Macht Corona die BU zum Produkt des Jahres?

cromaconceptovisual auf Pixabay

Das Virus hat das Bewusstsein der Menschen für die Bedeutung von Gesundheit und Arbeitskraft geschärft. Das glauben viele Versicherer und bringen sich im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) für die Post-Pandemie-Periode in Startposition.

Corona wird die Menschen dazu animieren, „die bestehenden Absicherungen neu zu priorisieren“, glaubt Frank Dietrich, Fachmakler für biometrische Risiken. Viele Versicherer stimmen der Aussage zu. Die Condor, zur R+V gehörend, geht von einem „stärkeren Bewusstsein für den Gesundheitsschutz aus“, ebenso die Nürnberger. Die Pandemie habe den Menschen vor Augen geführt, welche Gefahren eine Virusinfektion birgt, glaubt der Volkswohl Bund. Insbesondere die Infektionsklausel in den BU-Bedingungen habe eine stärkere Bedeutung gewonnen.

Es sei noch zu früh, Aussagen zu „möglichen Änderungen von Sichtweisen zur Arbeitskraftabsicherung“ zu treffen, schreibt die Zurich. Der Konzern erklärt aber auch, dass die Gefahr des Arbeitskraftverlustes zu einem „Umdenken in der Bevölkerung“ führen wird.

BU-Boom?

Den Menschen wird aktuell jeden Tag in Zeitungen, Internet und TV ihre Verletzlichkeit vor Augen geführt. Das könnte die BU zum Produktstar des (Rest-) Jahres 2020 werden lassen. Die Zurich schreibt, dass das Risikobewusstsein „wahrscheinlich“ steigen wird und „durchaus“ Impulse für das Geschäft „die Folge sein können“.

Der Volkswohl Bund ist schon optimistischer. Das Produkt habe „auf jeden Fall das Zeug“ zum Bestseller des Restjahres 2020. Bei seinen Vertriebspartnern gäbe es eine „nochmals erhöhte Nachfrage“ nach Beratungstools und – unterlagen. Das steht im Gegensatz zur Condor, die „aktuell keine höhere Nachfrage“ verzeichnet, aber nicht ausschließen möchte, dass es in diesem Jahr „vermutlich“ zu einer steigenden Nachfrage kommen wird. Für die Nürnberger ist das Produkt „seit Jahrzehnten“ das „Kerngeschäft“ und wird auch im laufenden Jahr das „zentrale Produkt“ beim Einkommensschutz sein.

Dass Corona bereits in der Krise zu mehr Abschlüssen im Bereich der Arbeitskraftabsicherung führen kann, zeigt die Alte Leipziger. Zuvor hat das Unternehmen seine Bedingungen erneuert, wie Vertriebsvorstand Frank Kettnaker im VWheute-Interview erklärt. Damit wären wir beim Thema.

Von Teilzeitklausel, fünf Sternen und Scoring-Modellen

Bei so viel BU-Enthusiasmus ist es nicht verwunderlich, dass sich die Branche um Fortschritte bemüht. Bert Heidekamp, Sachverständiger für Berufsunfähigkeitversicherungen, hatte über Produktberatung „einen nicht unerheblichen Anteil an den Veränderungen“, wie er erklärt. So wurde die Empfehlung aus 2011 „auf den Verzicht auf die Umorganisation bis zu fünf Mitarbeiter“ ins Bedingungswerk der Condor umgesetzt.

Das sei heute „viel kopiert“ und in „vielen Premium-Bedingungswerken wiederzufinden“. Seit dem Jahr 2016 lieferte der Experte nach Eigenaussage Produkt-Empfehlungen für eine Arbeits-/Teilzeitklausel, die seit dem Juli 2019 „ebenfalls in den Bedingungen umgesetzt wurde“. Es sei damit zu rechnen, dass diese Erweiterungen „in ähnlicher Form“ auch von anderen Gesellschaften“ übernommen werden.

Genau diese Teilzeitklausel ist „ein zentrales Element“ der BU-Überarbeitung der Condor, wie das Unternehmen schreibt. Mit einer echten Teilzeitklausel hätte der Versicherte als (unfreiwillig) Teilzeitbeschäftigter auch in der Coronakrise „dieselben Leistungsvoraussetzungen wie eine Vollzeitkraft“.

