Schlechte Beratung in der PKV? Das steckt hinter der Analyse von Stiftung Warentest

Bildquelle: Arek Socha/ Pixabay

Die Stiftung Warentest hat in der Zeitschrift Finanztest die Beratung zur PKV-Vollversicherung untersucht. Das Urteil gegenüber den Getesteten ist hart, das Testverfahren angreifbar. Im Subtext der Überprüfung schwingt die grundsätzliche Frage mit, ob die PKV wegen der (angeblich stetigen) Beitragssteigerungen noch vermittelbar ist. Einer zusätzlichen Beitragsabsicherung stehen selbst Branchengrößen offen gegenüber.

„MLP und Dr. Klein beraten nicht gut“, lautet der Vermerk unter der Zwischenüberschrift „Versicherungsberatung“ auf der Titelseite der Finanztest 12/2020. Kein Wort darüber, dass „nur“ die KV-Beratung untersucht wird. Die Überschrift zum eigentlichen Artikel lautet „Guter Rat ist selten“. Ein gelungenes Wortspiel, doch lässt sie eine inhaltliche Tendenz erkennen, die sich im Leseverlauf bestätigt.  

Das Testszenario von Finanztest ist einfach. Vier Berater von vier Unternehmen – Hoesch & Partner, Plansecur, Dr. Klein und MLP –  wurden getestet. Unter den Getesteten fanden sich Versicherungsvertreter, -makler und -berater, hinter der letzten Bezeichnung verbergen sich Honorarberater. Das dargelegte Testszenario war nach Eigenaussage der Zeitschrift so ausgelegt, dass die Testpersonen den Rat erhalten sollten, „eher in der gesetzlichen Krankenversicherung zu bleiben“. Im Ergebnis sahen das aber zehn von 16 Beratern anders.

Ob die von den Testern simulierte Situation tatsächlich eher einen Verbleib in der GKV präferiert, muss offen bleiben. Dagegen spricht, dass auch die Hälfte der Honorarberater, also ohne Provisions- oder Courtageanreiz,  zum Wechsel in die PKV riet. Fraglich ist auch, ob die Auswahl von vier Beratern repräsentativ ist, allein MLP hat rund 2000 Berater. Zugutegehalten werden muss Finanztest sicherlich, dass sie nicht über die Kapazitäten verfügt, um hunderte Gespräche zu führen und auszuwerten. Die Zeitschrift selbst spricht von „exemplarischen“ Tests.

Trotz der, teilweise schwer zu behebenden, Mängel kam es zu einem deutlichen Testergebnis. Das Unternehmen Hoesch & Partner, siehe dazu das Interview in Köpfe & Positionen, erhält bei der Beratungsqualität mit 2,4 noch knapp ein „gut“, es folgen Plansecur und Dr. Klein mit „befriedigend“, das Schlusslicht bildet MLP mit dem Ergebnis „ausreichend“ und der Note 3,6.

Kritik an den Kritikern

Insbesondere MLP ist mit dem Test und ihrem Rating nicht zufrieden und greift einige der angesprochenen Kritikpunkte auf. Die Studie sei aufgrund der geringen Fallzahl „nicht repräsentativ“. Hinzu werfe die „Ausgestaltung des Testdesigns“ Fragen an der Aussagekraft auf. Gegen den im Test konstruierten eindeutigen Kundenfall pro GKV spreche, dass auch vier von acht der getesteten Honorarberater sich für einen PKV-Wechsel aussprachen. Es sei zudem unklar, welche Äußerungen die Testkunden tatsächlich tätigten und wie sie subjektiv interpretiert wurden. Ein MLP-Sprecher kritisiert zudem, dass bei einer Entscheidung pro PKV immer mitschwinge, dass „vermeintlich überwiegend provisionsorientiert gehandelt worden sei.“

Hinzu komme laut MLP, dass der „oberflächliche Studienbefund von Finanztest“ nicht in das Gesamtbild passe, das andere Untersuchungen mit „weitaus breiterer Stichprobe zeichnen“. Die Beratungsqualität werde immer wieder aussagekräftig unter Beweis gestellt, so zum Beispiel beim Online-Bewertungsportal WhoFinance.de, schließt der MLP-Sprecher.

