EZB nimmt Inflation in Kauf, während Versicherer die steigenden Kosten an ihre Kunden weitergeben

Die Furcht vor Geldentwertung ist bei den Deutschen tief verwurzelt. (Quelle: Deutsche Bundesbank /Flickrhttps://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/)

Lieferengpässe und die damit verbundene Inflation treffen nicht nur die rohstoffnahe Industrie, sondern kommen inzwischen beim Endverbraucher an. Versicherungskunden müssen sich auf steigende Beiträge gefasst machen, denn die Kosten der Versicherer wachsen ebenfalls. Nur die Leitzinsen dürften stabil bleiben, weil die EZB ihr Verhältnis zum Inflationsziel neu definiert.

„Geld ist die vielleicht konzentrierteste und zugespitzteste Form und Äußerung des Vertrauens in die gesellschaftlich-staatliche Ordnung“, lautet ein Satz aus Georg Simmels Buch „Philosophie des Geldes“. Wir akzeptieren Scheine beziehungsweise den Gegenwert auf unserem Konto als Gegenleistung für unsere Arbeit – in dem Vertrauen darauf, dass das Geld morgen noch den gleichen Wert hat wie heute. Mit der Hyperinflation aus dem Jahr 1923 war das Vertrauen in die Wertstabilität des Geldes verspielt. Die Furcht vor erneuter Geldentwertung ist seitdem tief verwurzelt in Deutschland und wird von angelsächsischen Medien gerne mit der „German Angst“ belächelt.

Wenn es noch das Lieblingshobby der Deutschen – das Handwerken – trifft, dann gibt es wahrlich nichts mehr zu lachen. Denn aktuell ist die heile Holzwelt aus den Fugen geraten. Sparren, Balken und Bretter haben sich im Vergleich zum Vorjahr teilweise um 100 bis 300 Prozent verteuert, heißt es beim Deutschen Forstwirtschaftsrat in Berlin. Schlechte Ernten in Kanada und der weltweit wiedererstarkte Bauboom seien die Ursachen für die Preisexplosion.

Das trifft auch andere Rohstoffe. Minenbetreiber haben während der Pandemie ihre Förderung zurückgefahren, jetzt explodiert die Nachfrage nach Kupfer, Platin oder Eisenerz. Erdöl und Erdgas haben sich mehr als verdoppelt, elektrischer Strom kostete im Import zeitweise fast 200 Prozent mehr. Und nicht zu vergessen ist der Halbleitermangel, der die Automobilindustrie immer wieder ausbremst. Die Unternehmen beginnen die massiv gestiegenen Vorproduktionspreise an die Verbraucher weiterzugeben.

Entscheidend sind die Lohnkosten, nicht die Rohstoffpreise

Die steigenden Preise sind ein Symptom des erwarteten Aufschwungs und deshalb nur „vorübergehend“, hört man unisono von Wirtschaftsökonomen und Zentralbanken. Entscheidender ist, was mit den Löhnen passiert. Fordern die Gewerkschaften mehr, dann würde das eine Spirale aus steigenden Preisen und Löhnen in Gang setzen. „Eine hartnäckig überhöhte Inflation würde unter anderem überschießende Lohnabschlüsse voraussetzen. Dafür haben wir bisher keine Ansatzpunkte“, betont Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Vielmehr ist die Arbeitslosigkeit im Euro-Raum durch die Pandemie eher angestiegen.

Anders sieht es in den USA aus, dort sind die Arbeitskosten zuletzt gestiegen und die Inflationsrisiken deutlicher höher. „Jeden Tag sehe ich Beweise dafür, dass die Inflation nicht vorübergehend ist, und ich habe Bedenken, dass die Fed in Rückstand gerät und dass sie vielleicht aufholen muss, und die Geschichte macht einen sehr unruhig, wenn man in einer Welt landet, in der die Fed aufholen muss“, erklärt Mohamed El-Erian, Chef-Wirtschaftsberater der Allianz. Andreas Busch, Chefvolkswirt bei der Anlagegesellschaft Bantleon, ergänzt: „Die beispiellosen geldpolitischen Lockerungen und massiven staatlichen Finanzspritzen erzeugen einen nachhaltigen Nachfrageschub, der das deflationäre Umfeld der vergangenen Jahre endgültig beseitigen dürfte.“

Neue EZB-Strategie dürfte Versicherern nicht gefallen

Wird die Fed an der Zinsschraube drehen, dann hat das natürlich Signalwirkung auf Europas Märkte. Die EZB hat derweil Historisches vollbracht. Im Juli hat sie erstmals seit 2003 ihre Strategie runderneuert und will künftig auch Inflationsraten über zwei Prozent tolerieren. Für Kritiker entfernt sich die EZB damit immer weiter von den Prinzipien der Stabilitätskultur. Europas Währungshüter wollen den Wirtschaftsaufschwung nach Corona also nicht bremsen. Damit schwindet vor allem für die Lebensversicherer endgültig die Hoffnung, in absehbarer Zeit steigende Zinsen zu spüren. Stattdessen muss sich die Assekuranz zusätzlich mit der Inflation auseinandersetzen.

Die Folgen für die einzelnen Sparten fasst die Rating-Agentur Assekurata auf Anfrage zusammen:

  • Lebensversicherung: Anhaltende Preissteigerungen bewirken, dass die Kaufkraft vorhandenen Geldes sinkt. Vorhandenes Vermögen, aber auch Rentenzahlungen verlieren an Wert. Dies betrifft somit auch endfällige Lebensversicherungen sowie Alters-, Berufsunfähigkeits- und Grundfähigkeitsrenten.
  • In der Krankenversicherung sind alle Tagegeldversicherungsformen davon betroffen. Dabei liegen die langjährigen durchschnittlichen Preissteigerungen in der Medizin von rund drei Prozent, die sogenannte medizinische Inflation, über der allgemeinen Preissteigerungsrate. Dies führt in der privaten Krankenversicherung, deren Tarife ja anders als in der GKV keine Leistungskürzungen zulassen, zu entsprechenden Beitragsanpassungen.
  • In der Sachversicherung steigen mit der Inflation die Schadenregulierungskosten und damit auch die notwendigen Schadenreservierungen. Dies geht c.p. zulasten der versicherungstechnischen Ergebnisse und je nach Höhe und Dauer des Effekts führt die wiederum zu Beitragserhöhungen.

Autor: David Gorr

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der aktuellen August-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

Ein Kommentar

  • Zitat: „Dies führt in der privaten Krankenversicherung, deren Tarife ja anders als in der GKV keine Leistungskürzungen zulassen, zu entsprechenden Beitragsanpassungen.“

    Wäre es daher generell (für Versicherer UND Versicherte) nicht sinnvoll, die PKV komplett als Zusatzversicherung neben einer Bürgerversicherung – mit den daraus resultierenden Tariffreiheiten – strategisch neu aufzustellen?

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