Die Nürnberger setzt in der BU neben einem „hochwertigen Bedingungswerk“ auf eine Prozess- und Serviceorientierung, die unter anderem einen GKV-Check und Unterstützung bei der Antragstellung bietet. Für die Mitte des Jahres hat das Unternehmen weitere Anpassungen angekündigt.

Die Zurich hat bereits im letzten Jahr das Scoring-Modell eingeführt, was eine „ganz individuelle Einstufung ermöglicht“. Im Blick stehe die individuelle Tätigkeit und nicht mehr die Berufsgruppe. Diesem Modell würden mittlerweile „andere Versicherer folgen“. Zudem wurde auf ein Verzicht auf die Anpassung des Bruttobeitrages vereinbart und ebenfalls zugesichert, bis Anfang 2025 die Nettobeiträge nicht zu erhöhen. Weitere Änderungen sind geplant. Der Volkswohl Bund setzt auf seine „vielfach ausgezeichnete Fünf-Sterne BU“ und ist ständig mit seinen Vertriebspartnern in Kontakt, um bei Verbesserungspotenzial „sofort zu reagieren“.

Nicht alles Gold?

Die Neuerungen in der BU-Branche insgesamt bewerten die Experten Heidekamp und Dietrich unterschiedlich. Die Bedingungen seien nicht ausgereizt, was an der „Kreativität der Versicherer“ immer wieder erkennbar sei, betont Heidekamp, der in der nächsten Ausgabe der Versicherungswirtschaft einen Artikel zum Thema schreiben wird.

Dagegen erscheinen dem langjährigen Fachmakler Dietrich Neuerungen der letzten Zeit als „Marketing“. Beispielsweise würden „immer mehr“ Versicherer Geldzahlung bei schweren Erkrankungen offerieren. Eine solche Zahlung sei „kein Eintritt in den Leistungsfall“, sondern könne ein „befristetes Anerkenntnis zum Nachteil des Versicherten dokumentieren“.  Dass der Versicherte dadurch schneller Leistung erhalte, stimme „nur bedingt“.

„Eher kritisch“ sieht auch Heidekamp einige Entwicklungen in der BU. Die Zunahme an befristeten Leistungen, wie z.B. bei schweren Erkrankungen könnten auch „sehr nachteilig sein“. In der Regel begründen schwere Erkrankungen auch einen BU-Leistungsanspruch, erklärt er. Wird jedoch aus „Schnelligkeit oder Service“ ein befristetes Anerkenntnis bevorzugt, kann die Beweisführung im Anschluss zu „erheblichen Problemen“ führen, wenn „zwischenzeitlich eine gewisse Genesung“ erfolgt ist.

BU mach ich später oder nie

Die Deutschen sichern lieber ihren Hund ab als die eigene Arbeitskraft, ergab kürzlich eine Umfrage des Versicherungsmanagers Clark. Bei jungen Menschen ist der Absicherungswille am schwächsten ausgeprägt. Den Versicherern ist das bekannt, der Trend geht zur früheren, und günstigeren, Absicherung. Der Volkswohl Bund bietet genau wie die Condor eine BU für Schüler an, die ohne Gesundheitsprüfung später an die steigenden Bedürfnisse angepasst werden kann. Bei der Condor kann es nach Abschluss der Schüler-BU „nur günstiger werden“.

Ein sehr ähnliches Modell verfolgt die Zurich, die es Berufseinsteigern ermöglicht, von einem „günstigeren Einstiegsbeitrag zu profitieren“. Zudem wurde das komplexe Thema so aufbereitet, dass junge Menschen einen „einfachen Weg“ in die Thematik erhalten. Die Nürnberger handelt ähnlich. Neben den Beratern bietet sie über die sozialen Medien „volldigitale Beratungsstrecken“ an und ist in den sozialen Medien aktiv.

Den Weg über die Online-Medien sieht auch der BU-Experte Heidekamp als zielführend an. Er nimmt aber auch die Eltern in die Pflicht, die ihre Kinder auf das Thema „vorbereiten sollten“. Das sieht auch Dietrich so. Er bemängelt, dass die Eltern das Problem nicht „im Blickfeld haben und empfiehlt einen frühen Abschluss, wie ihn die oben genannten Versicherer anbieten, solange die Gesundheit „meist ungetrübt“ ist. Nicht verschwiegen werden sollte, dass es laut Heidekamp bei den Vermittelnden „noch einiges an Detailwissen“ aufzufrischen gibt.

