Ombudsmann sieht wenige Makler- und steigende Versichererbeschwerden
Im Jahr 2020 wurden 18.133 Beschwerden an den Ombudsmann gerichtet – 298 davon betreffen Vermittler. Die große Masse, über 17.400, waren gegen Versicherungsunternehmen gerichtet. Im fünften Jahr in Folge führt die Rechtsschutzversicherung mit gut einem Viertel aller eingereichten Beschwerden die Statistik an, so der Bericht des Versicherungsombudsmann. Vorhersehbar ist der Umstand, dass die Pandemie eine große Rolle bei den Beschwerden spielte.
Obwohl sich die Zahlen der Beschwerden insgesamt nicht wesentlich im Vergleich zu den Vorjahren verändert haben – es gab bei den zulässigen Beschwerden in Höhe von insgesamt 13.235 einen Anstieg um 1,8 Prozent gegenüber 2019 – sieht der Ombudsmann Wilhelm Schluckebier doch pandemiebedingt einige Besonderheiten.
Diese betreffen vor allem die Reiseversicherungen, die sonst keine große Rolle im Beschwerdeaufkommen spielen, 2020 allerdings mit etwa 900 Fällen einen Anstieg um rund 80 Prozent erfuhren. Dabei ging es Kunden vor allem um die Übernahme von Storno- und Beitragskosten sowie darum, dass nicht pandemiebedingte Krankheiten nicht als Rücktrittsgrund anerkannt wurden, weil sie mithilfe einer telefonischen Arztkonsultation diagnostiziert wurden. „Das Problem für den Ombudsmann bestand darin, dass wir uns nicht auf gefestigte Rechtsprechungen stützen konnten, sondern häufig die erste Institution waren, die die Bedingungswerke der Versicherer auslegen mussten“, machte Schluckebier deutlich.
In etwa der Hälfte der Fälle konnte der Ombudsmann hier erfolgreich im Sinne der Kunden vermitteln.
Rückwirkende Beitragsanpassungen
Auch bei der Kfz-Haftpflichtversicherung gab es neuartige Beschwerdeanlässe, die sich darauf bezogen, dass Pendler pandemiebedingt aufs eigene Auto umgestiegen sind, um Kontakte zu verringern. Die dadurch gestiegene Jahresfahrleistung legten einige Versicherer in rückwirkende Beitragsanpassungen und in einem Fall sogar in eine Vertragsstrafe um. Zumindest im letzten Fall, so der Ombudsmann, hat der Versicherer dann davon abgesehen. Viele Probleme machten – nicht pandemiebedingte – Sondereinstufungen durch den Rabattschutz, wenn Versicherte diesen zum nächsten Versicherer mitnehmen wollten. Schluckebiers Rat: Versicherer sollten diese Fragen in ihren Bedingungen deutlicher als bisher machen, Versicherte müssten sich allerdings ebenso Gewissheit über ihre Rechte verschaffen. Deutlich verändert hat sich nach Schluckebiers Meinung das Beschwerdeverhalten bei Restschuldversicherungen. Wie in früheren Jahren richteten sich die meisten Beschwerden zu Restschuldversicherungen gegen abgelehnte Anträge auf Leistung. „Hier war ein Anstieg der Beschwerden zu verzeichnen, in denen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit geltend gemacht wurden“, berichtet er.
Mehr Klarheit bei Dieselskandal
Im Bereich Rechtsschutzversicherungen betreffen viele Beschwerden nach wie vor den Dieselabgasskandal und hier vor allem die Frage, ab wann die dreijährige Verjährungsfrist für Schadenersatzforderungen zu laufen beginnt. Das BGH-Urteil vom Dezember 2020 hat Klarheit in diese Frage gebracht. „Danach reichte die allgemeine Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Diesel- und Abgasskandal und von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs grundsätzlich aus, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners (Herstellers) bzw. seiner verfassungsgemäßen Organe naheliegend erscheinen zu lassen. Es komme nicht darauf an, ob er daraus die zutreffenden rechtlichen Schlüsse habe ziehen können“, heißt es im Bericht es Ombudsmanns dazu. Wie sich die Rechtsprechung auf das Beschwerdeaufkommen auswirkt, machte er am Beispiel des sogenannten Kaskadenverweises deutlich. Damit sind kettenartige Verweise auf Vorschriften zu verstehen, die ihrerseits auf andere Bestimmungen weiterverweisen. Dagegen opponierte der EuGH, wohingegen der BGH zunächst eine andere Beurteilung vornahm, dann aber auf den EuGH einschwenkte. „Die sich daraus ergebenden komplizierten und umstrittenen Rechtsfragen“, so Schluckebier, „gaben immer wieder Anlass zu Beschwerden.“ Spezialisierte Anwaltskanzleien, die Mandanten auch über Internetauftritte akquirierten, hätten nicht nur Gerichte, sondern auch den Ombudsmann eingeschaltet. In einem Gesetzentwurf der Bundesregierung sei vorgesehen, künftig ganz auf Kaskadenverweise in Musterbelehrungen zu verzichten.
Vermittlerbeschwerden verschwindend gering
Eine Sonderstellung nehmen Beschwerden gegen Versicherungsvermittler ein, die allerdings zahlenmäßig bei nur 1,6 Prozent aller Beschwerden liegen. Bei Beschwerden gegen Vermittler wird der Ombudsmann auf Basis der gesetzlichen Aufgabenzuweisung tätig und nicht privatrechtlich aufgrund Freiwilligkeit, wie bei Versicherern. Mit 298 Beschwerden im Jahr 2020 war ein Anstieg um 14,2 Prozent gegenüber 2019 zu verzeichnen. 179 davon waren allerdings unzulässig, vor allem weil kein Zusammenhang zur Vertragsvermittlung zu erkennen war. In vielen dieser wenigen Fälle konnte der Ombudsmann Abhilfe schaffen oder befriedend auf die Beteiligten einwirken. Knapp 30 Prozent waren erfolgreich.
Autor: Elke Pohl