„Versicherer lassen Werkstätten ausbluten“: ZKF-Präsident Börner legt im Kfz-Streit nach

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Ohne Corona würde diese Woche der Kongress  14. BF21-Kongress „Aktives Schadenmanagement“ stattfinden. Sprechen würde unter anderem Peter Börner, Präsident des Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF). Sein Beitrag wurde mit Spannung erwartet, sind doch die Kfz-Versicherer dem Vorwurf ausgesetzt, die Werkstätten auszupressen. Im Gespräch hält er den Vorwurf aufrecht und erklärt, warum der prognostizierte Unfallrückgang eine Mär ist.

VWheute: Herr Börner, ihr  Thema auf der Veranstaltung wäre „Digitales Schadenmanagement – Was wird die Zukunft den Kfz-Betrieben abverlangen?

Peter Börner: Die Frage ist doch, was werden die Versicherer den Betrieben abverlangen? Derzeit ist die Realität, dass organisierte Auftraggeber den Betrieben in ihren Systemen die Digitalisierung vorgeben und hierbei die Interessen der Werkstatt nicht berücksichtigt sind. Mein Thema auf dem BF21-Kongress wäre gewesen, eine Digitalisierungsstrategie aus Sicht der Werkstatt vorzustellen und dabei die Interessen der Werkstatt in den Mittelpunkt zu stellen, denn über eins sind wir doch auch im Klaren: Eine Werkstatt die für mehrere Schadenlenker und Versicherungen arbeitet, kann nicht gleichzeitig mehrere Systeme, Portale und unterschiedliche Digitalisierungsstrategien bedienen und mitgehen.

VWheute: Direkt zur Sache, sehr gut. Welchen Einfluss hat die Künstliche Intelligenz/Digitalisierung auf das Schadenmanagement im Kfz-Bereich?

Peter Börner: Noch keine, aber vorstellen kann man sich zahlreiche Einflüsse. Unter anderem, dass auf Basis von Bildern oder Sensormeldungen bereits eine Schadenmeldung und -kalkulation erfolgen könnte, ohne dass ein Fachmann das Fahrzeug in Augenschein genommen hat. Inwieweit die Ergebnisse korrekt und annehmbar sind, ist derzeit noch nicht abschließend zu beurteilen. Es geht aber noch weiter, unter anderem könnte durch künstliche Intelligenz das Auto selbst entscheiden, welche Werkstatt es jetzt aufsucht, welchen Schadenlenker es informiert und an welchen Rechtsanwalt, Sachverständigen und Versicherer die Schadenmeldung gesendet wird.

Sicherlich noch alles etwas weit hergeholt, aber bereits in einigen Unternehmen als zukünftige Ausrichtung vorgesehen. Wir als Berufsverband wollen den Autofahrer in den Mittelpunkt stellen, um ihm eine Möglichkeit zu geben, eine Beschädigung an seinem Fahrzeug eigenständig erfassen zu können und ihm dann mittels intelligenter Tools, die richtige Reparaturwerkstatt zu empfehlen.

VWheute: Ist es künftig noch nötig, dass ein Auto der Werkstatt vorgestellt wird – oder sagt die Technik vorab, was gemacht wird?

Peter Börner: Dabei stellt sich zunächst die Frage was ist künftig? Ich glaube, in absehbarer Zeit wird es nicht möglich sein, einen Schadenumfang vollständig über Bilder oder Sensormeldungen erfassen zu können. Noch immer verbergen sich hinter den Verkleidungen ganz unterschiedliche Struktur- und Anbauteile, die je nach Aufprallwinkel, Masse, Geschwindigkeit ganz unterschiedlich in die Beschädigung des Fahrzeuges einbezogen sind. Langfristig gesehen müssen wir aber davon ausgehen, dass die Technik immer intelligenter wird und daraus lernt, was das fachmännische Auge mit dem erlernten Wissen heute entschieden hat.

