übernimmt Aufsichtsratsvorsitz bei Arag
Der Aufsichtsrat der Arag hat Paul-Otto Faßbender (74) mit sofortiger Wirkung zu seinem neuen Vorsitzenden gewählt. Der Mehrheitsaktionär des Düsseldorfer Familienunternehmens löst Gerd Peskes (75) ab, der seit 2004 den Aufsichtsratsvorsitz geführt hat.

14.05.2020: Arags Digital-Investments tragen erste Früchte
Für den Arag-Konzern zahlen sich die Investitionen in die Digitalisierung nach den Worten des künftigen Vorstandssprechers Renko Dirksen bereits aus. Das „Arag Smart Insurer Programm“ hatte 2019 die Voraussetzungen für den nun pandemiebedingt nötigen „schnellen und reibungslosen“ Umzug der Mitarbeiter ins Home Office geschaffen.

06.04.2020: Arag ordnet Vorstandsaufgaben neu
Bereits Mitte Mai 2019 hatte Arag-Vorstandschef Paul-Otto Faßbender (73) seinen Rückzug aus Amt und Würden sowie seinen Nachfolger bekannt gegeben. Nun hat der Aufsichtsrat des Düsseldorfer Versicherungskonzerns die Aufgaben des Vorstandes neu geordnet.

Arag gewinnt 2020 rund 90.000 neue Kunden

Wenn der starke Mann der Arag heute die Bilanz des Düsseldorfer Versicherers präsentiert, dürften die Zahlen allerdings deutlich besser ausfallen, als ursprünglich gedacht. Der vor allem im Rechtsschutzgeschäft starke Arag-Konzern kommt nach den Worten seines neuen Vorstandssprechers „deutlich besser“ durch die Pandemie-Krise als erwartet. Mit einem Plus von voraussichtlich 4,3 Prozent auf 1,83 Mrd. Euro 2020 würden die vor der Krise gesteckten Wachstumsziele voll bestätigt, sagte er bei der Jahresend-PK Anfang Dezember 2020. Das Inlandsgeschäft legt um 5,3 Prozent auf 1,05 Mrd. Euro Prämie zu und damit offenbar erneut stärker als der deutsche Markt. Mehr als 90.000 Kunden wurden neu gewonnen.

Während die Versicherungstechnik mit einer Combined Ratio von 88,9 Prozent (2019: 88,7 Prozent) weiterhin günstig bleibt und für einen versicherungstechnischen Gewinn von mehr als 90 Mio. Euro (2019: 98,5 Mio. Euro) sorgt, rutscht das Kapitalanlageergebnis von 156,9 Mio. auf 57 Mio. Euro ab. Als Ursache nannte Dirksen im wesentlichen Abschreibungen auf Aktien aus Emerging Markets und infolge des Auseinanderlaufens von Spreads und Gewinnthesaurierungen bei Spezialfonds. Im Vorjahr hatte die Arag zudem von Zuschreibungen profitiert. Beim Ergebnis vor Steuern werden somit nun nur zwischen 50 und 60 Mio. Euro erwartet nach einem Rekordergebnis von 119 Mio. Euro 2019.

Welchem grundsätzlichen Kompass er neben dem tages-, wochen- und monatsaktuellen Management der Corona-Krise folgt, wird aus einer Antwort deutlich, die Dirksen vor einer Weile auf die Frage nach den drei zentralen Herausforderungen für die Branche gab: „Zusätzlich zum traditionellen Wettbewerb zwischen bestehenden Versicherern treten eine Vielzahl neuer Akteure von außerhalb des Versicherungssektors in den Markt ein, indem sie einige der Kundenbedürfnisse lösen, das Start-up-Geschäftsmodell nutzen und versuchen, schnell zu skalieren und in eine Vielzahl von Märkten einzutreten. Der explorationseffiziente Einsatz von Technologie ist daher absolut entscheidend. Kunden haben sich bereits angepasst, ihr Profil hat sich effektiv geändert und unterscheidet sich von dem, an das wir gewöhnt waren. Sie fordern mehr und fordern gezielte Lösungen, die sofort über einen der verschiedenen Kanäle bereitgestellt werden. Technologieunternehmen zeigen uns, was möglich ist, Versicherer müssen mithalten.“

Dieser Trend habe gerade erst begonnen und Innovation beschränke sich nicht nur auf Kommunikation, sondern Fortschritte in Bereichen wie Gesundheit, Motorik, Unterhaltung und Reisen werden auch unsere Produkte und unser Wertversprechen verändern. Das hört sich nach einem recht umfangreichen Lastenheft für die kommenden Jahre an. „Auf ins Leben“ lautet derzeit der Arag-Claim. Genau da befindet sich auch der heutige Chef: Mitten im Leben.

Autor: VW-Redaktion und Alexander Kaspar

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