Schadenzahlungen in der Managerhaftpflicht nehmen deutlich zu

Quelle: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Die D&O-Versicherer haben 2020 deutlich mehr Schadenzahlungen geleistet als im Vorjahr. Nach Angaben des Branchenverbandes GDV stiegen die Leistungen in der Managerhaftpflicht um 14 Prozent auf 281 Mio. Euro. Die Schadenquote lag bei 110 Prozent.

Zum Vergleich: Die Beitragseinnahmen stiegen im gleichen Zeitraum um 9,2 Prozent auf 335 Mio. Euro. „Die Schäden in der D&O-Versicherung steigen schneller als die Beitragseinnahmen. Während die Beiträge um gut neun Prozent auf 335 Millionen Euro stiegen, wuchsen die Leistungen um 14 Prozent. Unter dem Strich stehen erhebliche Verluste, die sich aus den immer größeren Haftungsrisiken für Managerinnen und Manager ergeben“, konstatiert GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Aber: „Die Zahlen des GDV sind unvollständig, da nicht alle Versicherungsgesellschaften berichten. Das Markt-Prämienvolumen dürfte bei gut 800 Mio. Euro liegen. Die Schadenquote schätze ich deutlich höher als 110 Prozent“, betont Michael Hendricks, Gründer der Hendricks GmbH, gegenüber VWheute. Dabei würden etwa 70 Prozent aller Zahlungen der D&O-Versicherer die Rechtskosten betreffen. „Mehr als 90 Prozent aller Fälle werden durch Vergleichszahlungen erledigt. Die ausgezahlten Summen reduzieren sich von Jahr zu Jahr. Aufgrund zunehmender Stückzahlen verschlechtert sich die Schadenquote dennoch. Der Haupteinwand der Versicherer ist die Behauptung vorsätzlichen Fehlverhaltens. Die wesentliche Schadenlast stammt aus Zahlungen für große Dax-Unternehmen. Deshalb werden dort geringere Deckungssummen angeboten bei gleichzeitig dramatischen Prämienanhebungen“, betont Hendricks.

Die jüngsten Skandale tun dabei ihr übriges: Allein der Dieselskandal um den Autobauer Volkswagen soll rund 288 Mio. Euro kosten. Zudem hatte der frühere Wirecard-Chef Markus Braun einen juristischen Etappensieg gegen seinen D&O-Versicherer verbucht: Der US-Konzern Chubb muss zumindest vorerst die Anwalts- und Beraterkosten des Österreichers zahlen, so das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

So könne sich der D&O-Versicherer gegenüber Wirecard nicht auf einen Leistungsausschluss wegen einer arglistigen Täuschung bei Vertragsverlängerung stützen, stellte das Oberlandesgericht fest. Wirecard hatte 2002 eine D&O-Versicherung über 15 Mio. Euro mit dem US-Versicherer Chubb abgeschlossen, berichtet das Handelsblatt. Braun vertrat dabei das Argument, er sei selbst ein Opfer des Betrugs in seinem Unternehmen. Zudem vertrat er die Ansicht, dass ihm ohne den Versicherungsschutz das Recht auf Verteidigung und rechtliches Gehör genommen würde. Chubb argumentierte hingegen, dass Braun Prozesskostenhilfe beantragen könne.

Allerdings könnte dies noch nicht alles sein: Der Zahlungsdienstleister hatte laut Bericht D&O-Policen über 150 Mio. Euro abgeschlossen. Chubb trete zwar als sogenannter Grundversicherer auf. Verträge gebe es aber auch mit der R+V, der Swiss Re und AGCS. Außerdem beteiligt seien ANV, Dual, AIG, Liberty, HCC und QBE.

Bereits im März 2020 hatte sich der Mannheimer Industriedienstleister Bilfinger im Streit mit dessen ehemaligen Vorstandschef Roland Koch und elf weiteren ehemaligen Vorständen auf einen Vergleich geeinigt. Demnach bekommt das Unternehmen einen Schadenersatz von insgesamt 18,2 Mio. Euro. Ein kleiner Teil davon wird über einen Gehaltsverzicht finanziert, der größte Teil über 16,75 Mio. Euro kommt indes von der D&O-Versicherung.

Allerdings beklagen manche Unternehmen auch, genügend Deckung zu finden. „Wir haben Probleme, die Kapazitäten im Markt zu finden, die wir gerne einkaufen würden“, betonte Dirk Wegener, Versicherungschef der Deutschen Bank und Präsident der europäischen Risikomanager-Vereinigung Ferma, jüngst gegenüber der SZ. Zudem hätten es manche Branchen schwer, überhaupt eine entsprechende Deckung zu finden „Tourismus, Handel, Entertainment und Sport, diese Branchen sind rote Tücher“, sagte Marcel Roeder, Experte beim Makler Aon, gegenüber der Zeitung.

Besserung scheint aber nicht in Sicht zu sein: So rechnen die Versicherer infolge der Corona-Pandemie mit einer steigenden Zahl von Schadenfällen: „Im Ergebnis werden somit die Belastungen für die Versicherer steigen, aber eben nicht so stark wie der Anstieg der strittigen Insolvenzfälle“, skizzierte Talanx-Finanzchef Jan Wicke im Januar 2021 gegenüber dem Handelsblatt: „Auf jeden Fall wird es zu wesentlich mehr Klagen kommen. Allerdings sind die am meisten betroffenen Bereiche – kleine und mittelständische Unternehmen – tendenziell seltener mit einer D&O-Police abgesichert.“

Dennoch würden Schadenmeldungen „auch im Mittelstand deutlich zunehmen. Gründe hierfür sind veränderte Anspruchsmentalitäten und Haftungsverschärfungen. Dies sind weniger gesetzliche Neuerungen, wie das Lieferkettengesetz, sondern vielmehr Veränderungen in den Risikobereichen, allem voran die Verantwortung für Cyberereignisse“, erläutert Hendricks gegenüber VWheute.

„Die Nachfrage zu Managerhaftpflichtversicherungen wächst stetig weiter. Die Qualität der Versicherungsverträge für mittelständische Unternehmen ist nach wie vor sehr gut. Anders sieht es im Segment der großen Dax-Unternehmen aus. Hier versuchen die Versicherungsgesellschaften, die Nachmeldefristen zu reduzieren. Dies ist ein gewaltiger Einschnitt, da die langen Verjährungszeiträume von bis zu zehn Jahren von den Versicherungen nicht mehr abgedeckt werden. Hier sehen wir in gewisser Weise einen Deckungsnotstand“, lautet seine Prognose.

Autor: VW-Redaktion

Ein Kommentar

  • Deckung schafft Haftung – sag´s mit Goethe:

    Herr, die Not ist gross!
    Die ich rief, die Geister,
    werd ich nun nicht los.

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