Bewegung im Onlinevertrieb: Wie Versicherer den Anschluss finden

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Ikea verkauft in der Schweiz Versicherungen der Swiss-Re-Tochter Iptiq digital. Das Modell zeigt, dass das Spektrum der Plattformen, über die Versicherer ihre Policen verkaufen, weiter wird. Einerseits ein Vorteil: Die Abhängigkeit von Aggregatoren wie Check24 wird kleiner. Andererseits wird das Management eines wachsenden und heterogenen Vertriebsmix aufwendiger. Darauf sollte sich die Branche strategisch einstellen. Viele Probleme sind ungelöst.
In der Versicherungsbranche gibt es generell einen Trend zur Konsolidierung: Versicherer arbeiten mit deutlich weniger Vermittlern und Maklern zusammen als noch vor einigen Jahren. Das hat gar nicht mal viel mit der Digitalisierung zu tun, sondern liegt daran, dass die Anzahl potenzieller Vermittler generell sinkt. Die Zahl der Maklerhäuser geht zurück, zudem wechseln viele Vermittler und Ausschließlichkeitsvertreter in den Ruhestand – oft ohne Nachfolger.
Es gibt allerdings auch Ausnahmen und andere Entwicklungen. Einige Häuser erhöhen die Zahl ihrer angeschlossenen Vertriebspartner. Die Branche verfolgt hier unterschiedliche Strategien. Was allerdings auffällt, egal ob Ausbau oder Konsolidierung: Die Versicherer selektieren mehr. Bei der Zusammenarbeit mit Maklern entscheiden die Vertriebsvorstände deutlich nach Wertbeitrag und nach Geschäftspotenzial und weniger nach Umsatz und Größe des externen Partners.
Es lässt sich beobachten, dass die Großen mit ihrer traditionell starken eigenen Vertriebsmannschaft verstärkt in die Zusammenarbeit mit Maklern eingestiegen sind und mit diesen Partnern mittlerweile einen großen Anteil ihres Geschäfts erzielen. Unternehmen, die auch heute auf den eigenen Außendienst setzen, bemühen sich diesen Vermittlern weiterhin eine zentrale Rolle im Multikanal-Vertriebsprozess zu geben und sie beispielsweise bei deren digitaler Transformation bestmöglich zu unterstützen. Hierzu zählen Schulungen, um den Umgang mit den digitalen Technologien zu verbessern, aber auch Spezialisten, die Agenturen helfen, digitale Leads zu generieren und standardisierte Abläufe entwickeln, diese Leads weiterzuverfolgen.
Produkte oft nicht onlinetauglich
Vielfalt und Komplexität im Vertrieb sind nur eine Frage der Zeit, und das bedeutet weniger Standard- und mehr Individualmanagement. Zudem müssen viele eingefleischte Agentur- und Maklerversicherer erst Expertise im Onlinevertrieb aufbauen. Digitale Abschlussstrecken haben sie erst in den letzten Jahren systematisch entwickelt. Vielfach versäumen Versicherer noch, ihre Produkte für den Onlinevertrieb anzupassen, und das Planen von Kundenreisen, das immer wichtiger werdende Customer Journey Management, ist ebenfalls noch keine Domäne der Branche.
Versicherer können hier noch stärker von etablierten Lösungen in anderen Branchen lernen. Bei der laufenden Optimierung im Onlinevertrieb besteht somit noch reichlich Potenzial. Nicht zu unterschätzen sind zudem hohe Courtagekosten im Onlinevertrieb, wenn Versicherer ihre Produkte über etablierte Player wie Check24 vertreiben wollen. Zudem braucht es klare Regelungen für die Provisionen im Onlinegeschäft für Kunden der Agenturen.
Kosten für Leads werden Steigen
Darüber hinaus wird das Einhalten von Verbraucherschutzregelungen komplexer. Gesetzliche Anforderungen wie die IDD-Richtlinie machen sich in einem erhöhten Dokumentationsaufwand bemerkbar. Zudem nehmen Datenschutzanforderungen, Code of Conduct und die Vorschriften zu Werbeeinwilligungen einige vertriebliche Freiräume, vor allem im Bestandsgeschäft. Und je heterogener die Partnerlandschaft, desto anspruchsvoller werden das Controlling und die Gewährleistung, dass alle Regeln eingehalten werden. Dass jeder Partner andere Abläufe hat, erschwert das Partnermanagement zusätzlich. Dazu kommen deren wachsende Anforderungen an digitalisierte Prozesse. Maklerpools, vor allem größere Vertriebspartner, entscheiden weniger nach Courtagehöhe, sondern nach Administrationskosten. Das bedeutet zusätzliche Investitionen in schlanke Prozesse, und die können je nach IT-Landschaft ziemlich hoch ausfallen.
Und in Zukunft warten auf die Versicherer weitere potenzielle Kostentreiber im Onlinevertrieb: Wenn immer mehr Anbieter auf das Internet als Vertriebskanal umschwenken, werden die Kosten für Leads mit großer Wahrscheinlichkeit steigen – nicht nur für Google-Klicks, sondern auch für Zugaben, für Influencer und für Affiliate-Programme.
Zielbild Plattform
Das strategische Zielbild, das sich derzeit abzeichnet und das vor allem Versicherungsplatzhirsche verfolgen, ist die eigene digitale Plattform, an die sich diverse Vertriebspartner, aber auch Insurtechs, Technologiefirmen und branchenfremde Produktanbieter wie Banken, Telekommunikationsunternehmen oder Stadtwerke und Behörden andocken können. Multibanking-Portale entwickeln sich zudem zu Finanzplattformen, dadurch gewinnt Bankassurance wieder an Bedeutung.
Die Finanzportale können von Banken, Versicherern sowie komplett branchenfremden Unternehmen betrieben werden. Leistungen wie Allianz Pay & Protect zeigen, dass sich Versicherer beim Errichten eigener Ökosysteme durchaus engagieren. Sie müssen allerdings nicht zwingend selbst Betreiber einer digitalen Plattform werden. Es gibt das White-label-Modell, bei dem sich der Versicherer – wie Iptiq bei Ikea – an einen Partner oder ein Portal anbindet und seine Leistungen mehreren Plattformen anbietet. Ein typisches Beispiel ist das Angebot von Rechtsschutz- und Garantieversicherungen auf Gebrauchtwagenportalen.
Es existieren einige Lösungen und Ideen, es sind aber auch noch viele Erfahrungen zu sammeln und Vorbereitungen zu treffen. Versicherer sind gefordert, Tarife, Bedingungen, Prozesse und IT so zu standardisieren und zu vereinfachen, dass die Aufnahme und Pflege einzelner Vertriebspartner wirtschaftlich attraktiv ist. Vermittler und Makler müssen das Geschehen ihrerseits verfolgen und ihren Platz in dieser Plattformökonomie finden. Das bedeutet signifikante Investitionen in digitale Vertriebsexpertise.
Autoren: Petra Weber, Managerin Insurance, und Arne Iwers, Manager Insurance, beide bei Sopra Steria.
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der neuen Oktoberausgabe der Versicherungswirtschaft.
