Veraltete Technologie bremst Kundenzufriedenheit bei Lebensversicherern aus

Kunden beim Beratungsgespräch. Bildquelle: Commerzbank

Die Lebensversicherer tun sich schwer damit, die gestiegenen Kundenerwartungen zu erfüllen. Oft liegt das an der veralteten Technologie, wie die Studie „World Life Insurance Report 2025“ der Unternehmensberatung Capgemini ergab. In 52 Prozent der weltweit untersuchten Unternehmen erweist sich die Starrheit der Altsysteme als Hindernis, in Deutschland trifft dies auf 47 Prozent zu. Eine kleine Gruppe von Lebensversicherern böten dagegen ein „herausragendes Kundenerlebnis“, berichten die Studienautoren. Doch die Branche hat insbesondere in der Altersvorsorge ein grundsätzliches Problem: Die Lebensversicherer müssten aufpassen, „nicht zu einer Option unter vielen zu verblassen“, warnen die Marktbeobachter.

Veraltete Systemlandschaften stellen ein großes Hindernis für effektive Veränderungen dar – so lautet eine Kernerkenntnis der Studienautoren in ihrem aktuellen „World Life Insurance Report“. Lediglich einer kleinen Gruppe von fünf Prozent der Lebensversicherer weltweit gelingt es demnach, ihre Kunden zu begeistern – die Fachleute haben ihnen den Status „Best-in-Class“ zuerkannt.

Im Vergleich zu anderen Versicherern wurden diese führenden Unternehmen laut der Studie in den letzten drei Jahren mit einer um 38 Prozent höheren Kundenzufriedenheit – gemessen über den Net Promoter Score (NPS) –, einer um elf Prozent niedrigeren Kostenquote und einem sechs Prozent höheren Umsatzwachstum belohnt.

Um welche Anbieter es sich handelt, wie viele es sind und aus welchen Ländern sie stammen, geht aus der Studie nicht hervor und konnte Capgemini Deutschland gegenüber VWheute bis Redaktionsschluss nicht klären. Was diese „Best-in-Class“-Versicherer auszeichnet, ist, dass sie die neuesten Technologien wie generative künstliche Intelligenz (KI) nutzen, um ihren Kunden starke Onboarding-, Self-Service- und Leistungsfunktionen anzubieten.

Die Klassenbesten heben sich den Beratern zufolge in diesen Punkten klar von ihren Konkurrenten ab: 78 Prozent der besten Versicherer haben das Underwriting automatisiert, im Vergleich zu 15 Prozent der übrigen Versicherer. 78 Prozent bieten den Versicherungsnehmern Self-Service Portale an, im Vergleich zu nur 13 Prozent der übrigen Versicherer. 56 Prozent bieten ein nahtloses und intelligentes Leistungserlebnis durch KI-Unterstützung für Sprache und Stimmungsanalyse, gegenüber nur drei Prozent der übrigen Versicherer.

Die Branche befindet sich aus Sicht der Marktbeobachter an einem kritischen Punkt, was sich daran zeige, dass sie von 2007 bis 2023 mit sinkenden Durchdringungsraten in den reifen Märkten von 33 Prozent konfrontiert ist (siehe Grafik). Viele Verbraucher seien bestenfalls mäßig an traditionellen Lebensversicherungsprodukten interessiert, und die Branche habe Mühe, die neuen und anspruchsvolleren Erwartungen der Kunden zu erfüllen, geben die Autoren zu bedenken.

Quelle: Capgemini „World Life Insurance Report 2025“

Die Fachleute stützen ihre Erkenntnisse auf die Ansichten von rund 6.200 Lebensversicherungskunden, die im Mai und Juni in 18 Ländern erhoben wurden. Diese Märkte repräsentierten wiederum alle drei Regionen der Welt: Nord- und Südamerika (USA, Mexiko, Kanada und Brasilien), Europa (Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich) sowie Asien-Pazifik (Australien, Hongkong, Indien, Japan und Singapur). Zudem wurden Interviews mit 213 führenden Führungskräften von Lebensversicherern in 16 Märkten geführt. In Deutschland wurden 17 Führungskräfte und 421 Kunden interviewt, wie es gegenüber VWheute hieß.

Versicherer müssten aufpassen, „nicht zu einer Option unter vielen zu verblassen“

Klaus Thummert, Senior Director im Bereich Insurance bei Capgemini Invent in Deutschland, sagt, dass Versicherer aufpassen müssten, „nicht zu einer Option unter vielen zu verblassen“. Damit spielt Thummert auf den zunehmend wettbewerbsintensiven Markt aufgrund neuer Anlage- und Absicherungsformen an – so äußerte der Branchenverband GDV am Donnerstag erneut sein Missfallen darüber, dass die Bundesregierung auch Investments in einzelne Aktien im geplanten Altersvorsorgedepot förderfähig machen will.

Was also tun? Die Versicherer sollten sich auf die nächste Generation von Kunden konzentrieren, empfiehlt Berater Thummert – und sie sollten „den Versicherten in den Mittelpunkt ihrer Strategien stellen und die eigenen Mehrwerte klar benennen“. Doch das ist leichter gesagt als getan.

