Munich Re: Steigende Prämien durch Anstieg bei Naturkatastrophen

Joachim Wenning, Vorstandsvorsitzender der Munich Re. Quelle: Munich Re

Wenn die Munich Re heute ihre Bilanz für das erste Halbjahr 2021 vorlegt, wird es vor allem auch um die Frage gehen, wie hoch die finanziellen Belastungen durch die Hochwasserkatastrophe in Deutschland oder die Waldbrände im Süden Europas ausfallen werden. Dabei zeigte sich Konzernchef Joachim Wenning erstmals offen für eine Versicherungspflicht für Hausbesitzer gegen die Folgen von Hochwasser und Starkregen.

Allerdings sieht der Versicherungsmanager zunächst den Staat in der Pflicht: „Wenn der Staat meint, jetzt ist es Zeit, stehen wir bereit“, betonte er jüngst im Gespräch der Süddeutschen Zeitung. Ein Allheilmittel sieht Wenning in der Versicherungspflicht jedoch nicht: „Entscheidend dabei ist, dass die Prämien das jeweilige Risiko widerspiegeln, das heißt: individuelle statt identischer Prämien.“ Allerdings warnte er die Branche davor, selbst eine solche Pflicht zu fordern: „Wenn es zu einer solchen Katastrophe kommt, dann werden die Schadenzahlungen der Versicherer nur einen Teil der Probleme lösen können. Vieles andere bleibt ungelöst.“

Die klimabedingten Schäden dürften für die Branche jedenfalls in den kommenden Jahren wohl noch zunehmen: Ernst Rauch, Chef-Klimatologe des Rückversicherers Munich Re, befürchtet demnach, dass die Schäden durch Sturm und andere Naturkatastrophen in Deutschland kontinuierlich steigen werden. Die Experten machen „sozioökonomische Veränderungen“ mitverantwortlich.

„Die Zahl der von uns registrierten Ereignisse und deren Schadenhöhe hat im Trend tatsächlich zugenommen, das geht vermutlich aber zum Teil auch auf eine bessere Erfassung als noch vor Jahrzehnten zurück. Wissenschaftliche Studien weisen jedoch klar darauf hin, dass es durch den Klimawandel mehr Wetterextreme und damit mehr wetterbedingte Naturkatastrophen geben wird. Beispiele von Wetterextremen, bei denen die Wissenschaft von einem spürbaren Einfluss des Klimawandels bereits ausgeht, sind Hitzewellen und Dürren in vielen Regionen, aber auch Schwergewitter und Starkregenereignisse in Europa.“

Ernst Rauch, Chef-Klimatologe der Munich Re

„Die zu erwartende Zunahme oder Intensität von Wetterkatastrophen bedeutet zunächst auch, dass in der Tendenz mehr Schäden auftreten können, schon allein, weil die Werte der ausgesetzten Güter wie Häuser, Autos etc. über die Zeit zunehmen. Zugleich haben wir es alle auch ein Stück weit selbst in der Hand, uns an diese Entwicklung anzupassen und unsere Verwundbarkeit wo möglich zu reduzieren, zum Beispiel, indem nicht mehr in bestimmten exponierten Gebieten gebaut wird oder bessere Dämme gegen Fluten errichtet werden“, betonte Rauch jüngst im Gespräch mit dem Münchener Merkur.

Der neue Bericht des Weltklimarates scheint seine Befürchtungen noch zu bestätigen: „Es ist eindeutig, dass menschliches Handeln die Atmosphäre erwärmt hat“, heißt es darin. Demnach sei das vergangene Jahrzehnt rund 1,1 Grad wärmer gewesen als die Zeit von 1850 bis 1900, über der Landfläche sogar 1,6 Grad. Der Meeresspiegel steigt immer schneller, derzeit im Schnitt 3,7 mm pro Jahr, zitiert tagesschau.de aus dem Bericht. Auch Hitzewellen haben nach Aussage der Klimaexperten weiter zugenommen – was ebenfalls menschlichem Handeln zugeordnet wird.

„Der Weltklimarat hat sich festgelegt: Der Klimawandel ist menschengemacht. Klimaerwärmung und Extremwetterereignisse mit gewaltigen Schäden und leider auch Toten, wie zuletzt in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, werden zunehmen. Wir können den Prozess nur verlangsamen und uns an den Klimawandel anpassen. Um das zu erreichen, haben die Versicherer sich vorgenommen, ihren Teil beizutragen und ihr Geschäft klimaneutral auszurichten: ihre Kapitalanlagen, wen sie versichern und wie sie Schäden regulieren.“

Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV

Zu einer ähnlichen Einschätzung kam jüngst auch die Hannover Rück: Die Flutkatastrophe, aber auch Hitzewelle und Brände zeigten, dass man sich bereits im Klimawandel befinde. Die Hannover Rück werde ihre Maßnahmen weiter ausbauen und damit ihren Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels und zur Begrenzung seiner Auswirkungen leisten. Die Nachhaltigkeitsstrategie für 2021 bis 2023 ist mit Zielwerten hinterlegt und findet sich in dem vor Tagen veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht, betonte der Rückversicherer bei der Präsentation seiner Halbjahreszahlen.

