Deutschland sucht die eierlegende Wollmilchsau in der Altersvorsorge: Die Lösung kommt aus Brüssel

Til Klein, Geschäftsführer von Vantik

Sicherheit schaffen, Beiträge garantieren und dazu noch digital sein. Die klassische Lebensversicherung kann das nicht leisten. Für Abhilfe könnte ausgerechnet die EU sorgen: Die kommende „Europarente“ (Pan-European Personal Pension Product, PEPP) sieht neben der klassischen Beitragsgarantie explizit alternative Ansätze zur Beitragssicherung vor. Ein Kommentar von Til Klein, Gründer und Geschäftsführer des Altersvorsorge-Startups Vantik.

Meine eine Eltern hatten eine und ich habe vor zwanzig Jahren auch eine abgeschlossen: Die Rede ist von der Lebensversicherung. Die Kapitallebensversicherung – genauer gesagt – ist mit Abstand die beliebteste Form der Altersvorsorge der Deutschen. Das liegt daran, dass sie sehr einfach ist, früher trotz relativ hoher Kosten auch noch eine vernünftige Rendite abgeworfen hat und vor allem: weil sie sicher ist. Die Lebensversicherung ist ihrer Historie nach die eierlegende Wollmilchsau unter den Finanzprodukten.

Doch das einstige Erfolgsmodell kommt an sein Ende. Der Grund: Seit Jahren ist der Finanzmarkt von Niedrig- oder sogar Negativzinsen geprägt. Sparer bekommen das an allen Ecken und Enden zu spüren – ob beim Sparen oder eben bei der Altersvorsorge. Eine Rendite ist so nicht mehr zu erzielen, wenn die Geldanlage trotzdem sicher sein soll.

Ganz real wurde das, als der Marktführer Allianz im Herbst 2020 die Abschaffung der vollen Beitragsgarantie angekündigt hat. Auf gut Deutsch bedeutet das: Verbraucher müssen befürchten, dass zu Rentenbeginn weniger Geld da ist, als sie jahrzehntelang eingezahlt haben. Welche Daseinsberechtigung hat die Lebensversicherung als Altersvorsorge überhaupt noch, wenn sie keine Beitragsgarantie mehr bietet? Ich bin – auch mit Blick auf meinen eigenen Vertrag, der mir im Vergleich zu anderen Anlageprodukte nur relative hohe Kosten und eine geringe Flexibilität beschwert – der Meinung: Keine.

Die Mehrheit der Menschen wird im Regen stehengelassen

Doch was ist die Alternative? Mit Blick auf die anhaltende Zinssituation ist die Anlage am Kapitalmarkt alternativlos, um mit einem normalen Gehalt eine solide Altersvorsorge aufzubauen. Das Investieren in Aktien und ETFs aber ist aufwendig und risikobehaftet.

Selbst Geld anzulegen, kommt daher für die meisten Menschen gar nicht erst in Frage: Bisher halten laut DAI nur 15 Prozent der Deutschen Aktien direkt oder via Fonds – die Zahl schwankt seit Jahren auch nur leicht. Das bedeutet im Gegenzug, dass rund 85 Prozent der Menschen hierzulande auf ein einfaches Produkt wie die klassische Lebensversicherung, für das man kein Finanzwissen braucht, angewiesen sind! Es wäre fatal, sie einfach im Regen stehen zu lassen.

Zudem ist einer INSA-Studie zufolge acht von zehn Deutschen der Erhalt des eingezahlten Kapitals bei der Altersvorsorge sehr wichtig. Auch hier liegt der Schluss nahe, dass diese Menschen mit der klassischen Lebensversicherung die richtige Wahl treffen würden. Mit dem Wegfall der Beitragsgarantie aber ergibt die Lebensversicherung zumindest als Altersvorsorge keinen Sinn mehr.

