Bernardino bittet Aufsichtsbehörden und CEOs um Mithilfe bei Aufsichtsrahmen – oder droht er?

Gabriel Bernardino, Chef von Eiopa. Quelle: Eiopa.

Der Chef der europäischen Aufsicht Eiopa hat einen offenen Brief an die Chefs der Versicherer und nationalen Aufsichten geschrieben. Gabriel Bernardino bittet schriftlich umderen Mithilfe bei der Entwicklung eines einheitlichen, internationalen Aufsichtsrahmens. Das ist die eine Lesart. Die andere ist eine Warnung, dass ihm die bisherigen Anstrengungen der führenden Branchenköpfe nicht genügen. Wer an „dem Rennen nicht teilnehme“, könne „nicht gewinnen“. Praktisch im Vorbeigehen kündigt er bedeutende Änderungen am Insurance Capital Standard an.

Der Brief beginnt nett und endet deutlich. Zunächst erklärt Bernardino, dass die International Association of Insurance Supervisors (IAIS), der Zusammenschluss der Aufsichtsbehörden, hart daran gearbeitet habe, ein internationales Aufsichtsrechtgerüst für die Versicherer, Internationally Active Insurance Groups (IAIGs), zu erstellen und durchzusetzen. Das beinhalte einen quantitativen Kapitalstandard für Versicherer,

Insurance Capital Standard (ICS). Der Prozess sei ein Marathon, kein Sprint gewesen.

Dann werden einige Meilensteine des Weges genannt, beispielsweise im November 2019 die Einigung auf die ICS Version 2.0, einen gruppenweiten Standard mit global vergleichbaren, risikobasierten Maßnahmen der Kapitalausstattung für Versicherer. Der Weg werde fortgesetzt. Das Ziel sei ein aufsichtsrechtlicher Rahmen für die europäischen Versicherer, der internationalen Standards entspreche.

Eiopa wolle erreichen, dass am Ende des Prozesses ein aufsichtsrechtlicher Standard stehe, der einen „fairen Wettbewerb aller weltweit tätigen Versicherer ermögliche“ und zudem finanzielle Stabilität fördere. Das alles sei aufgrund verschiedener Bewertungsmethoden und Finanzstandards  nicht einfach, doch es gäbe einen deutlichen Fortschritt, wie die ICS Version 2.0 gezeigt habe. Die Vereinheitlichung sei nicht aufzuhalten, damit endet der erste Teil des Briefes.

Schön, dass Bernardino dafür zur Feder greift. Immer nett, wenn die Macher dem einfachen Finanz- und Journalistenvolk erklären, was sie wie und warum tun, doch es steckt mehr dahinter.

Neue Methoden und eine Warnung

Im zweiten Teil des Briefes schreibt der Portugiese Bernardino plötzlich, dass als Weg zu einem weltweiten Rahmenwerk nicht nur ICS, sondern auch andere Kapital-Kalkulations-Methodiken denkbar wären. Er nennt die Aggregate Method (AM), die aktuell von der amerikanischen Aufsicht entwickelt wird. Die amerikanische Methode könnte „genauso gut sein wie die hiesige“. Ähnliches hatte auch ein hoher Bafin-Offizieller bei einer Veranstaltung der Finanzaufsicht im Januar durchblicken lassen und über die Gespräche mit den Amerikanern berichtet.  

Die während der fünfjährigen Beobachtungszeit gesammelten Daten von AM könnten gemeinsam mit der economic impact analysis[1] „im Großen und Ganzen“ das finale Design von ICS und die fachliche Basis für die Bewertung der Vergleichbarkeit „(mit-) bestimmen oder definieren“. An dieser Stelle ist die Formulierung wohl absichtlich nicht eindeutig, im Brief heißt es, „[…] will by and large determine the final design of the ICS […].“

Bernardino sagt im Grunde nichts anderes, als dass ICS noch nicht abgeschlossen ist und die Methode der Amerikaner großen Einfluss darauf haben wird. Ist das die Ankündigung eines Methodenwechsels oder eine reine Information, das liegt an der Lesart.

„Tragt Verantwortung“

Damit die oben beschriebene Beobachtungszeit erfolgreich verläuft bittet Bernardino um die Hilfe der Versicherer und nationalen Aufsichten – oder droht er?

Die Beobachtungszeit von AM sei ein entscheidender Faktor bei der Errichtung des ICS und Versicherer auf der ganzen Welt sollten den Prozess unterstützen. „EIOPA ermutigt die Versicherer nachdrücklich, insbesondere die Europäischen, an diesem gemeinsamen Projekt teilzunehmen.“

Internationale Standards wären der beste Weg gegen Zerrissenheit und insbesondere für die Erst- und Rückversicherer relevant, die auf messbare Daten und Zahlen sowie Diversifikation „angewiesen wären“.

Es wäre hart, hier schließt sich der Kreis zum ersten Teil des Briefes, einen internationalen Aufsichtsrahmen zu kreieren, es erfordere Geduld, Einsatzbereitschaft und Leitung. Diese Eigenschaften fordere EIOPA von den Chefs der nationalen Aufsichtsbehörden und den CEOs der Versicherer, schreibt der oberste EIOPA-Mann.

„Im Rennen Richtung ICS können wir alle Gewinner sein“, endet Bernardino, aber eines sei sicher, diejenigen die nicht teilnehmen, „können das Rennen nicht gewinnen“.

War das ein Motivationszitat oder eine Warnung des obersten Aufsehers; eine Ermunterung zu mehr Einsatz oder einer Forderung nach größeren Anstrengungen, entscheiden Sie selbst.

Den kompletten Brief finden Sie HIER.


[1] Untersuchung von Effekten eines Events auf die Wirtschaft in einer bestimmten Region