VWheute: Eine These ist, dass die Vielzahl von Sensoren und Kameras in den Autos zwar die Kosten bei einem Schaden erhöht, aber gleichzeitig die Zahl der Unfälle sinken lässt. Welche Entwicklung sehen Sie?

Peter Börner: Das wird aus vielen Berechnungen und Prognosen genauso abgeleitet, ist aber aus unserer Erfahrung heraus nicht der Fall. Als seinerzeit das ABS in den Fahrzeugen Einzug erhielt, wurde uns auch prognostiziert, dass es in Zukunft keine Unfallschäden mehr ergeben wird. Das hat sich augenscheinlich nicht bewahrheitet. Heute stellen wir fest, dass alle bisherigen Einparksensoren genau dazu geführt haben, dass wir mehr Stoßfängerverkleidungen ersetzt und lackiert haben als jemals zuvor.

Die Zahl der Autos steigt, der Verkehrsraum bleibt gleich. Ein Notbremsassistent der heutigen Generation sorgt dafür, dass viele Menschenleben im Verkehr gerettet werden können. Andererseits sorgt er auch dafür, dass das Fahrzeug möglicherweise nicht mit 50 km/h kollidiert, sondern durch den Assistenten deutlich abgebremst wird. Dies führt dazu, dass ehemalige Totalschäden nicht mehr entstehen, sondern nun doch repariert werden und somit zu einer höheren Auslastung in unserer Branche führen.

VWheute: Sind E-Autos im Durchschnitt einfacher und günstiger zu reparieren als Benziner?

Peter Börner: Unser Schwerpunkt ist die Karosserie und der Lack, also alles was um die Technik herum gebaut ist. Dort verändert das Antriebskonzept kaum etwas, insoweit entsteht bei der Karosserie- und Lackreparatur kein großer Einfluss auf die Schadenhöhe. Ein erhöhter Aufwand entsteht durch zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen, Spannungsfreischaltung und zusätzliche Kalibrierungsarbeiten im Rahmen der Reparatur. Einfacher wird es ganz sicher nicht, was die Hoffnung auf eine günstigere Instandsetzung ausschließt.

Peter Börner, Präsident des Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF). Quelle: ZKF.

VWheute: Zuletzt haben einige Werkstätten Vorwürfe gegen die Versicherer erhoben. Diese würden die Betriebe ausbluten lassen. Ihre Meinung dazu?

Peter Börner: Das ist grundsätzlich richtig und das möchte ich auch gleich nochmals erläutern. Allerdings muss man die Sache differenzierter betrachten. Ja, wenn ein Versicherer wissentlich einen Stundensatz unter der Kostendeckung der Werkstatt zahlt und dabei noch willkürliche Kürzungen der Rechnungen vornimmt, dann ist das als ein nicht partnerschaftliches Verhalten auszulegen. Auf der anderen Seite hat sich die Werkstatt mit dem Schadenlenker oder der Versicherung in ein Vertragsverhältnis begeben. Innerhalb dieses Vertrages ist geregelt, was der eine gibt und bekommt und was der andere gibt und bekommt. Läuft nun eines der Versprechen bei einem der Vertragspartner aus dem Ruder, ist nachzubessern. Dies stellen wir insbesondere in diesem Jahr in Bezug auf das versprochene Schadenvolumen fest. Hier muss deutlich nachgebessert werden.

Der zweite Ansatz sind die Kostensteigerungen in Bezug auf Löhne, Energie, Pacht und Investitionen, die seit Jahren nicht in die vereinbarten Stundenverrechnungssätze einbezogen wurden. Hier ist es in den letzten Jahren unterlassen worden, diese steigenden Kosten entsprechend auszugleichen. Nun stehen wir an diesem Punkt, an dem augenscheinliche Umsatz nicht mehr ausreicht, um die Kosten zu decken. Aus diesem Grund haben wir den Versicherungen diese Tatsache deutlich gemacht und eingefordert, hier endlich zu handeln.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

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