Versicherer alarmiert: Paderborner Krankenhaus muss wegen Behandlungsfehler 1,2 Mio. Euro zahlen

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Elf Jahre Prozess haben ein Ende gefunden. Das Paderborner St. Vincenz-Krankenhaus muss der Familie eines Mädchens wegen „grober Behandlungsfehler“ 1,2 Mio. Euro Schadenersatz zahlen. Über den Fehler hinaus rügten die Richter das Vorgehen des Hauses während des Prozesses. Die steigenden Zahlungen in solchen Fällen ist eine Entwicklung mit Auswirkungen auf die Versicherer.

Es ist ein weiteres Urteil, in dem die zugesprochene Summe für deutsche Verhältnisse hoch ausfällt. Im Juni 2019 wurde der Familie eines jungen Mannes nach einem Operationsfehler 800.000 Euro zugesprochen. Das Uniklinikum Gießen musste für den Fehler bezahlen, der den Mann zum Pflegefall machte. Offenbar waren am Beatmungsgerät Schläuche falsch eingesteckt worden, woraufhin es zu einer Sauerstoffunterversorgung kam.

Im Fall in Paderborn entdeckten die Ärzte bei dem Mädchen nach der Geburt eine Verengung der Aorta, die sie aber nicht so behandelten, „wie es erforderlich gewesen wäre“. Das Gehirn wurde nicht ausreichend durchblutet, das Kind ist seit zwölf Jahren körperlich und geistig „schwerstbehindert“. Die Richter setzten die Schadensersatzsumme mit 1,2 Millionen Euro an und gingen über die Forderung der Kläger hinaus, berichtet radiohochstift. Der Grund sollte dem Klinikum zu denken geben: „Seit zwei Jahren sei klar gewesen, dass die Klinik für den Behandlungsfehler irgendwann zahlen müsse. Trotzdem habe sie seitdem jegliche Abschlagszahlung an die Familie verweigert“.

Die „Bild“ zitiert den Anwalt der Familie mit den Worten: „Was da juristisch ablief, ist ein Skandal“. Das Verfahren wurde „verschleppt“ und „selbst die Behinderung des Mädchens angezweifelt“, erklärt der Anwalt Nikolaos Penteridis.

Die Versicherer müssen mehr bezahlen

Das Urteil ist ein weiterer Schritt in der Entwicklung zu höheren Schmerzensgeldern. “Es war höchste Zeit und ist ein deutliches Signal an die Versicherer, dass die Summen nach solchen Behandlungsfehlern nach oben angepasst werden“, erklärte der Anwalt Burkhard Kirchhoff, der im Prozess gegen das Uniklinikum Gießen verantwortlich war. Die Zahlungen seien lange zu niedrig gewesen.

Auch die Versicherer haben die Änderung bemerkt. „Die Schmerzensgelder sind in der Spitze deutlich gestiegen“, erklärt Sven Waldschmid, Vorstand der Alte Leipziger im Interview mit VWheute. Doch das ist nicht alles, neben Behandlungsfehlern hätten in den letzten Jahren Vorwürfe wegen Aufklärungspflichtverletzungen „erheblich zugenommen“. Darüber hinaus wären neue Behandlungsformen bzw. -methoden für steigende Aufwendungen verantwortlich.

Steigen die Schadensummen, werden in der Folge die Beiträge für die Versicherungen angehoben. Die höheren Beiträge werden die Kliniken und Ärzte wohl aber nicht ohne weiteres akzeptieren, was wiederum die privaten und gesetzlichen Kassen wie deren Kunden in die Änderungen rund um das Schmerzensgeld involviert. Wie sich der Markt künftig entwickelt, wird spannend zu beobachten sein.

Haftet der Arzt bei entgangener Lebenszeit?

Aktuell hatte das OLG Frankfurt (Urteil vom 22.12.2020 – Az.: 8 U 142/18) über das Schmerzensgeld zu entscheiden, das den Erben einer Patientin gegen einen Arzt zustand. Ein Befunderhebungsfehler hatte dazu geführt, dass eine Krebsdiagnose um einen Monat verzögert wurde, was (vermutlich) zu einer Verkürzung des Lebens führte. Wie dieser Fall ausging, können Sie auf unserer Partnerwebsite VersR nachlesen.

Autor: VW-Redaktion