DAV sieht Nachbesserungsbedarf bei EU-Vorschlag zur Solvency II-Anpassung

Solvency II – die ewige Baustelle. Bild von Gerd Altmann auf Pixabay.

„Das geht besser“ – die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hat Anmerkungen zum Vorschlag der EU-Kommission zur Überarbeitung des seit 2016 gültigen Aufsichtsregimes Solvency II. Wie es ein guter Lehrer tut, wird der Schüler „EU-Kommission“ zuerst gelobt. Erfreulich sei der Kommissionsansatz zum sogenannten Zinsrisiko, das fortan sachgerechter bewertet werden soll. Bislang sah die Solvency-II-Standardformel vor, dass negative Zinsen nicht noch weiter fallen können.

Diese Annahme des Modells wurde in den vergangenen Jahren von der Realität überholt und soll nun korrigiert werden. „Dies ist vor dem Hintergrund der anhaltenden Tiefzinssituation folgerichtig“, sagt Dr. Maximilian Happacher, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DAV. Ebenso positiv ist aus Sicht der Aktuare, dass sich die Messung des Zinsrisikos künftig an den tatsächlich beobachtbaren Kapitalmarktentwicklungen in „tiefen, liquiden und transparenten Märkten“ orientieren soll. Das Risiko aus dem nur über ein Modell ermittelten sogenannten extrapolierten Teil orientiert sich an einer volkswirtschaftlich begründeten langfristigen Zinserwartung – der Ultimate Forward Rate (UFR).

Noch mehr Lob

Speziell aus deutscher Sicht begrüßt die DAV den Erhalt der Übergangsmaßnahmen bis 2032. „Ohne diese wären die Versicherungen gezwungen, ihre Anlagestrategie zum Nachteil von Versicherungsnehmenden und Unternehmen kurzfristig umzustellen“, erläutert Happacher. Ein dritter wichtiger Aspekt aus seiner Sicht: „Der Klimawandel wird unser Geschäftsmodell sehr stark beeinflussen. Von daher müssen die damit verbundenen Herausforderungen in der Risikobewertung der Naturgefahren frühzeitig betrachtet werden.“ Dies unterstütze der Review-Vorschlag durch entsprechende Ergänzungen in der Solvency-II-Direktive. „Damit können die notwendigen Anpassungen kontinuierlich mit Augenmaß geschehen und der Wandel in der Risikoeinschätzung basierend auf aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen berücksichtigt werden“, betont Happacher.

Das muss anders werden

Neben den zuvor beschriebenen positiven Aspekten gibt es aus Sicht der DAV aber weiterhin Nachbesserungsbedarf. Dieser betrifft vor allem die sogenannte Extrapolationsmethode für die Zinsstrukturkurve. Die EU-Kommission schlägt einen tiefgreifenden Methodenwechsel zur Prognose der langfristigen Zinsentwicklungen im Zeithorizont jenseits von 20 Jahren ab heute vor. „Die neue Berechnungsmethode hätte große Nachteile für die Kunden sowie die Unternehmen, da es dadurch zu unnötigen Instabilitäten kommen könnte und die Gefahr besteht, dass die Versicherungen kurzfristig ihre Kapitalanlagen umbauen müssten – beides zum Schaden aller Stakeholder“, führt Happacher aus. Besonders kritisch ist, dass mit der neuen Methode nicht mehr an dem Prinzip der schnellen Annäherung an die UFR festgehalten wird und dieses“ bewährte, stabilisierende Element“ damit deutlich entwertet wird.

Kritisch sieht die DAV darüber hinaus, dass „wesentliche Parameter und methodische Fragen für die Risikomodelle“ fortan nicht mehr in der Direktive selbst geregelt werden. Vielmehr soll die Kommission ermächtigt werden, Vorschriften in Delegierten Verordnungen festzulegen. „Dies schwächt bedauerlicherweise die Rechte des EU-Parlaments“, kritisiert der DAV-Mann und sieht „aus aktuarieller Perspektive“ weiterhin Nachbesserungsbedarf.

Autor: VW-Redaktion

Ein Kommentar

  • Dr. Andreas Billmeyer

    Es gibt noch diverse andere Problemfelder: Nicht angegangen wurden das Immobilienrisiko (im Markt London kalibiert, der kein Teil der EU mehr ist und pauschal zu hoch), das Massenstornorisiko (mit 40% unabhängig von anderen Faktoren massiv zu hoch angesetzt), das Staatsanleihenrisiko (zu niedrig).
    Daneben wird dem unterschiedlichen Erwartungswerte der Erträge von Aktien/Beteiligungen/Immobilien in der Zinskurve leider weiterhin überhaupt nicht Rechnung getragen, zum Beispiel über einen Aufschlag auf die Volatilitätsanpassung VA.

    Die verschärfte Stressung im Zinsrisiko lässt völlig außer Acht, dass bei negativen Zinsen die Arbitrage-Möglichkeit mittels Bargeld besteht, also ein natürlicher Floor etwa bei -0,3%, was den Kosten von Bargeldhaltug entspräche (Logistik, Versicherung…)

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