Finanzanlagevermittler unter Bafin-Aufsicht: So umstritten ist die Entscheidung des Bundeskabinetts

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Und sie kommt doch. Nach teilweise erbittert geführten Debatten hat das Bundeskabinett, nicht Bundestag, heute Klarheit über die Aufsicht von 38.000 Finanzanlagevermittlern geschaffen. Die Bafin wird die Kontrolle ab nächstem Jahr übernehmen. Die Einschätzungen aus der Branche schwanken zwischen Resignation und wütendem Aufstand.

Jetzt wird es ernst für die Finanzanlagevermittler und Verbände. Das Bundeskabinett, Bundesminister plus Kanzlerin, hat heute eine Änderung in der Aufsicht beschlossen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) soll ab dem Jahr 2021 die Kontrolle über die rund 38.000 in Deutschland zugelassenen Finanzanlagevermittler übernehmen. Bisher werden die Vermittelnden je nach Bundesland von den Industrie- und Handelskammern oder den Gewerbeämtern beaufsichtigt.

“Es ist gut, dass die Bundesregierung den Koalitionsvertrag wie geplant umsetzt. Eine einheitliche BaFin-Aufsicht über den Finanzvertrieb ist seit Jahren überfällig. Finanzvertriebe müssen von unabhängigen Behörden überwacht werden, nicht von ihrer eigenen Interessenvertretung”, sagt Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv).

Herrscht im Sommer Klarheit?

Der Gesetzentwurf soll bis zur politischen Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden. Aus Sicht des vzbv muss dieser Zeitplan eingehalten werden, um die geplante Übertragung 2021 auch tatsächlich umsetzen zu können.

Überraschen kann die Entscheidung pro Bafin nicht, VWheute meldete bereits mehrfach, dass sich die Behörde auf eine Übernahme der Aufsichtspflichten vorbereitet, außerdem steht das Vorhaben im Koalitionsvertrag, wie Staatssekretär Billen (Verbraucherschutzministerium) im Exklusivinterview bestätigte.

„Nur weil etwas im Koalitionsvertrag steht, muss es nicht richtig sein“, kontert Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes Finanzdienstleistung AfW. Es gäbe „keine nachvollziehbare Begründung für einen Wechsel“ der Aufsicht. Insbesondere das Timing wird von Wirth kritisiert. „Zu einer Zeit, in der gerade der Mittelstand voraussichtlich extrem von den Auswirkungen der Corona-Epidemie getroffen wird, halten wir es für ein denkbar falsches Zeichen, dieses mittelstandsfeindliche Gesetz weiter voranzutreiben.“

Ähnlich argumentiert der Votum-Verband. Dessen Chef Martin Klein erklärt: „Die Verabschiedung dieses Gesetzes wirft tatsächlich ein bedenkliches Licht auf das aktuelle Regierungshandeln. In den öffentlichen Verlautbarungen zur aktuellen Corona-Krise wird die Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beschworen, jedoch zum Gegenteil gehandelt.“

Breite Teile der Bevölkerung benötigen „nicht nur in den aktuell turbulenten Börsenzeiten die Unterstützung von Beratern“. Diese werden durch „die zu erwartende Kostenexplosion“ nunmehr vor die Alternative gestellt werden, ihre selbstständige Tätigkeit aufzugeben“, prophezeit Klein.

Auch der Bundesverband der Versicherunkskaufleute (BVK) findet sich auf der Seite der Ablehner: „Wir kämpfen jedoch weiterhin für den Erhalt der langjährig erprobten und praktizierten Aufsicht, da wir überzeugt sind, dass dieser Gesetzentwurf nur Bürokratiekosten für Finanzanlagenvermittler und keinen Mehrwert für Verbraucher bringen wird“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz.

GDV, Bafin und Finanzministerium

Wesentlich gefasster nehmen der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und die Finanzaufsicht Bafin die Sachlage auf. „Auch wenn das Vorhaben, die Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bafin zu übertragen, im Koalitionsvertrag verankert ist, bietet es sich an, noch einmal zu überlegen, ob es nicht eine bessere Lösung gibt. Zu erwägen wäre die ausschließliche Übertragung der Aufsicht auf die Industrie- und Handelskammern“, schreibt der GDV und befindet sich damit argumentativ auf der Seite von Votum und AfW.

Die Bafin bleibt zurückhaltend: „Bei einer möglichen Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bafin handelt es sich um eine politische Entscheidung, wobei bislang lediglich ein Gesetzesentwurf vorliegt. Ungeachtet dessen bereitet sich die Bafin selbstverständlich auf den Fall vor.“ Für weitere Fragen solle man sich an das Bundesfinanzministerium wenden.

Deren Staatssekretär Jörg Kukies lässt keinen Zweifel daran, was sein Haus möchte: „Mit der Übertragung der Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler auf die Bafin beseitigen wir die bisherige zersplitterte Aufsichtsstruktur. Im Einklang mit den Vorgaben des Koalitionsvertrages schaffen wir eine einheitliche, spezialisierte und wirksame Aufsicht, die auch der zunehmenden Komplexität des Aufsichtsrechts gerecht wird. Dadurch, dass die Aufsichtsaufgaben bei der Bafin gebündelt werden, steigern wir die Qualität und Effektivität der Aufsicht insgesamt. Dabei wird dem Proportionalitätsgedanken Rechnung getragen und die Aufsicht risikoorientiert unter Nutzung digitaler Verfahren ausgestaltet, so dass im Ergebnis ein kostenschonender Aufsichtsansatz verwirklicht wird.“

Sicher, das Gesetz muss natürlich noch den Bundestag passieren, doch aufgrund der dortigen Mehrheit der Koalition, die das Bundeskabinett repräsentiert, ist von einem Erfolg auszugehen. Doch Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, auch bei den Gegnern der Lösung: „Wir bleiben weiter optimistisch, dass sich der gesunde Menschenverstand im Gesetzgebungsverfahren im Bundestag durchsetzt und wir mit unseren Argumenten auch bei den Genossen noch durchdringen werden“, erklärt Wirth.

Eine weitere Hiobsbotschaft für die Vermittler gibt es noch obendrauf. Der zitierte Staatssekretär Kukies hat Argumente pro Provisionsdeckel aus einer Bafin-Auswertung gezogen, wie Sie in der Meldung „Finanzministerium präsentiert neue Munition für Provisionsdeckel“ lesen können.

Autor: Maximilian Volz