Kettnaker: „Aufpassen, dass die Versicherungswirtschaft nicht als Rettungsschirm in Anspruch genommen wird“

Konzernzentrale der Alte Leipziger-Hallesche in Oberursel. Quelle: Alte Leipziger-Hallesche
„Viele Makler sind technisch sehr gut aufgestellt“, glaubt Frank Kettnaker, Vorstand Vertrieb/Marketing der Alte Leipziger-Hallesche, vor dem Hintergrund der momentanen Corona-Krise. Gleichzeitig warnt der Versicherungsmanager im Exklusiv-Interview mit VWheute, „dass die Versicherungswirtschaft nicht als Rettungsschirm von Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Finanzminister Olaf Scholz in Anspruch genommen wird“.

VWheute: Die ALTE LEIPZIGER hat während der Coronakrise 20 Prozent mehr Anträge in der privaten Altersvorsorge und der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU), wie erklären Sie sich das?
Frank Kettnaker: Das hohe Antragsaufkommen resultiert sicherlich auch aus Beratungen, die vor der Krise stattgefunden haben. Bei der BU-Versicherung kommt hinzu, dass das Produkt zum 1. Januar mit vielen neuen Features ausgestattet und damit noch wettbewerbsfähiger wurde. Zudem scheint es, als wäre die BU coronaresistent, weil die Menschen auch in dieser Zeit über ihre Arbeitskraftabsicherung nachdenken. Wie lange das anhält, weiß ich nicht.
VWheute: Ist Corona vielleicht sogar ein BU-Booster, weil den Menschen die eigene Verletzlichkeit vor Augen geführt wird?
Frank Kettnaker: Psychologisch ist da sicher was dran. Die Menschen bekommen ihre Verletzlichkeit vor Augen geführt, wodurch die Absicherung der Arbeitskraft wieder zu einem Kernanliegen wird.
VWheute: Sie haben einen hohen Makleranteil, spartenübergreifend zwischen achtzig und neunzig Prozent. Maxpool berichtet ebenso wie sie von Krisenzuwachs. Ist der angeschlossene Makler in der Krise gegenüber dem Einzelkämpfer im Vorteil?
Frank Kettnaker: Nicht notwendigerweise. In Gesprächen mit Pools, Vertrieben und Zusammenschlüssen stellte ich aber fest, dass diese sehr schnell in einen Krisenmodus umgeschaltet haben. Es wurde dort zeitnah sichergestellt, dass das Geschäft weitergeführt werden kann. Alle technischen Möglichkeiten wurden von speziellen Teams in den Organisationen bereitgestellt. Der Vermittler, der als Einzelkämpfer unterwegs ist, hat diese Ressourcen nicht. Er muss sich all das selbst erarbeiten.
VWheute: Ist der Makler digital weiter als der Ein- oder Mehrfirmenvermittler?
Frank Kettnaker: Viele Makler sind technisch sehr gut aufgestellt. Die digitale Kompetenz ist aber keine Frage der Rechtsform eines Vermittlers. So gibt es auch Ein- und Mehrfirmenvertreter mit großem digitalen Know-how.
VWheute: Sie sagten, dass sie in der Krise bei Pools und Vertrieben anriefen und Hilfe anboten. Wie sieht das konkret aus?
Frank
Kettnaker: Ein Thema war beispielsweise die bAV. Wir
wurden von unseren Partnern um Hilfe gebeten, damit
es nicht zu Kündigungen kommt. Wir haben dann zinsfreie Beitragsstundungen von
sechs Monaten bereitgestellt, die auch keine Courtagerückerstattung auslösen.
In anderen Bereichen haben wir bei der Analyse und Auswertung geholfen, um eine
zielgerichtetere Ansprache der Kunden zu ermöglichen und somit den Vertrieb zu
unterstützen. Gleichzeitig fragen wir, welche Ideen die Partner haben, die wir gemeinsam
vertrieblich umsetzen können.