Also alles in Ordnung mit der PKV-Beratung? So einfach ist es nicht. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZNRW) bestätigt die Bewertung von Finanztest: „Leider müssen wir die Einschätzung teilen. Unsere Hilfen in diesem Bereich zeigen leider immer wieder, dass Betroffene teilweise keine umfangreichen, detaillierten Infos erhalten. Das ist nicht bei jedem Vermittler der Fall, aber doch bei einigen.“

Dafür gibt es laut der VZNRW Gründe. „Nach unserer Einschätzung liegt dies daran, dass derjenige, der den Vertrag abschließt, vornehmlich als Verkäufer einer Versicherungspolice agiert und nicht als Berater.“ Die Beratung habe zwar in den vergangenen Jahren „etwas an Bedeutung gewonnen“, der Verkauf, durch den der Verkäufer […] Geld verdient, stehe aber „unverändert weit im Vordergrund“.

Beitragsgrab PKV?

Ob es ein gerechtes Urteil zu einer Beratung geben kann, ist fraglich. Klar ist allerdings folgender Satz im Artikel: „Privat versichern sollte sich nur, wer jeden Monat mehrere hundert Euro beiseitelegen kann, um die Beiträge im Rentenalter zu finanzieren.“

Genau dafür sind eigentlich die Altersrückstellungen gedacht. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass der medizinische Fortschritt des Öfteren eine Erhöhung der PKV-Beiträge mit sich bringt. Diese Anpassungen beschäftigen Unternehmen, Anwälte und Gerichte fortlaufend, doch oft sind sie über die Jahre gesehen nicht so dramatisch, wie sie im Augenblick erscheinen. „Die bisherige öffentliche Diskussion über das Ausmaß von Beitragssteigerungen in der PKV stützt sich vor allem auf Momentaufnahmen einzelner Jahre oder oft nur auf Einzelfälle, erklärt Martin Albrecht, Geschäftsführer des IGES Instituts und Leiter einer Studie zu Beitragserhöhungen in der PKV.

Zu einer solchen Situation kam es kürzlich, als der Branchenführer Debeka die Beiträge erhöhte aber zugleich relativierte. „Trotz der aktuellen Anpassung seien die Beiträge bei der Debeka für „langjährig Versicherte“ seit der Jahrtausendwende im Schnitt „nur um 2,8 Prozent“ pro Jahr gestiegen, schreiben die Koblenzer. Zudem sollte nicht vergessen werden, dass die Anhebungen gesetzlich vorgeschrieben und keine Geldbeschaffungsmethode klammer Versicherer darstellt.

Zur Finanztest-These hinsichtlich des zitierten Sparbedarfs analog zur Altersrückstellung schreibt die Debeka. „[…]. Zu der individuellen Beratung gehört auch die Betrachtung der Situation im Alter. Wer bei seinem Abschluss an einen sogenannten Beitragsentlastungstarif denkt, der muss sicherlich nicht „mehrere hundert Euro im Monat zurücklegen“. Zur Wahrheit gehöre auch, dass viele Versicherte im Alter einen Zuschuss der deutschen Rentenversicherung zu Ihrer privaten Krankenversicherung erhalten. Mit dem Kommentar werde im Artikel von Finanztest dann doch „eher ein falsches Bild gezeichnet“.

Schwierige Debatte

Der Finanzberater aus Wiesloch schließt sich dem Gesagten inhaltlich an. „[…] In der PKV steht für MLP Kunden das deutlich größere Leistungsspektrum im Fokus – und nicht der Beitragsvorteil ggü. der GKV zu Beginn der Vertragslaufzeit. Vielmehr beraten wir unsere Kunden auch dahin, beispielsweise mit Beitragsentlastungstarifen oder anderen Sparformen, für die Beitragsentwicklung im Alter vorzusorgen.“

