So werden die Privatversicherer die (erneute) Pflegediskussion nutzen

Kann die PKV-Branche die erneute Pflegediskussion für sich nutzen? Bild von Gerd Altmann auf Pixabay.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will den steigenden Pflegeversicherungskosten mit Beitragserhöhungen bei Singles begegnen. Einfallsreich ist das nicht, lediglich eine Kopie der letzten „Idee“. Für die Versicherer öffnen sich durch die erneute Pflegediskussion Möglichkeiten, auch weil die Branche mit einem Modellprojekt vorgelegt hat. Genau aus diesem muss sich die Deutsche Familienversicherung wegen einem Bafin-Machtwort nun zurückziehen, doch das Thema Pflege bleibt ein Wachstumsmarkt für die Branche.

Das Problem ist bekannt und x-fach beschrieben; die Gesellschaft wird immer älter, dadurch steigen die Kosten für die Pflege im Alter. Aktuell hat der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKVSV) erklärt, dass ein Steuerzuschuss von bis zu neun Milliarden Euro nötig ist, ansonsten müssen die Beiträge zur Pflegeversicherung spätestens im kommenden Jahr steigen. Damit könnte auch die 40 Prozent-Grenze bei den Sozialabgaben nicht gehalten werden.

„Sofern sich die Konjunktur bis zur Jahresmitte erholt und keine unvorhergesehenen Ausgaben entstehen, werden wir 2021 ganz knapp an einer Beitragserhöhung vorbeischrammen“, erklärt Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKVSV. Doch „spätestens Anfang 2022“, reiche der aktuelle Beitragssatz nicht mehr aus. Sofern die 40-Prozent-Grenze bei den Sozialabgaben die politische Maßgabe sei, werde der Bund an einen „nennenswerten und dauerhaften Steuerzuschuss“ nicht vorbeikommen.

Spahn will zum Stopfen der Pflege-Löcher den Beitrag der Pflegeversicherung für Kinderlose um 0,1 Prozent erhöhen. Die SPD bringt erneut die Bürgerversicherung ins Gespräch. Alternativ fordert Sie einen „Risikoausgleichsbetrag“ der privat Versicherten. Dieser Idee steht der Gesamtverband der Privaten Krankenversicherung, wenig überraschend, ablehnend gegenüber.

 „Es kommt entscheidend darauf an, die Leistungen der Pflegeversicherung in unserer alternden Gesellschaft nachhaltig zu sichern. Dazu braucht es unbedingt eine Stärkung der privaten Pflegevorsorge – und nicht etwa eine Schwächung, worauf aber die altbekannten Rufe aus der SPD nach einer Einheitslösung hinauslaufen würden. Das demografische Problem, dass immer weniger Beitrags- und Steuerzahler für immer mehr Leistungsempfänger aufkommen müssen, würde dadurch nicht gelöst, sondern sogar verschärft“, erklärt ein Sprecher des PKV-Verbandes.

Der Mangel an Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der umlagefinanzierten Sozialen Pflegeversicherung können nur mit mehr finanzielle Eigenvorsorge gelöst werden, etwa durch eine stärkere staatliche Förderung“, führt er weiter aus.

Liegt die Lösung schon vor?

Die Barmenia, R+V und die Deutschen Familienversicherung (DFV) haben vorgemacht, wie eine Lösung aussehen könnte. Bundesweit erstmalig konnte eine branchenweite, arbeitgeberfinanzierte tarifliche Pflegevorsorge aufgelegt werden. Die Pflegezusatzversicherung CareFlex Chemie haben die Gewerkschaft IG BCE und der Arbeitgeberverband BAVC in ihrem aktuellen Tarifvertrag für alle Tarifbeschäftigten der Chemie- und Pharmaindustrie ab 1. Juli 2021 vereinbart. Die chemische Industrie in Deutschland hat rund 580.000 Mitarbeiter, darunter 435.000 Tarifbeschäftigte. Außertariflich Beschäftigte der Branche können ebenfalls CareFlex Chemie erhalten, wenn ihr Arbeitgeber dies vereinbart. „Wir sind stolz, gemeinsam mit unseren Partnern eine Pflegevorsorge anbieten zu können, die es so in Deutschland kein zweites Mal gibt“, sagt Kathrin Menges, Personalvorstand von Henkel.