Die Netto-Großschadenbelastung betrug im ersten Halbjahr 325,9 Mio. Euro (HJ 2020: 737,0 Mio. Euro) und lag damit unter dem Erwartungswert für die ersten sechs Monate von 476 Mio. Euro. Das unterjährig nicht aufgebrauchte Großschadenbudget wird in die Spätschadenreserve eingestellt und bildet einen zusätzlichen Puffer für Großschäden im zweiten Halbjahr. Größte Einzelschäden waren der extreme Wintereinbruch im US-Bundesstaat Texas mit einer Nettobelastung von 136,4 Mio. Euro im ersten Halbjahr, ein Industrieschaden in Deutschland mit 34,8 Mio. Euro sowie ein Kreditschaden von 20,7 Mio. Euro. An ihrem Gewinnziel von 1,15 bis 1,25 Mrd. Euro hält die Talanx-Tochter bislang weiter fest.

Überraschend stark zeigte sich übrigens auch die Swiss Re bei der Präsentation ihrer Halbjahresbilanz für 2021: So erzielte der Schweizer Rückversicherer  im ersten Halbjahr 2021 einen Konzerngewinn von einer Mrd. US-Dollar und eine Eigenkapitalrendite von 8,2 Prozent. Gut liefen die Geschäfte im Bereich Sach- und Haftpflicht. Der Rückversicherer profitierte von einem deutlichen Rückgang der Belastungen durch COVID-19. Ohne Corona-Schäden lag der Gewinn von Swiss Re bei 1,7 Mrd. US-Dollar, verglichen mit 865 Mio. US-Dollar in der Vorjahresperiode.

Bislang geringe Schadenbelastung durch Großschäden

Ungeachtet aller politischer Erwägungen um eine solche Versicherungspflicht gegen klimabedingte Elementarschäden scheint sich die bisherige Bilanz in diesem Jahr jedenfalls sehen zu lassen. So erzielte der Münchener Rückversicherer im zweiten Quartal des Jahres ein Ergebnis von ca. 1,1 Mrd. Euro. In der Schaden/Unfall-Rückversicherung verzeichnete das Unternehmen unterdurchschnittliche Belastungen durch Großschäden. Vor allem Schäden aus Naturkatastrophen fielen vergleichsweise niedrig aus. Im Bereich Leben/Gesundheit hingegen übertrafen die Schäden die Erwartung deutlich aufgrund der hohen Sterblichkeit in Indien und Südafrika. Insgesamt erzielte Munich Re im isolierten zweiten Quartal 2021 ein vorläufiges Nettoergebnis von ca. 1,1 Mrd. Euro (Konsens: 808 Mio. Euro). Das Halbjahresergebnis beträgt somit etwa 1,7 Mrd. Euro.

Im ersten Quartal 2021 wies die Munich Re noch einen geringeren Gewinn aus. Wie der Rückversicherer am Morgen mitteilt, lag der Quartalsgewinn bei 221 Mio. Euro (VJ: 633 Mio.). Die Covid-19-bedingten Schäden von lagen bei etwa 800 Mio. Euro, was vor allem dem Ausfall von Großveranstaltungen geschuldet ist. Die Gesamtbelastung aus Großschäden stieg demnach auf 1,181 Mrd. Euro (Vj: 479 Mio.). Die Belastung aus Naturkatastrophen lag bei nur leicht erhöhten 208 Mio. Euro. Zudem schlug sich die hohe Schadensbelastung in der Schaden-Kosten-Quote der Rückversicherung nieder und lag zum 31. März 2020 bei 106 Prozent (VJ: 97,3 Prozent).

Nach der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz geht die Munich Re jedenfalls davon aus, dass die Beiträge für Elementarschadenversicherungen künftig steigen werden. „Die Versicherungsprämien müssen immer risikoadäquat sein, sonst kann das System Versicherung nicht nachhaltig funktionieren“, betonte Pressesprecher Axel Rakette jüngst gegenüber dem Redaktions­netzwerk Deutschland (RND).

Autor: VW-Redaktion

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