Zeitgemäße Altersvorsorge: Rettungsanker aus Brüssel

Die Verbraucher stehen vor einem großen Problem, dem bisher keine gesetzliche Grundlage und nur wenige Alternativangebote entgegenstehen. Für Abhilfe könnte ausgerechnet die EU sorgen: Die kommende „Europarente“ (Pan-European Personnal Pension Product, PEPP) sieht neben der klassischen Beitragsgarantie explizit alternative Ansätze zur Beitragssicherung vor. Das sind zum einen Lebensphasen-Modelle. Dabei wird das Geld am Kapitalmarkt angelegt, wobei das Risiko aber systematisch reduziert wird, je näher der Rentenbeginn kommt. Zum anderen sind Puffer-Modelle vorgesehen. Dabei wird das Geld bis zum Rentenbeginn am Kapitalmarkt ertragsbringend angelegt. Daneben wird aus den Beiträgen ein Kapitalpuffer aufgebaut, aus dem später etwaige Verluste ausgeglichen werden können.

Angesichts der Krise, in der die private Altersvorsorge hierzulande steckt, könnten die geplanten Regelungen bei der Europarente auch für Deutschland ein Vorbild sein. Dazu kommt ein weiterer Aspekt, den die EU in besonderem Maße herausstellt: So soll die Altersvorsorge digitaler und mobiler werden. Das ist absolut sinnvoll, schließlich orchestrieren junge Generationen ihr Leben nahezu komplett über das Smartphone.

Schon heute ist das Eröffnen eines Vorsorgekontos per App eine Sache von wenigen Minuten. Zudem bildet sich ein gänzlich neues Verhältnis zum Produkt: Während früher eine „Set it and forget it“-Mentalität hinsichtlich der Altersvorsorge galt, so erlauben Smartphone-Apps es, jederzeit den aktuellen Status abzufragen oder Änderungen vorzunehmen. So lassen sich ganz flexibel nachhaltige Spargewohnheiten etablieren.

Fakt ist: Mit dem Wegfall der Beitragsgarantie verliert die Kapitallebensversicherung ihre Daseinsberechtigung als Altersvorsorge – und ihren Ruf als eierlegende Wollmilchsau unter den Finanzprodukten. Es braucht dringend zeitgemäße Alternativen, die nicht nur möglichst sicher, sondern idealerweise auch nachhaltig sind und komplett digital abgeschlossen sowie verwaltet werden können – und die eine vernünftige Rendite erzielen. Nur so kann auch die Mehrheit der Menschen von den Entwicklungen am Kapitalmarkt profitieren und im Alter finanziell unabhängig werden. Der Gesetzgeber ist gefragt, hier den rechtlichen Rahmen zu schaffen; die Anbieter sind gefragt, zeitgemäße Lösung zu entwickeln.

Autor: Til Klein ist Gründer und Geschäftsführer des Altersvorsorge-Startups Vantik. Zuvor war er als Partner & Managing Director bei der Boston Consulting Group (BCG) für das Retail und Private Banking in Deutschland verantwortlich und hat die Vertriebsentwicklung für Privat- und Geschäftskunden bei der UBS in Zürich geleitet. Er ist Mitglied des Expertenrats für die neue Europarente bei der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA.

Den vollständigen Kommentar lesen Sie in der aktuellen Januar-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

3 Kommentare

  • Sorry, mit Verlaub enthält dieser Beitrag viel heiße Luft: weder ist heute bzw. seit 15 Jahren die Kaoitallebensversicherung besonders verbreitet, sondern Rentenversicherungen deren eigentliches Ziel Abdeckung der Langlebigkeit sind! Diese klassischen Versicherungen bieten im Schnitt auch noch für ein sicheres Produkt sehr beachtliche Renditen. Ein PEPP wird keines dieser Probleme lösen weil der Gegensatz wenig Risiko vs. hohe Rendite immer besteht. Eigentlich braucht das niemand wirklich noch zusätzlich denn solche Modelle des Ablaufmanagements gibt es schon eine gefühlte Ewigkeit in den Rententarifen. Dass man mit unter 100% Garantie erwarten müsste weniger raus zu bekommen ist sogar unwahrscheinlicher als früher, denn Garantien kosten Rendite und der Verzicht verbessert Renditeerwartungen natürlich!!