Der PKV-Verband wollte sich im Kontext des Finanztest-Beitrags „nicht äußern“.  Auf der Webseite schreibt der Verband allerdings: „Wer befürchtet, dass seine Alterseinkünfte zu niedrig sind, um sich den Versicherungsschutz ungeschmälert leisten zu können, für den gibt es Angebote von Beitragsentlastungstarifen, um gezielt zusätzlich finanziell vorzusorgen. Arbeitnehmer können in vielen Fällen auch für die Beiträge zu diesem Tarif den Arbeitgeberanteil nutzen.“

Alle drei Befragten sehen durchaus einen Sinn hinter einer zusätzlichen Absicherung der KV-Beiträge. Die Verbraucherzentrale NRW stimmt wenig überraschend mit ein: “ Die Beiträge im Bereich der PKV sind in den vergangenen Jahren – vornehmlich durch Kostensteigerungen im Gesundheitsbereich stark gestiegen. Diese Entwicklung wird sich voraussichtlich fortsetzen.“ Da die Beiträge der PKV nicht einkommensabhängig seien, sollten für die zu erwartenden Kostensteigerungen der Beiträge „weitere Reserven zur Finanzierung geschaffen werden.“

Die Beratung hinsichtlich PKV oder GKV ist und bleibt ein schwieriges Feld, wie der Finanztest-Artikel erneut zeigt. Niemand kann seriös die Entwicklung der Krankenkosten innerhalb eines 50-jährigen Zeitraums abschätzen, weswegen selbst Branchengrößen eine zusätzliche Beitragsabsicherung nicht schmähen. Alternativ müssten die Altersrückstellungen höher kalkuliert werden, was allerdings die Beiträge in jungen Jahren ansteigen lässt. Das ist oft die Zeit, in der sich Menschen für die PKV entscheiden.

Der Test hat Mängel, nichtsdestotrotz sind Qualitätsmahnungen der Verbraucherschützer nötig. Im Endeffekt führt der Dialog der Parteien zu einer besseren Beratung, die sowohl für Verbraucher(schützer) als auch Unternehmen das Ziel sein muss.

Autor: Maximilian Volz

4 Kommentare

  • Es ist wirklich kein Grund, auf den Wechsel von der Gesetzlichen in die Private Krankenversicherung mit weit höherem Leistungsniveau zu verzichten, nur weil man sich diesen hochwertigen Versicherungsschutz im Alter ggf. nicht mehr ungeschmälert leisten kann.

    Denn auch in diesem Fall ist stets der Wechsel in Tarife mit einem an das Niveau der GKV angenäherten Schutz möglich – und dieser – nur gegenüber vorher geschmälerte – Schutz kostet dann meist weit weniger als man in der GKV zahlen müsste. Und ist dann immer noch nicht im Leistungsniveau gegenüber der GKV geschmälert.

    Wenn jeder Erwerbstätige sich in dem, was er sich leistet, danach richtet, dass er es sich auch ebenso im Alter leisten kann, hätten wir bereits keinen Corona-Lockdown gebraucht, weil alles sich schon weit unter diesem Niveau bewegen würde.

  • Guten Tag zusammen,

    ganz so, wie hier im Artikel beschrieben ist es eben nicht und war es auch nicht.

    Getestet wurden im Übrigen keine Versicherungsvertreter, sondern ausschließlich Makler, Vertriebe (die vier genannten) und Versicherungsberater.

    Also Mitglied des Fachbeirates zu dem Test, kann ich die Situation und das Szenario recht gut beurteilen. Hätte ich den Testbericht am Ende schreiben müssen, wäre dieser weitaus vernichtender ausgefallen. Die Ergebnisse waren unterirdisch und das ist leider noch freundlich formuliert.

    Ganz simpel. Gehen Sie mit Kopfschmerzen zu einem Arzt und der verschreibt Ihnen ohne Anamnese zwei Medikamente mit starken Nebenwirkungen, die beide helfen könnten, es aber nicht müssen, würde niemand diesen Arzt erneut aufsuchen.

    Nahezu fast alle Berater haben eines vermissen lassen. Sich sauber und vernünftig mit Anamnese zu beschäftigen und das lässt sich- ungeachtet des Weges des Vertriebes- durchaus bewerten.

