Montagskolumne: Renate Wagner fordert Lernbereitschaft, Anpassungsbereitschaft und (De-)Mut von Vorständen und Mitarbeitern
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Renate Wagner, Allianz-Vorständin. Quelle: Allianz - von Redaktion bearbeitet.

(Auch) ein Vorstand muss Schüler und Lehrer sein – lebenslange Lernbereitschaft inklusive. Der Lernansatz in den Unternehmen muss sich grundlegend ändern, weiß die Allianz-Managerin Renate Wagner. Wichtig ist ihr besonders ein neues Führungsverständnis und Mut. Es muss möglich sein einen Fehler einzugestehen ohne dabei direkt den „Kopf hinhalten zu müssen“.

“Leadership and learning are indispensable to each other”: Ich teile John F. Kennedys Überzeugung, dass Führung und Lernen Hand in Hand gehen. Das gilt für den Einzelnen und für Unternehmen gleichermaßen. Erfolgreiche Unternehmen sind lernende Unternehmen. Nie traf das mehr zu als heute. Wir erleben aktuell die folgenden Megatrends, die das noch weiter verstärken.

Der demografische Trend in der industrialisierten Welt heißt, dass wir auch ältere Generationen im Unternehmen für Wandel und Innovation gewinnen müssen. Das geht nur in Organisationen, die lebenslanges Lernen für alle etablieren und in der Lage sind, die Gesamtheit der eigenen Leute weiterzuentwickeln, um die Potenziale aller Mitarbeitenden freizusetzen – ob jung oder alt.

Schon vor der Pandemie veränderte sich der Arbeitsplatz schnell und radikal. COVID-19 hat uns jetzt einige Jahre in die Zukunft katapultiert. Flexibilität in Bezug auf Arbeiten, die Mischung aus mobilem Arbeiten und Büropräsenz, die virtuelle Zusammenarbeit, eine agile Arbeitsweise – all das ist zur neuen Norm geworden. Die hybriden Arbeitsmodelle erfordern eine neue Führungs- und Arbeitskultur – auch das will gelernt werden.

Neue Rollen

Auch die fortschreitende Digitalisierung definiert Aufgaben und Rollen neu. Wir müssen lernen, neue Technologien optimal einzusetzen, für unseren eigenen Nutzen, für den Nutzen unserer Kundinnen und Kunden und für den Erfolg unseres Unternehmens. Die neue digitale Welt ist aber nicht nur etwas für „Digital Natives“. In einer vernetzten und komplexen Welt gewinnen auch Soft Skills wie Kommunikation und Empathie an Bedeutung. Die Bereitschaft zum gemeinsamen Lernen, zum Austausch von Erfahrung und Fähigkeiten über alle Altersgruppen hinweg, ist wichtig für die Vielfalt und den Zusammenhalt der Generationen. 

Unsere heutige Welt verändert sich permanent und mit hoher Geschwindigkeit. Das bedeutet kontinuierliche Transformation in Geschäftsmodellen und Unternehmen. Expertise wird schnell obsolet, und wir müssen mit einem angemessenen, zielführenden Lernangebot dagegen steuern. Permanente Transformation bedeutet aber zwangsläufig auch mehr Experimentieren, Neues wagen. Wir brauchen daher ein Führungsverständnis, das einerseits Freiräume schafft für Lernen und andererseits eine engagierte Risikokultur vorlebt, bei der man auch mal sagen darf: „Ich habe es vermasselt“, ohne den Kopf dafür hinhalten zu müssen.

Wegen dieser Megatrends ist lebenslanges Lernen für Unternehmen von strategischer Bedeutung geworden. Aber wie nimmt man als Führungskraft Mitarbeitende mit unterschiedlichen Ausgangslagen, Lernbedürfnissen und Präferenzen allesamt auf eine lebenslange Lernreise mit?

Der Lernansatz muss sich grundlegend ändern. Heute wollen Menschen Lernangebote, die für jeden und jederzeit zugänglich sind. Sie wollen Flexibilität, Abwechslung zwischen Online- und Präsenzkursen; wollen soziales, interaktives Lernen; und Peer-to-Peer Lernen, Mentoring und Reverse-Mentoring. Unsere Belegschaft erwartet außerdem, dass die Lerninhalte einen Bezug zum Unternehmen haben. Also haben wir neben externen Lerninhalten alle Lernangebote der Allianz in einer intelligenten Plattform gebündelt und unseren Mitarbeitenden in 27 Sprachen zur Verfügung gestellt. Die Plattform personalisiert den Lernplan durch Künstliche Intelligenz, sodass jeder die eigenen Karriereziele und den Bedarf des Unternehmens in Einklang bringen kann.

Aber auch das reicht nicht. Die Mitarbeiter:innen erwarten auf ihrer Lernreise von uns Unterstützung auch in Form von Orientierung und Begleitung.

Zu einer lernenden Organisation gehört eben auch, dass sich die Führungskraft selbst zum lebenslangen Lernen bekennt und sich als Coach, Sparringpartner, Enabler für die eigenen Teammitglieder versteht. Also galt unser Augenmerk zunächst den Führungskräften, und wir haben ein umfassendes und verpflichtendes Leadership-Programm für unsere Manager entwickelt, das einen wichtigen Bestandteil ihrer Aufgabe als „people leader“ darstellt.

Die Allianz muss die Bedürfnisse einer Belegschaft erfüllen, die sich aus fünf verschiedenen Generationen in 70 Ländern zusammensetzt. Um das Zusammenspiel und die Gesamtleistung von Menschen mit sehr unterschiedlichen Ausgangslagen zu fördern, vereinen wir Menschen in unserer gesamten Organisation in einem gemeinsamen Ziel und einer Lernkultur, in der jeder, inklusive unsere Führungskräfte, sowohl Schüler als auch Lehrer ist.

AutorinRenate Wagner ist Vorstand der Allianz SE. Die Mathematikerin ist zuständig für Human Resources, Legal, Compliance, Mergers & Acquisitions. Bei VWheute schreibt sie über alle Themen, die sie bewegen.