Goldener Abschied für VIG-Chefin Stadler

Elisabeth Stadler, scheidende CEO der Vienna Insurance Group. (Bildquelle: VIG)

Mehr Umsatz und mehr Gewinn: Die grassierende Inflation und der Krieg in der Ukraine haben bei der Vienna Insurance Group keine nennenswerten Spuren hinterlassen. Die scheidende Vorstandschefin Elisabeth Stadler übergibt ihrem Nachfolger Hartwig Löger ein gut bestelltes Haus.

Nach Angaben des österreichischen Versicherungskonzerns stiegen die Prämieneinnahmen um 14,1 Prozent auf 12,4 Mrd. Euro (2021: elf Mrd. Euro). Unter dem Strich stand zum Jahresende ein Gewinn nach Steuern von 466 Mio. Euro, was einem Plus von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Combined Ratio stieg nur leicht um 0,8 Prozentpunkte auf 94,9 Prozent, was der Versicherer vor allem auf eine Normalisierung der Schadensentwicklung nach den Corona- bzw. Lockdownjahren zurückführt.

„Die vorläufigen Zahlen 2022 der VIG-Gruppe zeigen ein sehr zufriedenstellendes Bild und unterstreichen unsere Wachstumsstrategie und unseren Anspruch, eine stabile und verlässliche Partnerin auch in herausfordernden Zeiten zu sein. 2022 war von zahlreichen Unsicherheiten geprägt, die uns aktuell noch beschäftigen. Allen voran der Krieg in der Ukraine, die hohe Inflation, die in vielen unserer Märkte im Vorjahr zweistellig war und zum Teil noch ist, und die Pandemie, die uns im Vorjahr noch begleitet hat.“

Elisabeth Stadler, CEO der Vienna Insurance Group (VIG)

Zudem verzeichnete die VIG in allen Sparten ein zweistelliges Prämienwachstum. Einzige Ausnahme seien das Geschäft mit den Einmalbeträgen in der Lebensversicherung (minus ein Prozent), die von der VIG nach eigener Aussage bewusst restriktiv gehandhabt worden sei. Die Kfz-Haftpflichtversicherung konnte mit 1.936 Mio. Euro um 20,1 Prozent zulegen, die Kfz-Kaskoversicherung mit 1.627 Mio. Euro um 16,1 Prozent. Auch die sonstige Sachversicherung weist mit einem Prämienvolumen von 6.112 Mio. Euro ein Plus von 16 Prozent aus, die Krankenversicherung mit 835 Mio. Euro ein Prämienplus von 12,4 Prozent. In der Lebensversicherung mit laufender Prämienzahlung legte der Versicherer um 11,1 Prozent auf 2.980 Mio. Euro zu.

Besonders stark sind die Prämien in Tschechien (plus 13,8 Prozent), Erweiterte CEE (plus 24,5 Prozent) und Spezialmärkte (plus 59,2 Prozent) gewachsen. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 65,7 Prozent der Prämien außerhalb des österreichischen Heimatmarktes erwirtschaftet. Die Aufwendungen für Versicherungsfälle abzüglich der Anteile der Rückversicherung beliefen sich 2022 auf 7.912 Mio. Euro und liegen um 10,9 Prozent über dem Wert der Vorjahresperiode. Der Anstieg resultiert Unternehmensangaben zufolge aus dem deutlich gestiegenen Geschäftsvolumen.

„Die VIG-Gruppe zeigt trotz dieses volatilen Umfeldes, wie auch schon im Jahr davor, eine hohe Resilienz. Das ist unter anderem unserer hohen Vielfalt, unserer konservativen Veranlagungs- und Rückversicherungspolitik, unserer sehr guten Kapitalausstattung, aber vor allem dem hohen Engagement unserer mittlerweile rund 29.000 Mitarbeitenden zu verdanken, die in 30 Ländern rund 28 Millionen Kundinnen und Kunden betreuen. Aufgrund der guten Ergebnisse schlägt der VIG-Vorstand den Gremien für das Geschäftsjahr 2022 eine Erhöhung der Dividende auf 1,30 Euro pro Aktie vor“, kommentiert Elisabeth Stadler, CEO der Vienna Insurance Group.

