So verändert die alternde Gesellschaft die Versicherungswelt

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„Länger zuhause leben“ ist der Wunsch der meisten Menschen. Altersgerechter Umbau, Nachbarschaftshilfe und soziale Dienstleistungen machen es möglich, länger in der eigenen vertrauten Umgebung zu bleiben, selbst wenn Unterstützung oder Pflege nötig werden. Die älter werdende Gesellschaft stellt die Versicherer vor Aufgaben, ohne deren Lösung die Bedeutungslosigkeit droht. Ein Beitrag der VWheute-Redaktion in Zusammenarbeit mit der Gothaer Versicherung.

Die Versicherer müssen sich mit den Wünschen der jeweiligen Kundengruppen auseinandersetzen. Die Blickrichtung darf sich dabei nicht ausschließlich auf die bestehende Produktwelt konzentrieren, da ansonsten wichtige Fragestellungen nicht behandelt werden. Bei den klassischen Versicherungsprodukten liegt der Fokus auf der finanziellen Absicherung des Kunden. Dieser Ansatz muss mit Blick auf die künftigen Bedürfnisse der Kunden hinterfragt werden. Dabei sollte nach Kundengruppen unterschieden werden, da die Wünsche nicht deckungsgleich sind.

Bei jungen Kundengruppen steht eher die finanzielle Absicherung im Vordergrund, wohingegen bei den Senioren eher Assistance-Leistungen wichtig sind. Hier geht es in erster Linie um Hilfs- und Pflegeleistungen, wie zum Beispiel Hausnotrufdienst, Besorgungen und Pflegeberatung oder aber auch Vermittlung des Umbaus der Wohnung.

Eine Weiterentwicklung des Geschäftsmodells in Richtung Serviceleistungen erfordert von den Versicherern neben der Entwicklung dieser neuen Produktbausteine auch eine Kooperation mit anderen Unternehmen, die die Serviceleistung erbringen. Eine gute Vernetzung mit qualitativ hochwertigen Dienstleistern liefert für den Kunden einen echten Mehrwert.

Hohes Alter, hohes Risiko?

Im Alter verändert sich die Risikosituation des Kunden. Was eben noch ganz selbstverständlich funktionierte ist auf einmal schwierig oder gar unmöglich, sei es wegen Krankheit oder abnehmender Leistungsfähigkeit.

Im Allgemeinen wird unter der Risikosituation beispielsweise die Zunahme bei der Anzahl der Schäden als eine Veränderung der Risikosituation bewertet. Im aktuariellen Kontext ist weiter zu differenzieren. Im Rahmen der aktuariellen Tarifkalkulation wird ein sogenanntes Risikomodell mit Hilfe von mathematischen Verfahren entwickelt. Hierbei werden alle Risikomerkmale analysiert, die einen Einfluss auf das Schadengeschehen haben.

Zeigt sich nun eine Abhängigkeit vom Alter des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person, so werden sich Effekte aus dem demografischen Wandel heraus zeigen, auch wenn sich aus mathematischer Sicht der zugrundeliegende Risiko-Zusammenhang nicht verändert hat. Das bedeutet, die Risikofaktoren aus dem Risikomodell und ihre Wirkung haben sich nicht verändert, sondern die Bestandszusammensetzung. Diese Effekte lassen sich leicht analysieren. Solange die Preismodelle adäquat auf die individuell geänderte Risikosituation reagieren, ist eine Versicherbarkeit der Kunden nicht gefährdet.

Neben der Alterung der Bevölkerung sind aber noch weitere Punkte zu beachten, die einen Einfluss auf die Risikosituation haben können. Es ist zu beobachten, dass das Gesundheitsbewusstsein bei den Senioren zunimmt. Auch der technologische und medizinische Fortschritt bieten neue Möglichkeiten und ermöglichen es den Senioren heutzutage deutlich aktiver zu sein.

Die Herausforderung bei der Einschätzung von zukünftigen Veränderungen in der Risikosituation ergibt sich daraus, dass im Allgemeinen keine belastbaren Erfahrungswerte vorliegen. Um dennoch Aussagen ableiten zu können, suchen Versicherungsunternehmen daher typischerweise den Austausch zwischen unterschiedlichen Fachrichtungen, zum Beispiel mit Medizinern.    

Im Zusammenhang mit den erhöhten Aktivitäten bei den Senioren ist mit einer Ausweitung von Haftungsrisiken zu rechnen. Aber auch die Art der Aktivitäten verändert sich, so zeigt sich ein steigender Trend bei der Nutzung von E-Bikes. Dies beeinflusst neben den Haftungsrisiken auch die Sach- und Unfallrisiken.  

Verschärfung des Wettbewerbs

Alle diese Entwicklungen spielen sich vor dem Hintergrund einer seit Jahren andauernden Intensivierung des Wettbewerbs auf dem deutschen Versicherungsmarkt ab. Dies erhöht bei den Versicherungsunternehmen stetig den Druck auf die Margen. Die Unternehmen müssen im Rahmen der Produktentwicklung intelligente Ansätze entwickeln, um ein Abschmelzen der Margen zu vermeiden.