  • Claus-Dieter Wiegratz

    Die Europa-Rente ist nichts Neues. Denn mit zunehmenden Alter kurz vor Rentenbeginn sehen es heute bereits fondsbasierte Versicherungsprodukte vor, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt vor Ablauf der Einzahlungsphase das bisher erreichte Kapital aus den eingezahlten Beiträgen und den zugeteilten Gewinnanteilen gesichert werden kann. Es wird dann der Vertrag mit weniger risikobehafteten Aktien- oder Fondsanlagen fortgesetzt oder gleich auf Staatsanleihen für den weiteren Verlauf bis zum Rentenbeginn gesetzt. Das Festhalten an der Beitragsgarantie ist für die meisten Altersvorsorgesparer zu empfehlen. Denn man kann sich ja immer noch die Versicherungsgesellschaften als Produktgeber heraussuchen, die eine Beitragsgarantie mit 100 Prozent anbieten, auch wenn dies für den Altersvorsorgesparer etwas Rendite im geringen Umfang kostet, die in Zeiten der Niedrigzinsen ohnehin bei einer Altersvorsorge nicht im Vordergrund stehen sollte, sondern das Kriterium Sicherheit in Zeiten einer Niedrigzinsphase mehr zählt.

  • Personifizierter Schwachsinn!
    Es gibt genug Modelle, die man bei Versicherern ohne Garantie und damit allein schon mit vielfacher höherer Rendite abschließen kann und soll.
    Wer anderes behauptet hat schlicht NULL AHNUNG.
    Wirklich schlimm wird es oft bei geförderten Produkten, wie bei Riester, der Basisrente, betriebliche Altersversorgungen, Versorgungswerken usw..
    Das ist aber NICHT den Versicherern anzulasten, sondern den Verbraucherschützern, den Medien und den Beamten/Politikern in D und der EU, die für SCHWACHSINNIGE Renditezerstörende Regeln sorgen.
    Vereinfacht dargestellt: Sie sind in der Wüste, finden eine Flasche mit 1 Liter Wasser-schütten 80% in den heißen Sand und versuchen mit 2 dl ihren Durst zu stillen.
    Genau das ist der Grund, weshalb in D 90% aller Sparer 150 Jahre warten müssen, um Ihre Einzahlungen zu verdoppeln. Schaffen nur ganz wenige. Damit sind deutsche Sparer im weltweiten Renditevergleich am ENDE der Skala. GARANTIEN bei langfristigen Anlagen sind unnötig!!!
    3 Kostenarten: Tarif/Steuern -und Garantiekosten. Wer sich auf die Politik verlässt, hat keine Chance seine Altersversorgung adäquat zu gewährleisten.
    Mit meiner Geschäftsidee schafft man das in ca. 10 Jahren, rückwärts betrachtet.
    Die Verursacher wollen jetzt das Ei des Kolumbus gefunden haben, forderten aber bisher eine Beitragsgarantie ab dem 1. Jahr, was den Tod jeder Rendite bedeutet.
    Wenn man jetzt noch berücksichtigt das der deutsche Staat, in besten Wirtschaftszeiten bei den BEAMTEN/POLITIKER -und Richterpensionen ein Rückstellungsdefizit von 3 BILLIONEN EURO, in Zahlen € 3.000.000.000.000,00 aufbaute, zur gefälligen Kostenübernahme für die nächsten Generationen, sollte man diesem Staat NICHT die Zukunftsvorsorge anvertrauen.
    Für so einen Vorgang, müsste jeder Arbeitgeber, der seine Sozialversicherungsbeiträge NICHT abführt, direkt ins Gefängnis.
    Bodenhaftung ist die Basis aller klugen Entscheidungen. Dummes zu verbreiten sollte als Ironie Kabarettisten vorbehalten sein.

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