Ein schweres Erbe also, was die scheidende Chefin des Versicherungskonzerns ihrem Nachfolger hinterlässt. Zum 1. Juli übernimmt der ehemalige österreichische Finanzminister Hartwig Löger die Position des Vorstandsvorsitzenden und Generaldirektors. Von Dezember 2017 bis Juni 2019 war Löger Finanzminister der Republik Österreich unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Nach einem Misstrauensantrag hatte er kurzzeitig auch die Ämter des Bundeskanzlers bzw. des Vizekanzlers inne. Seit Juli 2019 ist Löger geschäftsführender Gesellschafter der V.I.P. Consulting Unternehmensberatung, wo er, auch im Rahmen eines Beratervertrages mit dem Wiener Städtischen Versicherungsverein, dem Haupteigentümer der Vienna Insurance Group, für die VIG-Gruppe tätig ist. Seit Januar 2021 gehört er dem VIG-Vorstand an.

Bereits im August 2022 hatte Stadler angekündigt, ihren Vertrag nach siebeneinhalb Jahren an der Spitze der VIG nicht mehr verlängern zu wollen. Die Versicherungsmanagerin studierte Versicherungsmathematik an der Technischen Universität Wien und erhielt im Mai 2014 für ihre Verdienste in der Versicherungsbranche den Professoren-Titel. Ihre berufliche Karriere begann sie 1983 bei der Bundesländer Versicherung. 2003 rückte sie in den Vorstand der Uniqa Personenversicherung AG und Call Direct Versicherung AG. Von 2005 bis 2009 gehörte Stadler dem Vorstand der Raiffeisen Versicherung AG und FinanceLife Lebensversicherung AG an. Zwischen 2008 und 2013 hatte sie den Vorstandsvorsitz der Ergo Austria International AG inne.

Ihr weiblicher Charme sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie zu den erfahrensten und auch mächtigsten Köpfen der europäischen Versicherungsbranche zählt. Im Unterschied zu manch männlichen Kollegen hat Stadler nicht durch laute und große Töne von sich Reden gemacht. Vielmehr hat sie es verstanden, sich mit Überzeugung und analytischer Stärke in einer Männerdomäne zu behaupten. Vor allem mag sie es nicht auf das Thema Frau reduziert werden. „Ich habe meine gesamte über 30-jährige berufliche Laufbahn auf Leistung gesetzt“.

Ihren eigenen Führungsstil beschreibt Stadler daher als teamorientiert, verbunden mit einer gesunden Portion Leadership. „Ich habe gern ein Team um mich, höre mir Ideen und Vorschläge an, erwarte aber auch eigenverantwortliches Handeln.“ Außerdem delegiere sie gerne. Wenn dann aber Entscheidungen getroffen wurden, erwartet sie von ihren Mitarbeitern unbedingte Akzeptanz und Umsetzungsfreude. Kompetenz – sowohl fachliche als auch soziale – Management-Skills, Leadership-Qualitäten und strukturiertes Handeln hält sie für Eigenschaften, die notwendig sind, um eine Führungsposition einzunehmen.

Für die Zeit nach ihrem Rückzug vom Chefsessel dürfte sie jedenfalls genügend Zeit für ihre weiteren Vorlieben haben: „Ich bin sehr kulturbegeistert und liebe klassische Musik und Gesang. Gerade in Wien fällt mir die Auswahl manchmal schon schwer.“ Bereuen dürfte sie aller Voraussicht nach nur wenig: „Ich habe mein ganzes Berufsleben dieser Branche gewidmet und keinen Tag davon bereut.“ Der VIG soll sie dennoch – in anderer Funktion – erhalten bleiben.

Autor: VW-Redaktion

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