Montagskolumne mit Stefan Knoll: „Schwarz, Rot, Gold“ – Über den Unterschied zwischen Symbolpolitik und konkretem Handeln Top-Entscheider exklusiv
Die Fußball-Europameisterschaft ist für Deutschland vorbei und der deutsche Rumpelfußball hat damit hoffentlich auch in Zukunft ausgedient. Eigentlich ist das Ergebnis aus deutscher Sicht geradezu symptomatisch, wenn man es in ein Verhältnis zu den vorher formulierten Ansprüchen setzt. So sind unsere nationalen Ansprüche wie immer hoch, doch ist das tatsächliche Ergebnis dann überschaubar und weder absolut noch relativ eine Spitzenleistung. Wer das auf den Staat insgesamt bezieht und deshalb die Differenz von Anspruch und Wirklichkeit kritisiert, der wird schnell darauf verwiesen, dass es Länder gibt, die sich in einem noch schlechteren Zustand befinden als wir, weshalb alles bei uns eigentlich gut ist. Und so zehren wir die Leistungen der Vergangenheit immer weiter auf, bei gleichzeitigem Unterlassen, die Speicher wieder aufzufüllen und darüber hinaus Reserven zu bilden.
Nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich 1870/71 hat Friedrich Engels prognostiziert, dass es einer preußisch/deutschen Armee nie wieder gelingen wird, die Vorteile der einheitlichen Führungsorganisation, des Gehorsams der Unterfeldherren, in einem neuen Krieg gegenüber dem Gegner in die Waagschale zu werfen, weil die preußische Organisationsstruktur, ob ihres Erfolges, den Franzosen als Vorbild gilt. Und tatsächlich waren die Franzosen im Ersten Weltkrieg ein quantitativ und qualitativ völlig anderer Gegner. Wie dieser Krieg ausgegangen ist, ist allgemein bekannt.
Was hat das mit Fußball zu tun? Nun, das Gewinnen der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 war eine Momentaufnahme, wie jeder überragende Erfolg eine solche ist. Erfolge sind nichts Anderes als Bilanzen, deren Ergebnis sich auf die Vergangenheit bezieht, weshalb sie sich nicht für Prognosen eignen. Und so wird der, der siegen will, sofort zum Getriebenen, wenn er obsiegt hat. Wer mit dieser Absicht den Schwarm der Gleichförmigkeit verlässt, wird im Erfolgsfall unmittelbar zum Gejagten, weil die Momentaufnahme des Erfolges die Konkurrenten veranlasst, genau hinzusehen, um aus der Methode des Siegers zu lernen. Deshalb wird nichts schneller kopiert als die Bewährung einer Methode, eines Planes oder einer Idee. Wir können als Deutsche Familienversicherung ein Lied davon singen. Aus dem alleinigen Testsieger in der Zahnzusatzversicherung, der wir vor sechs Jahren waren, ist nun eine Gruppe von Testsiegern geworden und die Ähnlichkeit der anderen Testsieger zu unserem Produkt ist schon erstaunlich.
Deshalb muss mit überragenden Erfolgen immer auch unmittelbar der Umbau und ein quasi Neuanfang erfolgen, um mit einem neuen Erfolg eine neue Bilanz erstellen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland war seit der Gründung ein unglaublich erfolgreiches Land. Wie wir den Wiederaufbau und die Wiedervereinigung geschafft und organisiert haben ist beispiellos. Kein anderes Land hat, insbesondere bezogen auf die Ausgangssituation, eine solche Erfolgsbilanz. Auch wenn die Gefahr gering ist, dass die Mehrheit der anderen europäischen Länder aus eigener Kraft in der Lage sein werden, uns zu überholen, so besteht doch die Gefahr, dass sie uns einholen, weil wir uns dem Stillstand, dem Verwalten mehr verschrieben haben, als der Zukunftsgestaltung.
