Athora-Chef Thimann: „Wir suchen nach langfristigem Garantiegeschäft“

Christian Thinann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Athora Deutschland Holding. Quelle: Athora.

„Die Lage der Lebensversicherer ist schwieriger geworden“, glaubt Christian Thimann. Allerdings sieht der Deutschlandchef von Athora noch „keine Panikverkäufe von Beständen, auch weil die Lebensversicherer die Situation kennen und Bewertungsreserven besitzen“. Im Gespräch mit der Versicherungswirtschaft spricht er über die Kriterien für einen Run-off und die Fantasie im Umgang mit Beständen.

VWheute: Wie ist die Lage der Runoff-Unternehmen am Markt?

Christian Thimann: Wir sind mit unserer Position und Aussicht zufrieden. Im April hat Athora die Übernahme des zweitgrößten niederländischen Lebensversicherers Vivat abgeschlossen. Zudem haben sich interne Anstrengungen wie eine Kostenreduktion ausgezahlt sowohl für uns wie auch für die Kunden. Wir sind das einzige deutsche Lebensversicherungsunternehmen, das im letzten Jahr seine Überschüsse für die Kunden erhöht hat.

VWheute: Auf welche Kriterien achten Sie beim Kauf von Beständen?

Christian Thimann: Erst einmal auf die Größe. Für uns ist ein Kauf nur ab einem bestimmten Umfang sinnvoll. Kleine Bestände sind weniger interessant, da die Fixkosten wie Berechnungen, Aufsicht und Aktuarkosten gleich bleiben. Darüber hinaus suchen wir nach langfristigem Garantiegeschäft. Dort sehen wir auch den größten Bedarf bei den Verkäufern und können bei gutem Management die geringste Stornoquote und das größte Kapitalvolumen erzielen. Das ermöglicht uns wiederum, anders am Kapitalmarkt zu agieren.

VWheute: Warum sind für Sie Bestände wertvoll, die für andere Unternehmen Gift sind – geht es um IT oder sind Sie der bessere Assetmanager?

Christian Thimann: Es geht nicht vordringlich um die IT. Die Grundvoraussetzungen sind Risikoaffinität, Zugang zu den Assets und das nötige Kapital. Es ist nicht mehr ausreichend, Staats- oder namhafte Unternehmensanleihen zu kaufen. Manche Versicherer haben weder den Zugang zu den Märkten, die die notwendigen Assets offerieren, noch das nötige Kapital. Einige große und international agierende Versicherer sind seit Jahren dort unterwegs, doch für den Mittelbau des deutschen Lebensversicherungsmarktes trifft das nicht zu. Doch es gibt auch andere Gründe, warum Versicherer manche Bestände abtreten und sich auf weniger Geschäftsfelder konzentrieren wollen.

VWheute: Jetzt bin ich neugierig.

Christian Thimann: Ein Trend der letzten zwanzig Jahre hat ausgedient. Konglomerate haben nicht mehr denselben Status wie früher, das gilt auch für viele namhafte Versicherer. Die Kapitalmärkte waren jahrzehntelang auf Größe ausgerichtet, aktuell heißen die Schlagworte „Kerngeschäft“ und „Fokussierung“. Heute muss wieder Fantasie verkauft werden. Das geht über Konzentration und Ideen, nicht über Größe. Hinzu kommen die unterschiedlichen Regulierungen in verschiedenen Ländern in Verbindung mit dem hohen Risikokapitalbedarf sowie Probleme in der Realwirtschaft und Niedrigzinsen.

VWheute: Wie wirkt sich Corona auf den regulären Versicherungsmarkt aus und werden manche Versicherer die Krise als Vorwand nehmen, um sich von ihren Beständen zu trennen?

Christian Thimann: Die Versicherer mussten zu Beginn der Krise ihre Mitarbeiter schützen, den Vertrieb umbauen und die Digitalisierung vorantreiben. Damit waren sie gut beschäftigt. Nun rückt die Kapitalanlage verstärkt in den Blick. Die SFCR-Berichte zeigten bereits Ende 2019 eine Verschlechterung bei einigen Unternehmen, was die Solvenzbedeckung betrifft.

In der Corona-Krise bis Ende März ist Schätzungen zufolge die Solvenzbedeckung noch einmal um 100 Prozentpunkte gefallen. Das liegt daran, dass die bisherigen Asset-Rettungsanker wie Immobilien und Aktien nicht mehr wie vor Covid-19 funktionieren. Für die Versicherer ist die Lage insgesamt unübersichtlicher und schwieriger geworden, wovon der Bestandsversicherungsmarkt mittelfristig profitieren wird.

VWheute: Welche Entwicklung auf dem LV-Markt sehen Sie in den nächsten fünf Jahren?

Christian Thimann: Die Niedrigzinsphase wird noch viel länger dauern als bisher gedacht. Länder wie Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und Frankreich sind bei der Staatsverschuldung im roten Bereich, eine Zinserhöhung ist kaum möglich. In der Realwirtschaft werden die Probleme zunehmen, was sich in den Aktienkursen niederschlagen wird. Die Lage für die Lebensversicherer ist schwieriger geworden. Doch ich sehe keine Panikverkäufe von Beständen, auch weil die Lebensversicherer die Situation kennen und Bewertungsreserven besitzen. Es handelt sich hier um eine langfristige Entwicklung mit guten Aussichten für den Bestandsversicherungsmarkt.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen August-Ausgabe des Magazins Versicherungswirtschaft.

Quelle: VVW GmbH

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