VWheute: Sie sprachen von der Schnelle der Vertriebe. Wie hat sich ihr Unternehmen präsentiert und was bleibt nach Corona?
Frank Kettnaker: Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass unsere Mitarbeiter so schnell und agil digitale Lösungen, auch im Homeoffice, annehmen und umsetzen. Das ist unserer Organisation hoch anzurechnen und ich zolle den Mitarbeitern Respekt und Dank. Die Offenheit für neue Lösungen wird ebenso wie Agilität und Flexibilität auch nach der Krise erhalten bleiben, davon bin ich überzeugt. Zudem haben die Mitarbeiter gesehen, dass viele Probleme digital lösbar sind, ohne Reisen und persönliche Treffen.
VWheute: Bleibt auch die digitale Affinität der Menschen und Makler?
Frank Kettnaker: Das ist eine schwierige Frage.
VWheute: Deswegen stell ich sie ja Ihnen.
Frank Kettnaker: (lacht) Ich meine schon, dass die digitale Bereitschaft erhalten bleibt und Unternehmen, die früh auf die neuen Techniken gesetzt haben, nach der Krise weiter davon profitieren werden. Auf der anderen Seite glaube ich, dass das momentane Defizit an Nähe und Kontakt zu einer Art Nachholeffekt führen könnte, von dem dann Berater mit einer sehr engen Beziehung zum Kunden profitieren. Dadurch könnte die Kunde-Vermittler-Beziehung dauerhaft gefestigt werden.
VWheute: Wie hat sich die Versicherungswirtschaft in der Krise geschlagen?
Frank Kettnaker: Sehr gut – es gelten hohe Sicherheitsstandards bei den eigenen Mitarbeitern und dennoch wird der Kundenkontakt aufrechterhalten. Jetzt muss man aufpassen, dass die Versicherungswirtschaft nicht als Rettungsschirm von Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Finanzminister Olaf Scholz in Anspruch genommen wird. Wir als Branche sind auch in der momentanen Krise keine Solidaritäts- und Ertragsquelle. Bei allem gezeigten Gemeinschaftssinn muss die Branche ihr eigenes Kollektiv schützen.
VWheute: Anderes Thema – wie geht es den Bienen?
Frank Kettnaker: (lacht) Denen geht es auf dem Firmengelände sehr gut. Von Corona sind sie nicht berührt.
VWheute: Fürchten Sie, dass das Thema Nachhaltigkeit nach der Krise erst einmal hintenanstehen muss?
Frank Kettnaker: Ich sehe die Gefahr einhundert prozentig. Wann haben Sie das letzte Mal von Greta Thunberg oder CO2- Emissionen gehört? Das wichtige Ziel des wirtschaftlichen Aufschwungs wird zunächst wieder an die erste Stelle rücken. Das wird aber nur eine kleine Delle sein. Wir waren beim Thema Nachhaltigkeit gesellschaftlich – nicht ergebnistechnisch – auf einem guten Weg; die Programme liegen in der Schublade, Politik und Wirtschaft werden das Thema nicht vergessen. Wir als ALTE LEIPZIGER-HALLESCHE Konzern werden daran festhalten und haben die Nachhaltigkeit weiter voll auf dem Schirm.
Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.
Hm. Ich glaube nicht, dass die deutsche Versicherungswirtschaft in einer Krise steckt, stecken wird noch jemals dorthin geraten wird. Glaubt man den Ausführungen der Versicherer schnellen die Antrags und Umsatzzahlen in die Höhe. Man könnte meinen, Danke Corona. Ohne Corona hätte es diese gigantische Geschäftsentwicklung nicht gegeben. Ich persönlich rufe nur noch aus: Danke Corona. Ich verstehe daher diese Überschriften nicht. Wir sind kaufmännisch sehr gut aufgestellt. Die Kalkulation ist uns quasi in die Wiege gelegt worden. Da werden ganz sicher ein paar Milliönchen rechts und links vom Markt für gute Zwecke abfallen. Rettungsschirme inclusive. Denke positiv, könnte das Motto sein.