Talanx erreicht Gewinnziele schneller als gedacht
Talanx hat es eilig: Das für 2025 gesetzte Gewinnziel von mehr als 1,6 Mrd. Euro will Vorstandschef Torsten Leue bereits 2024 übertreffen. Im aktuellen Jahresendspurt geht der Versicherungskonzern von einem Rekordgewinn für 2023 aus. Speziell im deutschen Privat- und Firmenkundengeschäft lief es nicht ganz so rund: Der Umsatz in den ersten neun Monaten des Jahres trat gegenüber dem Vorjahresraum auf der Stelle.
Nach den Branchenschwergewichten Zurich und Allianz kann nun auch Talanx Zahlen für das dritte Quartal präsentieren: Nach den ersten neun Monaten verbucht der Versicherungskonzern aus Hannover einen Gewinn von 1,28 Milliarden Euro – das sind 38 Prozent mehr als zum 30. September 2022. Das operative Ergebnis (EBIT), also vor Abzug von Ertragssteuern und Finanzierungszinsen, legte um 23 Prozent auf 2,8 Mrd. zu nach zuvor 2,2 Mrd. Euro. Der Versicherungsumsatz legte im gleichen Zeitraum um 8 Prozent von 29,9 auf 32,3 Mrd. Euro zu, währungskursbereinigt lag das Plus bei 11 Prozent. Die Eigenkapitalrendite werde ebenfalls deutlich über der strategischen Zielsetzung von mindestens 10 Prozent liegen.
„Alle Geschäftsbereiche konnten ihre Ergebnisse steigern“, freute sich Vorstandschef Torsten Leue am Montag in Hannover und zog folglich „eine sehr erfolgreiche Bilanz“. Das Ziel, einen neuen Rekordgewinn für 2023 aufzustellen, will Leue dann auch beibehalten – wobei das nicht überrascht, denn die Gewinnprognose hatte der Talanx-Chef bereits im Oktober auf „deutlich mehr als 1,5 Mrd.“ Euro nach oben korrigiert.
Neu ist, dass der Höhenflug der Hannoveraner nachhaltiger und zügiger vonstatten zu gehen scheint als erwartet. So soll das ursprünglich erst für 2025 gesetzte Gewinnziel von mehr als 1,6 Mrd. bereits ein Jahr früher übertroffen werden: Mindestens 1,7 Mrd. peilt der im MDax gelistete Konzern 2024 an. Damit steht das Management nun vor dem Luxus-Problem, sich ein neues Gewinnziel für 2025 zu überlegen. Aber dafür bleibt noch etwas Zeit: Es soll im März nächsten Jahres ausgerufen werden.
Wie aber hat Talanx das nur gemacht? Als wichtigsten Erfolgsschlüssel benennt Torsten Leue die Erstversicherung. Diese habe „einen großen Beitrag geleistet“, jubelt der Manager, indem sie nicht nur ein starkes operatives Ergebnis abgeliefert hat, sondern auch überdurchschnittlich gewachsen sei. Tatsächlich konnte die Erstversicherung ihren Beitrag zum Konzernergebnis auf 47 nach zuvor 43 Prozent erhöhen.
Speziell im internationalen Geschäft und im Industrieversicherungsgeschäft läuft es für Talanx bestens. Im deutschen Heimatmarkt erweist sich hingegen die Lebensversicherung weiter als Sorgenkind, genauer gesagt das Einmalbeitragsgeschäft. Dieses sei im Vergleichszeitraum um 27 Prozent zurückgegangen, vor allem in der Bancassurance, wie ein Talanx-Sprecher auf Nachfrage von VWheute mitteilte.
Immerhin sorgte aber das gut geölte Schaden- und Unfallgeschäft dafür, dass der Umsatz im hiesigen Geschäftsbereich Privat- und Firmenversicherung in den ersten neun Monaten stabil blieb, mit 2,63 Mrd. nach zuvor 2,64 Mrd. Dessen ungeachtet legte das operative Ergebnis in der deutschen Privat- und Firmenversicherung stark zu und notierte zum 30. September bei 268 Mio. im Vergleich zu den 178 Mio. aus dem Vorjahr. Den Beitrag zum Konzernergebnis konnte das gleichwohl nicht beflügeln, dieser blieb im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit 158 Mio. gegenüber 159 Mio. nahezu unverändert. Grund hierfür sei eine höhere Steuerbelastung, heißt es.