Vor dem geplanten Vertriebsstart gab es allerdings eine zentrale Verschiebung in der Konsortialaufteilung. Die R+V und die Barmenia werden das Konsortium künftig gemeinsam paritätisch führen, die DFV scheidet als Konsorte aus. Das Unternehmen hielt 35 Prozent der Anteile und wird weiter als Rückversicherer aktiv sein.

Das ist eine Überraschung, bei der Vorstellung der letzten Quartalszahlen war davon in Frankfurt keine Rede. Der Grund für den Austritt der DFV ist die Bafin. Die Bonner Aufsichtsbehörde glaubt nicht daran, dass der Versicherer die Mindestverzinsung von zwei Prozent für die Beiträge erwirtschaften kann, die zwischen den Tarifpartnern und dem Konsortium vereinbart wurden, meldet die FAZ. Mehrere Insider bestätigen den Sachverhalt gegenüber VWheute.

Ein Grund für den Ausstieg war Corona. Der DFV-CEO Stefan Knoll erklärte gegenüber der Zeitung, dass der Careflex-Tarif Ende 2019 in einer „wirtschaftlich guten Phase und vor dem Coronavirus“ kalkuliert wurde. Das Unternehmen ist dennoch optimistisch, ihre Ziele für das laufende Jahr zu erfüllen. Weniger zuversichtlich sind derzeit die Aktionäre, seit der Nachricht ist der Aktienkurs um etwa 40 Prozent eingebrochen, schreibt die FAZ.

Blaupause für weitere Branchen

Die Barmenia und R+V sehen nach wie vor den Bedarf und die Möglichkeiten der Pflegeversicherung. „Angesichts des demografischen Wandels ist die Pflege ein zentrales Thema, mit dem sich jeder beschäftigen sollte. Pflege-Vorsorge ist ein unverzichtbarer Baustein jeder Lebensplanung. Ein frei verfügbares Pflegemonatsgeld wie aus CareFlex Chemie schützt das private Vermögen und entlastet Pflegebedürftige sowie pflegende Angehörige“, erklärt ein Sprecher der Wiesbadener. CareFlex Chemie sei ein „Pionier bei Pflege-Branchenlösungen“ und zugleich „eine Blaupause für weitere Branchen“.

Auch der PKV-Primus Debeka sieht Potenzial: „Für die Debeka gehört eine private Pflegezusatzversicherung schon immer zum wichtigen Versicherungsbedarf und wird grundsätzlich in allen Beratungen über einen Krankenversicherungsschutz angesprochen“, erklärt eine Sprecherin. Der Debeka ist es wichtig, dass der Gesetzgeber „die richtigen Weichen stellt“, indem die älteren Generationen nicht über Gebühr belastet werden und die jüngere Generation dabei unterstützt wird, „umfassender privat für den Pflegefall vorzusorgen.“

Das Thema wird Gesellschaft und Versicherungsbranche in einem alternden Deutschland weiter beschäftigen.

Autor: Maximilian Volz

Ein Kommentar

  • Karl M. Schütt

    Private Lösungen klingen immer gut, für die Versicherungsnehmer stellt sich allerdings doch die Frage der Finanzierbarkeit. Beispiel: Meine Frau und ich haben in 12/2012 eine private Pflege-Zusatzversicherung bei der AXA abgeschlossen. Monatsbeitrag ab 01.01.2013: Mann € 66,20 / Frau: € 91,70.
    Beiträge ab 01.01.2021: Mann € 146,25 / Frau: € 180,05. Da ist leicht ausrechnen, wann man die gesetzliche Rente gleich direkt an den Versicherer überweist. Die Geschäftschancen für die Versicherer scheinen in der Tat gut zu sein.

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