Die Argumente der Versicherer und Experten sind sicherlich richtig, eine frühe Absicherung bietet viele Vorteile. Die Frage ist nur, warum sollten die Eltern die Kinder absichern, wenn sie bei sich selbst nicht die Notwendigkeit sehen, wie die Clark-Studie deutlich zeigt. Vielleicht hat die Corona-Krise diesen Aha-Effekt, möglich ist aber auch, dass die BU weiterhin ein „Verkaufs- und seltener ein Käuferakt“ ist wie Heidekamp schreibt.

Autor: Maximilian Volz

2 Kommentare

  • Vielen Dank für diesen Artikel allerdings hätte ich mir andere verlinkt Kunden zum Thema Teilzeitklausel und Infektionsklausel gewünscht. Meiner Auffassung nach sind die dort zu finden Kommentare nicht wirklich fachlich kompetent. Leider ist das Hauptproblem der Berufsunfähigkeitsversicherung, wenn es um die Anerkenntnis in der Bevölkerung geht, hier nicht zum Ausdruck gekommen. Vielleicht in einem weiteren Artikel.

  • Martini Sttraurig

    Da mach ich mir die Welt, so wie sie mir gefällt. So oder so ähnlich hat Pippi Langstrumpf es einmal gesagt und so oder so ähnlich funktionieren wohl die Hirne der Funktionäre, Entscheider und Vorstände der Versicherungswirtschaft.

    Die Realität hingegen sieht ganz anders aus.

    Die Corona Krise hat bei keinem einzigen meiner Kunden die oben angeführten Denkprozesse in Gang gesetzt. Ganz im Gegenteil ist es so, dass kaum jemand Corona und BU im Zusammenhang sieht.
    Und auch ich kann offen gestanden nur unter zuhilfenahme von ordentlich hochprozentigem Rosarotebrillenschnaps hier einen erkennen.

    Was hingegen deutlich wahrgenommen wird ist, dass sich Versicherungsunternehmen den betroffenen Arbeitgebern (zuweilen auch dem eigenen) gegenüber störrisch zeigen und dringend notwendige und ebenso erwartete Leistungen verweigern. Stichwort Betriebsschließungsversicherung.

    Hier hat insbesondere die Allianz eine historische Chance vertan sich am Markt und den Menschen gegenüber als der verlässliche Partner zu zeigen, der sie vor Abschluss einer Police so gern sein will.

    Was wäre es für uns Vertreter ein Fest gewesen, noch in Jahren damit auftrumpfen zu können, dass unser Produktgeber sein Wort gehalten hat. Der Imagegewinn und das damit Verbundene Standing hätte die Ausgaben um ein vielfaches wieder eingebracht.

    Hier bleibt der schale Beigeschmack, dass entweder die Existenzen rein Garnichts zählen, oder die Unternehmen allesamt unter derselben Decke stecken und sich absprechen.

    Zeitgleich mit diesem „Skandal“ macht dann die Desaster Kritik von Herrn Kleinlein die Runde, in der er explizit die Allianz als Brückenkopf der Ungerechtigkeit und Schönrechnerei entlarvt.

    Wenn hier der Rentenfaktor in Altersrente Verträgen so ausgelegt wird, das unsere Kunden im Schnitt 120 Jahre alt werden, was natürlich die Auszahlungsquote massiv in den Keller und den Unternehmensgewinn massiv noch oben drückt, darf man ins Grübeln kommen, welcher Kaffeesatzleser hier zu Rate gezogen wurde.

    So wird es wahrgenommen und das ist es worüber sich unsere Kunden aktuell Gedanken machen.

    Das man sich die Rosinen raussucht und Tarife und Verträge nach Gutdünken stets so auslegt, das es dem Unternehmen und den Aktionären zugutekommt.

    So wird die Realität solange zurechtgebogen, bis es passt.
    Corona und BU? Sorry das ist lustig, mehr nicht.

    Schöne neue Welt.
    Nur eben nicht für jeden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

vierzehn + 5 =