Dies zeigt, dass sich die Versicherer nicht nur mit den Veränderungen in ihrem Umfeld beschäftigen müssen, sondern auch die eigene Veränderungsfähigkeit ein kritischer Erfolgsfaktor ist. Dieser sogenannte Change-Prozess ist gerade in der heutigen Zeit enorm wichtig. Als ein wesentlicher Treiber ist hierbei das Thema der Digitalisierung zu sehen.  

Eine höhere und breitere Technikdurchdringung der Gesellschaft bietet Optionen für Kunden und Versicherer. Mit Brand-, und Wasserwarnmelder sowie Einbruchsschutztechnik können Schäden am Hausrat oder dem Wohnhaus vermieden werden, wodurch sich die Kalkulation der Tarife verändert. Das Thema umfasst zudem neben der zunehmenden Technikverbesserung auch die stärkere Vernetzung der unterschiedlichen Informations- und Kommunikationstechniken, das sogenannte IoT (Internet of Things).

Für die aktuarielle Kalkulationsarbeit bedeutet dies, dass der Wirkungsgrad der unterschiedlichen Systeme analysiert werden muss. Dies erfolgt bei den Versicherern durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit eines Expertenteams, das die Systeme beurteilt, um entsprechende Effekte zu quantifizieren, die dann kalkulatorisch berücksichtigt werden.

Durch die Digitalisierung erhöht sich der Wert der technischen Geräte im Haushalt. Dies wirkt sich auf die jeweilige Versicherungssumme in der Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung aus. Bei wirksamen Systemen kann allerdings aufgrund der reduzierten Schadenhäufigkeit von einer Verringerung der Beitragssätze ausgegangen werden.

Durch die zunehmende Digitalisierung wird sich zusätzlich der Bedarf an neuen Versicherungslösungen zur Deckung der hieraus resultierenden Risiken ergeben. Zum Beispiel entwickeln die Versicherer bereits neue sogenannte Cyber-Deckungen bzw. separate Cyber-Policen, um die Kunden vor entsprechenden Cyber-Angriffen zu schützen.

Der rüstige Rentner – Gefahr und Chance

Die Senioren sind immer aktiver und leben länger. Durch unterstützende Technik wie Smartwatches und Fitness-Apps und eine gesellschaftliche Abnahme körperlicher Arbeit bleiben die Menschen länger fit.

Es ist unklar, wie diese Entwicklung das Unfallgeschehen künftig verändern wird. So kann durch regelmäßigen Sport die Stabilität des Körpers erhöht werden und sich hierdurch die Unfallgefahr reduzieren. Andererseits kann sich das Risiko zum Beispiel durch die vermehrte Nutzung von E-Bikes auch erhöhen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Veränderungen kontinuierlich im Blick zu behalten.    

Im Rahmen der Produktentwicklung der Unfallversicherung wird neben der Tarifstruktur und dem Tarifniveau die Bedürfnisse der Kunden in Bezug auf die Produktinhalte beleuchtet. Insbesondere im Unfallbereich bewirkt dies eine Veränderung in der Produktgestaltung. Durch neue Produkt- und Servicebausteine sollen passende Lösungen bereit gestellt werden.   

Immer weiter nach vorne   

Die Veränderungen in der Gesellschaft, sei es aufgrund von Demografie oder Digitalisierung, beinhalten sowohl Risiken als auch neue Chancen. In der Wahrnehmung der Menschen dominieren meistens die Gefahren, Veränderungen werden als Unsicherheit wahrgenommen. Dies hemmt nicht nur Menschen, sondern auch Unternehmen in ihrer Veränderungsbereitschaft. Doch genau genommen begleitet die Unsicherheit die Menschen ständig, auch ohne Veränderungen. Dies lässt sich sehr schön anhand der mathematischen Modelle der Aktuare verdeutlichen. Um zum Beispiel eine Prognose des zukünftigen Schadengeschehens abzuleiten, werden wahrscheinlichkeitsgewichtete Aussagen verwendet. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, was zukünftig genau geschieht, sondern nur mit gewissen Wahrscheinlichkeiten. Wird einem dieser Umstand bewusst, kann dies die Angst vor Veränderungen reduzieren. Veränderungen sollten somit stärker als Chancen wahrgenommen werden, denn hierdurch bieten sich neue Entwicklungsmöglichkeiten.  

Die Gothaer hat einen umfangreichen Change-Prozess mit dem klaren Ziel angestoßen, die zukünftigen Chancen optimal zu nutzen und die Kunden so zu begleiten, dass auch sie sich auf die Chancen konzentrieren können, indem sie die neuen Risiken abgeben.

Autoren: Maximilian Volz (VWheute) und Frank Rastbichler, Leiter Mathematik Sachversicherung von der Gothaer

Ein Kommentar

  • … ja – die Risiken werden nicht unbedingt „größer“, sie gewinnen eine andere Qualität – auch vor dem Hintergrund, dass die „Wohnwelten“ einer „Gesellschaft des langen Lebens“ andere werden: Betreutes Wohnen, ambulant betreute Wohngemeinschaften, andere hybride / „polymodulare“ Wohn- und Versorgungsformen, in denen – auch neue – v. a. aber verschiedene Akteure (ambulante Dienste, Betreungsdienste, „soziales Umfeld“) an und in den Settungs mitwirken und auch zusammenwirken (mpüssen), was auch seine „Risiken“ hat (z. B. Abholung in die Tagespflege, Einsatz von Ehrenamtlern etc. – „Schnittstellenrisiken“) …

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