EY-Manager Thomas Korte: „Als größte Gefahr sehe ich das schwankende Image der Versicherer“

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Die Untersuchung zu den Coronafolgen in der Versicherungswirtschaft von  V.E.R.S. Leipzig und dem Beratungshaus EY legt den Finger in die Wunde. Abseits der Hauptaussage, dass 20 von 30 Versicherern wegen Corona Imageschäden befürchten, gab es noch viele andere Aspekte, über die es sich mit Thomas Korte, Lead Partner und Leiter Sektor Versicherungen EY, zu sprechen lohnt.

VWheute: In Ihrer Studie finden sich viele interessante Zahlen, was ist für sie die bedeutendste Entwicklung?

Thomas Korte: Für mich ist eine beeindruckende Erkenntnis aus der Studie, dass sich viele der anfänglichen Sorgen der Versicherungswirtschaft um die Auswirkungen der Corona-Krise gelegt zu haben scheinen. Mittlerweile 90 Prozent der Versicherer sehen die Pandemie auch als Chance, Anfang April waren es ‚nur‘ 62 Prozent. Das belegt für mich, dass sich die Versicherungsbranche nach anfänglicher Unsicherheit mittlerweile gut auf die Veränderungen durch die Corona-Pandemie einstellen konnten und auch für eine etwaige zweite Welle gut gerüstet sind. Versicherer sind und bleiben krisenfeste Partner.

VWheute: Woher kommt der Optimismus der Branche?

Thomas Korte: Die oftmals als konservativ verschriene Versicherungsbranche hat die Corona-Krise genutzt, um Arbeitsabläufe neu zu strukturieren und zu digitalisieren. Auch der Übergang ins Homeoffice ist erstaunlich reibungslos gelaufen. Im Neugeschäft hat die Branche festgestellt, dass die Vermittler durchaus in der Lage waren, ihre Kunden digital zu erreichen. Das Schadenmanagement hat unter der Remote-Arbeit kaum bis gar nicht gelitten, es gibt sogar Versicherer, die während der Corona-Krise an Effizienz in der Schadenbearbeitung gewonnen haben. Diesen Weg der Neustrukturierung und Digitalisierung muss die Branche nun konsequent weiterverfolgen.

VWheute: „In Zukunft werden sich die Unternehmen mit den besten digitalen Lösungen entlang der Wertschöpfungskette durchsetzen“, heißt es in der Untersuchung, nicht eher die mit dem besten Vertrieb?

Thomas Korte: Der Vertrieb ist natürlich ein wesentlicher Bestandteil der Wertschöpfungskette einer Versicherung. Aber er ist nur ein Bestandteil von vielen. Meiner Ansicht nach werden die Versicherer am erfolgreichsten sein, die ihre gesamte Wertschöpfungskette optimal auf die Kundenbedürfnisse und die Schnittstellen zum Kunden ausrichten. Das betrifft z.B. auch die Servicequote und die Kundenorientierung in der Leistungs- und Schadenbearbeitung. Ein Kunde einer Versicherung ist dabei nicht nur der Versicherungsnehmer, sondern auch der Vermittler, Maklerpools, Vergleichsplattformen etc.

VWheute: Nicht mal eine Pandemie kann das Wachstum stoppen, ist die Versicherungswelt unzerstörbar oder wo drohen Gefahren?

Thomas Korte: Auch wenn die Corona-Krise in Teilen dafür gesorgt hat, dass viele Menschen ihr eigenes Versicherungsportfolio analysiert und aufgeräumt haben, sorgen Krisen und unsichere Zeiten auch immer für eine gesteigerte Sensibilität der Menschen für das Thema Absicherung und Vorsorge. Aus den Erfahrungen der Krise heraus erwarten die Versicherer speziell in der Betriebsschließungs- und 

Veranstaltungsausfallversicherung, sowie in der Rechtsschutz- und Reiserücktrittsversicherung wachsen des Neugeschäft. Zudem auch in den Bereichen Krankenzusatzversicherung, Risikolebensversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Neugeschäftsentwicklungen in der KFZ-Versicherung, Unfallversicherung und auch den Altersvorsorge-Produkte werden von der Branche hingegen negativ eingeschätzt. In Summe wird die Versicherungswirtschaft aber weiterhin signifikantes Neugeschäft zeichnen.

Als größte Gefahr für die Branche sehe ich hingegen das schwankende Image der Versicherer, besonders rund um die aktuellen Konflikte rund um die Schadenregulierung in der Betriebsschließungsversicherung. Öffentlichkeitswirksame Gerichtsverfahren und ein Beharren der Versicherungsunternehmen auf den Vertrag und das dazugehörige Bedingungswerk wird in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zu einem positiven Image verhelfen.

VWheute: Was prognostizieren Sie für die Zukunft des deutschen Versicherungsmarktes, wohin geht die Entwicklung?

Thomas Korte: Die Versicherungswirtschaft ist und bleibt eine zentrale Säule der deutschen Wirtschaft und behält ihre wichtige Rolle in der Risikoabsicherung und Vorsorge für jeden einzelnen Versicherungsnehmer. Durch die aktuelle Pandemie, aber auch die gestiegenen regulatorischen Anforderungen und das anhaltende Niedrigzinsniveau steht die Branche aber zweifelsohne vor den größten Herausforderungen ihrer Geschichte. Ich bin jedoch optimistisch, dass die Versicherungsbranche diese meistern wird und bestenfalls sogar als Chance für positive Veränderungen nutzen wird.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

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