    Mache ich aber die Aufnahme des IST Zustandes falsch oder unvollständig, ist es schön wenn dennoch das richtige Ergebnis heraus kommt. Am Ende ist es wie in der Mathestunde früher. Nur weil ich (zufällig) das richtige Ergebnis habe, ist die Aufhabe nicht gelöst, der Test nicht bestanden.

    @Peter Schramm

    Natürlich kann man einen Wechsel, gerade aus Leistungsgesichtspunkten auch dann machen, wenn man sich den Schutz nicht mehr leisten kann und dann im Alter oder vorher schon reduzieren muss.

    Das ist auch völlig unkritisch. Aber: Es muss Ihnen zwingend jemand erklären und dazu gehört eben Information, Fakten und Szenarien beleuchten. Das haben in diesem Test 3/4 der Berater einfach nicht getan.

    Daher bin ich vollkommen bei Ihnen, ein generelles „PKV geht nicht, weil es im Alter teurer wird“ ist genau so falsch, wie ein generelles „PKV ist toll“

    Mal so aus dem Nähkästchen. Nahezu kein Berater hat sich mit dem Thema Optionen, Anpassungen, Veränderungen in der Zukunft befasst. Nur sehr wenige haben mit dem Ergebnis richtig gelegen.

    Bei aller Kritik an Finanztest (ich habe damit in den letzten Jahren im Blog sicher nicht gespart und tue es auch heute nicht) liegt hier der Finger in der richtigen Wunde.

    PKV Beratung bedeutet zunächst einmal „Information, Aufklärung und Wissensvermittlung“. Wie das jemand in 30 oder 45 Minuten schafft und dann einen begründeten Rat gibt ist mir ebenso schleierhaft. Auch die Tatsache, dass der Rat dann „bleiben Sie in der GKV“ vielleicht richtig war, macht es am Ende nicht besser.

    Und natürlich hat MLP hier allen Grund zu meckern. Natürlich sind auch nicht alle Berater gleich und eine Aussage wie „MLP und Dr Klein beraten nicht gut“ auf dem Titel ist mE zu kurz gegriffen, da es nur um eine ausgewählte PKV Beratung ging.

    Hier in diesen getesteten Fällen haben sich aber die Berater eben nicht mit Ruhm bekleckert und einfach nicht beraten, sondern oft verkauft.

  • Guten Tag,
    eine der nicht bewerten Beratungen wurden durch mich, als Inhaber eines regionalen Versicherungsmaklerbüros mit 5 tätigen Personen, durchgeführt.
    Aus meiner Sicht wurde verhältnismäßig schnell deutlich, dass die Testperson eher nicht in die PKV wechseln sollte. Das habe ich auch so formuliert.
    Jedoch zeigte sich die Testperson sehr motiviert in die PKV zu wechseln, so das man den Eindruck hätte gewinnen können, die Testperson sei fest entschlossen in die PKV zu wechseln.
    Als ich erfuhr, dass es sich bei der Beratung um einen Test durch „Finanztest“ gehandelt hat, hatte ich im Nachhinein den Eindruck, dass versucht wurde mich aufs Glatteis zu führen.
    Ob das der richtige Ansatz für die Überprüfung von Beratungsqualität ist, sei dahin gestellt.

  • Hubert Gierhartz

    Finanztest sollte erst einmal dafür Sorge tragen, dass dieser Test für jedermann kostenfrei zugänglich ist. Aber nein, das geht nicht, weil dieser Test für 1,50 € eingekauft werden muss. Finanztest wird steuerfinanziert.

    Dem Verbraucher soll doch suggeriert werden, dass Versicherungsmakler nur auf Provisionen bei schlechter Beratung scharf sind. Um das zu unterstreichen wurden auch die Großen abgestraft. Aber wenn die Großen das schon nicht beherrschen, dann kann von den Kleinen und Einzelkämpfer erst recht nichts erwarten.

    Mich würde interessieren, ob nicht die übliche Empfehlung ausgesprochen wurde, dass eine Beratung durch die Verbraucherzentralen gegen Honorar sinnvoll ist.

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