Mumenthaler: „Auf wirtschaftlicher Seite hat man keine andere Wahl, als massiv zu intervenieren“

Christian Mumenthaler, CEO der Swiss Re. Quelle: Swiss Re

Die Corona-Pandemie trifft die Swiss Re derzeit besonders hart. So schrieb der Schweizer Rückversicherer im ersten Quartal einen deutlichen Verlust von 225 Mio. Euro. Konkrete Prognosen über die Schadenbelastung will Vorstandschef Christian Mumenthaler hingegen nicht abgeben.

„Wir selbst haben keine Prognose abgegeben, aber die Schätzungen, die ich kenne, gehen überwiegend von 50 bis 100 Mrd. Dollar versicherter Schäden aus – das ist eine realistische Größe“, betont er im Interview mit dem Handelsblatt. So werde es „bis zum zweiten oder dritten Quartal dauern, bis wir bessere Schätzungen haben. Wenn es aber in dem Bereich von 50 bis 100 Mrd. Dollar für die Branche bleibt, wird das ein Schaden sein, der für uns nichts Außergewöhnliches ist. Der Umgang mit Großschäden ist schließlich unser Geschäft“.

Allerdings sei der ökonomische Schaden „größer als die Marktkapitalisierung der ganzen Branche. Aus diesem Grund hat die Versicherungsindustrie immer darauf geachtet, nicht zu viel Pandemierisiko zu zeichnen, und hat entsprechende Klauseln in den Verträgen eingebracht“, betont Mumenthaler. Daher habe die Politik „keine andere Wahl, als massiv zu intervenieren. Die Krise wird 6,4 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2020 auslöschen. Bei der Spanischen Grippe 1918 lag die Schätzung bei 4,8 Prozent. Ohne Hilfe der Staaten wird es nicht funktionieren.“

Zudem wäre es nach Ansicht Mumenthalers ordnungspolitisch „wichtig, dass die Risikoeigner, also die Versicherungsnehmer, via Versicherungsprämie das Ereignis möglichst vorfinanzieren. So können auch Anreize zur Risikominderung geschaffen werden. Auch der Staat kann einen Beitrag leisten, und die Versicherungsindustrie genauso.“

„Die Lage ist unsicher. Da denkt niemand daran, ein Unternehmen zum Verkauf anzubieten. Aber es wird darauf ankommen, wie groß der finanzielle Stress in den nächsten Monaten sein wird.“

Christian Mumenthaler, Vorstandsvorsitzender der Swiss Re

Gleichzeitig warnt der Vorstandschef des Schweizer Rückversicherers vor einer möglichen zweiten Welle: „Alle Länder machen eine ähnliche Entwicklung durch: Zunächst hatten wir einen Zeitraum, als das Virus überraschend angriff – und die Länder sehr unterschiedlich schnell reagierten. Dann kam der heiße Krieg gegen das Virus, in dem wir alle abgetaucht sind. Diese Phase verlief in Europa sehr erfolgreich. Aber das Virus ist überall auf der Welt noch vorhanden. Es kann möglicherweise regional zwar verschwinden. Aber dass es global bald ausstirbt, ist sehr unwahrscheinlich.“

Völlig überraschend sei Corona aber nicht. So habe es schon immer Pandemien gegeben: „1918 die Spanische Grippe, in den 50er- und 60er-Jahren Grippe-Epidemien, dann 2003 Sars. Corona ist also ein weißer Schwan. Eine Katastrophe, von der viele wussten, dass sie passieren wird. Auch die Swiss Re hat immer wieder auf die Gefahren einer Pandemie hingewiesen. Chief Risk Officers verschiedener Rückversicherungsunternehmen – ich war einer davon – haben 2007 eine Studie zu Pandemierisiken verfasst. Es läuft Ihnen kalt den Rücken herunter, wenn Sie das lesen. Es steht alles drin, was jetzt passiert. Die Notenbanken werden reagieren, es wird in Asien passieren, und es wird sich schneller ausbreiten als die Spanische Grippe.“

Autor: VW-Redaktion

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