So wissen die Studienautoren zu konstatieren, dass viele Versicherer mit sich selbst beschäftigt sind – etwa, weil sie mit veralteten Technologien ringen oder sich in endlosen Modernisierungsvorhaben verlieren, die an ihren angestrebten Zielen schnurstracks vorbeilaufen. „Die Kunst bei der kundenzentrierten Transformation ist es, den Spagat zwischen Kunden- und Kostenorientierung zu meistern“, sagt Experte Thummert. Und dieser Spagat sollte möglichst bald gelingen. Denn jeder zweite Versicherungsnehmer ist laut Studie unzufrieden. Ein großer Teil dieser Unzufriedenheit ziehe sich durch den gesamten Kundenprozess, insbesondere in den Bereichen Produktangebot, Vertragsabschluss, Service und Leistungsfälle/Abwicklungen, wie es in dem Bericht heißt.

So habe bereits vor Vertragsabschluss jeder dritte Privatkunde (35 Prozent) mit den komplexen Bedingungen zu kämpfen und sei unzufrieden mit dem langwierigen Antragsverfahren (27 Prozent). Nach dem Abschluss einer Police sei jeder vierte Privat- und Gruppenversicherte (25 Prozent) frustriert über lange Wartezeiten oder vermisse Zugang zu Self-Service-Optionen für Vertragsänderungen (23 Prozent).

Auch die Leistungsabwicklung stellt eine Herausforderung dar, was laut der Marktbeobachter vor allem an der mangelnden Digitalisierung liege: Ein Drittel der Privatkunden gibt an, dass sie mit einem komplizierten Antragsverfahren konfrontiert sind (35 Prozent) und vermissen Empathie bei der Leistungsabwicklung (27 Prozent).

Insbesondere beim Onboarding und beim Service stoßen deutsche Lebensversicherer nur selten in Level 3 vor, worunter die Einbindung der Systeme in ein echtes Ökosystem zu verstehen ist. Quelle: Capgemini „World Life Insurance Report 2025“

Jüngere Versicherungsnehmer zwischen 18 und 40 Jahren verlieren dabei eher die Geduld mit ihrem Anbieter während des gesamten Versicherungsverlaufs als es bei älteren Kunden zwischen 41 und 60 Jahren der Fall ist.

Zu den Aufregern gehören Capgemini zufolge langsame und komplexe Abschlussprozesse sowie das Fehlen geeigneter Self-Services und Kommunikationsmöglichkeiten. Die neue Generation erwartet zu allem Überfluss größere Flexibilität bei der Leistungsregulierung: 42 Prozent nennen einen unflexiblen Leistungsbezug als kritisches Problem, während es bei den älteren Kunden nur 26 Prozent sind.

„Trotz des Bestrebens, die Kundenbetreuung, den Service und die Leistungsregulierung neu zu gestalten, haben es nur neun Prozent der Versicherer geschafft, relevante Services aus dem Ökosystem wie etwa ärztliche Dienstleistungen in ihre Prozesse zu integrieren“, bilanziert Thummert (siehe Grafik).

Immerhin besteht in der Branche durchaus Einsicht, dass etwas passieren muss: „Die Versicherer erkennen die dringende Notwendigkeit, ihre Abläufe zu modernisieren“, schreiben die Autoren – doch zugleich gilt, dass nur 41 Prozent ihre jüngsten Transformationsziele erreicht oder übertroffen haben. Wenn Transformationsinitiativen scheitern, dann oft, weil die Versicherer mehrere Ziele priorisiert haben – und sich unterwegs noch das ein oder andere Hindernis in den Weg stellt, wie etwa eine unerwartete Integrationskomplexität (50 Prozent), mangelnde Abstimmung mit den Geschäftszielen (42 Prozent) und unzureichend qualifizierte Ressourcen (42 Prozent).

Fachkräfte fehlen allerorten

Während das transformative Potenzial der generativen KI für die Lebensversicherungsbranche unbestreitbar sei, komme ein dringender Fachkräftemangel ans Licht, wie die Autoren zu bedenken geben. Heute seien 67 Prozent der besten Versicherer technisch bereit, die Fähigkeiten der generativen KI in ihrem Betrieb zu nutzen und zu maximieren, während die Offenheit bei den übrigen Versicherern für KI auf 25 Prozent sinke.

„Generative KI kann, wenn sie mit menschlicher Intelligenz kombiniert wird, das Kundenerlebnis revolutionieren und gleichzeitig die betriebliche Effizienz steigern“, betonen die Autoren. Jede dritte Führungskraft (34 Prozent) nennt jedoch die Identifizierung und Anstellung von Talenten als wesentliches Hindernis, und sieht kritische Lücken bei Rollen wie Verhaltenswissenschaftlern, Experience Designern und AI Prompt Engineers.

Der Studie zufolge wird der Erfolg nicht nur von der Implementierung der Technologie abhängen, sondern auch von der Fähigkeit der Versicherer, die richtigen Talente anzuwerben, zu entwickeln und zu halten. „Versicherer, die modernste Technologie mit qualifizierten Fachkräften effektiv kombinieren können, werden gut aufgestellt sein, um die Branche in eine neue Ära der Innovation und Kundenorientierung zu führen“, so das Resümee der Autoren.

Autor: Lorenz Klein

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