Montagskolumne mit Debeka-Vorständin Biederbick: Was der Film Robot & Frank über die Pflegewelt aussagt
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Annabritta Biederbick, Mitglied der Vorstände der Debeka. Quelle: Debeka - von der Reaktion bearbeitet

Ich bin programmiert, Ihre Gesundheit zu verbessern.“ „Ich sterbe lieber an Cheeseburgern, als von gedünstetem Kohl zu leben.“ Diesen Dialog führen Robot & Frank im gleichnamigen Film. Frank, der früher ein bekannter Juwelendieb und Fassadenkletterer war, ist nun ein alter Mann und zu einem schusseligen Eigenbrötler geworden. Franks Kinder glauben, dass ihr Vater sein Leben nicht mehr allein bewältigen kann, und suchen nach einer Alternative zu einem Pflegeheim. Eines Tages bringt deshalb sein Sohn den Pflegeroboter VGC-60L mit, was Franks Alltag vollkommen durcheinanderbringt und dann sein ganzes Leben verändert.

Seit 25 Jahren haben wir in Deutschland die Pflegeversicherung. Seither wird debattiert und argumentiert, über die Arbeitsbedingungen, Bürokratieabbau, den Fachkräftemangel, die Gehälter in den Pflegeberufen, und auch darüber, dass pflegende Angehörige mehr Unterstützung und Wertschätzung erfahren sollten. Müsste, sollte … passiert ist viel zu wenig. Wie wichtig die Debatte um die Pflege bis heute geblieben ist, mussten wir in den Corona-Wintermonaten feststellen, als auf den Intensivstationen zwar noch genug freie Betten, aber keine Krankenschwestern und Pfleger mehr waren.

Der Bedarf ist gewaltig, das Ziel ist groß. Jetzt gibt es einen neuen Anlauf, in Gestalt der geplanten Pflegereform. Leider wird ein wichtiger Teil der Gesellschaft in dem vorliegenden Arbeitsentwurf zu wenig berücksichtigt: Die Enkel- und Urenkel der heute pflegebedürftigen Menschen.

Im Großen geht es um Milliarden von Euro. Das Ministerium rechnet für die Deckelung der Eigenanteile bei stationärer Pflege, die Pflege zu Hause und eine bessere Bezahlung der Pfleger mit über fünf Mrd. Euro Mehrkosten pro Jahr, die es aus Steuermitteln finanzieren will. Klingt nach viel Geld, wird allerdings nach den Berechnungen der PKV dennoch nicht reichen, um das Vorhaben nachhaltig und generationengerecht zu finanzieren. Beim Thema Gerechtigkeit gibt es im Übrigen gleich zwei ungerechte Punkte: Erstens geht die Ausweitung der Steuerfinanzierung ganz klar zulasten der nachfolgenden Generation und zweitens kommt der Steuerzuschuss nur den Pflegekassen der gesetzlichen Krankenversicherung zugute, während die Privatversicherten leer ausgehen. Auch hier besteht dringend Änderungsbedarf.

Und wie sieht es im konkreten Einzelfall aus? Zum Pflegefall zu werden, ist heute schon teuer: Der selbst zu zahlende Anteil für die Pflegeleistung allein liegt derzeit im Schnitt bei 858 Euro im Monat. Rechnet man aber die typischen Kosten für Unterkunft und Verpflegung in einem Heim dazu, landet man laut Ärztezeitung schon bei über 2.000 Euro im Monat – durchschnittlich, wohlgemerkt, für viele wird es also noch teurer werden. Anders als die Krankenversicherung trägt die Pflegeversicherung nur einen Teil dieser Kosten. Da braucht es nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass mit der Zeit auch private Er­sparnisse aufgezehrt werden, wenn nicht zusätzlich vorgesorgt wird.

Es geht aber auch anders. Zur Lösung dieses Problems schlägt der PKV-Verband einen Generationenvertrag für die Pflege vor. Der Grundgedanke: die private Vorsorge wird in allen Altersstufen gleichzeitig verankert. Die Jüngeren werden beim Aufbau ihrer eigenen Vorsor­ge von Anfang an unterstützt. Über die Rücklagen werden die Eigenanteile der Älteren dann abgefedert.

Wie lässt sich so etwas verwirklichen? Zum Beispiel über eine steuer- und abgabenfreie betriebliche Pflegeversicherung. Über sie könnten sich ganze Belegschaften gegen das Pflegerisiko absichern. Auch eine Pflegezusatzversicherung könnte steuerlich begünstigt werden. Alternativ können nicht steuerpflichtige Personen direkte Zuschüsse erhalten. Entscheidend ist die schiere Größe einer solchen Vorsorgelösung. Ihre Rücklagen wären kapitalbildend. Daraus können Erträge erwirtschaftet werden, die dann zu einer besseren Bezahlung der Pflegekräfte verwendet werden.

Noch haben wir Zeit, die Pflege der Zukunft auf ein neues, besseres Fundament zu stellen. Das muss die Bundesregierung dann aber auch wirklich tun. Steuermittel in Form von Anreizen zur Finanzierung zukünftiger Pflegeleistungen einzusetzen, macht das System für die Zukunft stabiler und setzt ein Signal an die gesamte Gesellschaft, das Thema nachhaltig anzugehen. Mehr Steuermittel für heutige Pflegeleistungen auszugeben, macht das Thema Pflege zu einer Bürde für die nachfolgenden Generationen. Der Arbeitsentwurf ist daher nur halbherzig.

Neue Wege gehen: Was das heute schon bedeutet, können wir in der überalterten japa­nischen Gesellschaft sehen. Seit einigen Jahren wird dort der Pflegeroboter „Pepper“ eingesetzt, der weltweit erste soziale humanoide (menschenähnliche) Roboter für Spiele, Übungsprogramme und einfache Unterhaltungen. Er soll das Pflegepersonal entlasten. Pepper „funktioniert“ besser als gedacht, denn für viele Heimbewohner ist er der einzige Ansprechpartner, der wirklich auch den ganzen Tag lang für sie Zeit hat.

Und das ist erst der Anfang. Der Autohersteller Toyota entwickelt ebenfalls „Multitasking-Roboter“. Solche Human Support Robots sollen Menschen mit Mobilitätseinschränkungen im Alltag ein selbstbestimmteres Leben ermöglichen.

Frank, den Fassadenkletterer, hätte das bestimmt auf neue Gedanken gebracht.

Zur Autorin: Annabritta Biederbick ist Mitglied der Vorstände der Debeka. Sie ist u.a. zuständig für Krankenversicherung, Risikomanagement und Compliance. Sie besitzt jahrzehntelange Erfahrung in der Branche.

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