Unsere Verwaltung gilt als gut, aber sie ist auch zu einem Krebsgeschwür der Bürokratie mutiert. Und so wird der Staat immer übergriffiger und seine Exekutiven quantitativ immer größer. Dabei ist die Bürokratie nicht nur die schlimmste aller Formen der Diktatur, wie Hannah Arendt einmal sagte, sie ist auch ein untrügliches Zeichen für gesellschaftlichen Stillstand. Tatsächlich erlaubt eine dynamische Gesellschaft es dem Staat, mit der Entwicklung erst gar nicht Schritt zu halten. Heute besteht die einzige staatliche Dynamik in neuen Gesetzen und einer Exekutiven, die völlig unkontrolliert faktische Regeln durch Merkblätter und verschriftlichte Meinungen aufstellt und so jede nicht staatliche Dynamik einhegt. Bürokratie als staatliche Ventillösung zur Kompensation eines untergegangenen politischen und gesellschaftlichen Gestaltungswillens. Dies übrigens auf nationaler Ebene ebenso wie auf europäischer.
Statt diesen Stillstand mutig und kraftvoll zu überwinden, hat auch die Gesellschaft eine Ventillösung gefunden. In einem ersten Schritt vergleichen wir uns mit den anderen, um dann zu konstatieren, dass es uns ja immer noch bessergeht. Auf der Basis dieser Beruhigung fühlen wir uns dann verpflichtet, uns mit den öffentlich kolportierten Gefühlswelten auseinandersetzen zu müssen. Und wieder bin ich beim Fußball, wo eine ganze Nation über die Regenbogenfarben diskutiert hat. Um es schon an dieser Stelle deutlich zu sagen, mir ist die sexuelle Orientierung Anderer ebenso egal wie deren Hautfarbe und deren politische Auffassung, solange letzteres mit den Werten des Grundgesetzes übereinstimmt. Ja, ich werte die Unterstellung, es könnte dort, wo ich Einfluss habe, anders sein, als Beleidigung meiner Person. Dennoch ist die Regenbogenfahne nicht meine Fahne.
Meine Fahnen sind die deutsche Nationalflagge „Schwarz-Rot-Gold“ und die blaue Fahne Europas mit den goldenen Sternen. Schwarz-Rot-Gold steht für Einigkeit und Recht und Freiheit und hat ihren farblichen Ursprung im Kampf um die Befreiung aus der napoleonischen Okkupation, denn die Lützower Jäger trugen schwarze Uniformen mit roten Paspelierungen und goldenen Knöpfen. Nur wer das, was unsere Fahne symbolisiert, als gesellschaftlichen Konsens akzeptiert, hat einen Platz in unserem Land. Und die Prinzipien Einigkeit und Recht und Freiheit waren auch die Geschäftsgrundlage für die europäische Vereinigung. Deshalb müssen diese Prinzipien durchgesetzt werden. Nicht durch unwirksame Symbolpolitik, sondern durch konkretes Handeln. Dabei haben wir uns an unserer Fahne der Freiheit zu orientieren, die Andersdenkende und Andersseiende ebenso einschließt wie das Recht, sich auch unternehmerisch frei zu entfalten. Deshalb müssen wir die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar zuschauertechnisch boykottieren. Ich werde mir von der WM in Katar kein Spiel ansehen, auch keines der deutschen Nationalmannschaft. Die Sponsoren derartiger Ereignisse müssen lernen, dass sie sich in Widerspruch zu unseren Prinzipien und damit ins Unrecht setzen, wenn sie das Legen von Sportereignissen in autokratisch geführte Länder finanziell unterstützen. Andernfalls lähmt die Verlogenheit unserer Gesellschaft im Ergebnis auch staatliches Handeln im Sinne der Freiheit und Toleranz unserer Fahnen.
Zum Autor: Stefan M. Knoll ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Familienversicherung. Er ist u.a. für den Digitalisierungsprozess des Unternehmens verantwortlich und hat das Unternehmen an die Börse geführt. Er blickt auf eine jahrzehntelange Karriere als Unternehmer zurück.