Der guten Stimmung im Konzern können derlei Petitessen aber nichts anhaben. Die Industrieversicherung habe ihr „starkes Umsatz- und Ergebniswachstum“ fortgesetzt, berichtet Talanx weiter. Die Strategie, als weltweit tätiger Industrieversicherer profitables Underwriting und exzellenten Service zu bieten, „zahlt sich deutlich aus“. Der Versicherungsumsatz stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um zehn Prozent auf 6,6 (6,0) Mrd., währungskursbereinigt um zwölf Prozent.
Die gute Entwicklung im Geschäftsbereich Industrieversicherung lässt sich Talanx zufolge auf Wachstum im Sach- und Haftpflichtgeschäft zurückführen. Das versicherungstechnische Ergebnis erhöhte sich auf 481 (275) Mio. Dabei habe der Versicherer von geringer ausfallenden Frequenz- und Großschäden profitiert sowie vom Anstieg des Zinsniveaus, das zu positiven Abzinsungseffekten in den Schadenreserven führte. Die Großschäden in der Industrieversicherung sanken im Vergleich zum Vorjahr auf 267 (316) Mio. und lagen um 16 Mio. unterhalb des periodenanteiligen Budgets. Die Schaden-Kosten-Quote verbesserte sich auf 92,7 (95,4) Prozent. „Die Industrieversicherung wird damit ihren Ausblick für die Schaden-Kosten-Quote für das Gesamtjahr 2023 deutlich unterschreiten“, heißt es aus Hannover.
Die Schaden-Kosten-Quote setzt die Prämieneinnahmen und die Ausgaben für Schäden miteinander ins Verhältnis. Je niedriger der Wert, desto mehr nimmt Talanx ein, als für Schäden ausgegeben werden müssen. Interessant ist, dass Talanx im Vergleich zum Branchenprimus Allianz offenbar ziemlich glimpflich davon kam bei den Schadensummen. So begründeten die Münchner ihren geringeren Verdienst im dritten Quartal ausdrücklich damit, dass außergewöhnlich hohe Schäden durch Naturkatastrophen ins Kontor geschlagen hätten. Speziell den Alpenraum hat es schlimm erwischt, infolge diverser Überschwemmungen (VWheute berichtete).
Der größte Einzelschaden der Talanx-Gruppe war das Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar 2023 mit 329 Mio. Die Erstversicherung wies in Summe Großschäden in Höhe von 320 Mio. aus, die Rückversicherung in Höhe von 1,2 Mrd. Der größte Schäden in der Erstversicherung in Deutschland war Sturm Lambert mit rund 36 Mio. in den Geschäftsbereichen Privat- und Firmenversicherung Deutschland und Industrieversicherung, wie Talanx auf Nachfrage von VWheute verriet. Der größte Schaden der Rückversicherung in Deutschland war wiederum ein Brand in einem Metallverarbeitungsunternehmen in Baden-Württemberg im Februar 2023, der mit 14,3 Mio. zu Buche schlug. Stichwort Rückversicherung: Zum Talanx-Konzern gehört mit der Hannover Rück der weltweit drittgrößte Rückversicherer, an dem der Konzern rund die Hälfte der Aktien hält.
Global betrachtet entfielen im Geschäftsbereich Rückversicherung die größten Schäden der ersten neun Monaten mit 273 Mio. ebenfalls auf das Erdbeben in der Türkei und Syrien. Auswirkungen auf das Großschadenbudget hatten zudem die schweren Unwetter im Sommer in Norditalien (132 Mio.), die Waldbrände auf Hawaii (87 Mio.), das schwere Erdbeben in Marokko (70 Mio.), der Zyklon „Gabrielle“ in Neuseeland (66 Mio.) sowie der Hurrikan „Idalia“ in den USA (55 Mio.).
Wie auch andere große Versicherer berechnet Talanx seine Geschäftszahlen seit diesem Jahr gemäß der neuen Rechnungslegungsvorschriften IFRS 17 und IRFS 9. Entsprechend wurden die Vorjahreswerte angepasst.
Autor: Lorenz Klein