Bewährungsstrafen für Täter im ersten Cum-Ex-Strafverfahren

Bundesgerichtshof, Nordgebäude. Quelle: BGH.

Erinnern Sie sich noch an Cum-Ex? Das sind diese strafbaren Aktiengeschäfte, mit denen besonders pfiffige Finanzinstitute und -händler die Allgemeinheit um Milliarden betrügen. Jetzt wurden die ersten Urteile vom Bundesgerichtshof (BGH) gegen die Täter ausgesprochen; es sind Bewährungsstrafen.

Über einen langen Zeitraum haben mehrere Finanzinstitute mittels raffinierter Aktiengeschäfte den Staat und damit die Allgemeinheit um Milliarden betrogen. Im Wesentlichen werden bei Cum-Ex-Geschäften Aktien mit und ohne Dividendenanspruch am Dividendenstichtag so schnell verschoben, dass die Kapitalertragsteuer von den Finanzämtern doppelt oder sogar mehrfach erstattet wird. Dass dies schwerlich gesetzeskonform ist, mussten am Ende die Gerichte feststellen, das Finanzministerium hatte die Sachlage offenbar lange nicht verstanden. Aktuell hat der BGH die Urteile gegen die Täter bestätigt und damit einen Präzedenzfall geschaffen.

Die Justiz erklärt Cum-Ex

Das Landgericht Bonn hat den Angeklagten S. im Zusammenhang mit sog. Cum-Ex-Geschäften in den Jahren 2007 bis 2011 wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten D. hat es wegen mehrerer Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Bewährungsstrafe von einem Jahr verhängt. Zudem wurden bei dem Angeklagten S. „Taterträge in Höhe von 14 Millionen Euro“ sowie bei der Privatbank M.M. Warburgals der „Einziehungsbeteiligten“ in Höhe von „ca. 176 Millionen Euro“ eingezogen.

„Der Angeklagte S. und Verantwortliche des Bankhauses W., insbesondere die gesondert Verfolgten Dr. O. und Sc., verabredeten in den Jahren 2007 bis 2011, deutsche Finanzbehörden durch wahrheitswidrige Erklärungen zur Erstattung angeblich gezahlter Kapitalertragsteuer in Millionenhöhe zu veranlassen, die tatsächlich aber nicht entrichtet wurde“, heißt es im Urteil des Landgerichts.  Hierfür plante und organisierte der Angeklagte S. eine „Vielzahl vom Bankhaus W. durchgeführter Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäfte“.

Der Verlauf war folgender: Das Bankhaus W. kaufte in der Dividendensaison der Jahre 2007 bis 2011 von Leerverkäufern jeweils kurz vor dem Hauptversammlungstag Aktien mit Dividendenanspruch (sog. „Cum-Aktien“); die Leerverkäufer lieferten – wie von vornherein geplant und auch gewollt – Aktien ohne Dividendenanspruch (sog. „Ex-Aktien“) und leisteten zur Kompensation an das Bankhaus W. je eine Ausgleichszahlung (sog. Dividendenkompensationszahlung), für die ab dem Jahr 2007 Kapitalertragsteuer zu entrichten ist.

„Allen Beteiligten war als Bankkaufleuten bekannt, dass diese Steuer weder aufseiten der Leerverkäufer noch sonst einbehalten wurde. Gleichwohl stellte das Bankhaus W. sich selbst Steuerbescheinigungen zur Vorlage bei den Finanzbehörden aus, mit denen es – fälschlicherweise – den angeblichen Steuereinbehalt bestätigte“, schreiben die Richter. Unter Vorlage dieser Bescheinigungen bei den Finanzbehörden erreichten insbesondere die gesondert Verfolgten Dr. O. und Sc., „dass an die Einziehungsbeteiligte zu Unrecht insgesamt über 166 Millionen Euro ausbezahlt wurden“. Aus diesen Taterträgen erwirtschaftete die Einziehungsbeteiligte weitere 10 Millionen Euro.

In den Jahren 2009 bis 2011 war der Angeklagte S. „noch an weiteren Fällen maßgeblich beteiligt“, in denen die „umgesetzte Strategie dem Vorgehen in den Eigenhandelsfällen des Bankhauses W. entsprach“, „jedoch eigens für diesen Zweck gegründete Fonds“ die Rolle des Leerkäufers übernahmen. Nach Vorlage – inhaltlich falscher – Steuerbescheinigungen, die den angeblichen Steuereinbehalt für die durchgeführten Cum-Ex-Transaktionen bestätigten, zahlten die Finanzbehörden an die Fonds „zu Unrecht über 226 Millionen Euro“ aus. Der Angeklagte S. profitierte von den Geschäften insgesamt „in Höhe von 14 Millionen Euro“. Hingegen war der Angeklagte D. an den Profiten nicht beteiligt; ihm kamen „nur unterstützende Aufgaben“ zu.

Urteil rechtskräftig

Offensichtlich fühlten sich die Angeklagten zu hart angegangen, denn der Fall landete vor dem BGH. Dieser hat die „eingelegten Revisionen verworfen“ und nur den Schuldspruch in Bezug auf den Angeklagten D. unter Aufrechterhaltung der verhängten Strafe dahin geändert, „als dieser Angeklagte einer einheitlichen Beihilfe schuldig ist“.

Mit seiner Entscheidung hat der BGH die Auffassung der Vorinstanz bestätigt, dass die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer gegenüber den Finanzbehörden auf der Grundlage derartiger Cum-Ex-Geschäfte den „Straftatbestand der Steuerhinterziehung“ erfüllt.

An einer „vorsätzlichen Begehung“ konnte „kein Zweifel bestehen“, weil die Beteiligten um den Dividendenstichtag herum“ bewusst arbeitsteilig auf die Auszahlung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer hingewirkt haben“.

Zum Zeitpunkt der Begehung der Taten sah das Gesetz bereits in den insoweit einschlägigen Vorschriften „eine klare und eindeutige Regelung vor“, gegen die die Beteiligten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts verstoßen haben.

„Vorsätzlicher Steuerbetrug“, „Verabredung zu wahrheitswidrigen Erklärungen zur Erstattung“, die Verstöße waren „allen Beteiligten bekannt“; das Vorgehen von Bank und Händler führte zu einem Schaden im dreistelligen Mio.-Bereich. Das Urteil lautet auf eine Bewährungsstrafe von zwölf und zehn Monaten gegen die Täter. Ob und wann das Management der Bank zur Verantwortung gezogen wird, bleibt offen.

BGH-Urteil vom 28. Juli 2021 – 1 StR 519/20

Autor: Maximilian Volz