Hanse Merkur im digitalen Stresstest

Hanse Merkur

Im Juni erklärte Vertriebsvorstand Eric Bussert offen, dass Prognosen zum Geschäftsjahr 2020 nicht seriös seien. Wie bei anderen Playern haben sich die Spielregeln bei der Hanse Merkur von einem Tag auf den anderen geändert, Gewinnziele wackeln. Die Bilanz-Konferenz heute wird zeigen, wie es in den nächsten Monaten weitergeht. Der Hamburger Traditionsversicherer hat sich in den letzten Wochen sichtlich bemüht, trotz der Krise gute geschäftliche Akzente zu setzen. Das könnte sich langfristig auszahlen.

Im Juni erklärte Bussert gegenüber der Versicherungswirtschaft, dass die aktuelle Krise die Digitalisierung „noch einmal beschleunigen“ wird, dadurch würden Prozesse und Abläufe „nachhaltig beeinflusst“. Die Hanse Merkur setzte während der heißen Corona-Phase neben den bestehenden Kanälen auf den Kollegen Roboter, um den Kunden Hilfe anzubieten. Der „Corona-Bot“ ermöglichte eine medizinische Ersteinschätzung, enthält individualisierte Handlungshinweise und beantwortet häufige Fragen zu COVID-19. Das Angebot erfolgt in Kooperation mit dem Leipziger Startup DOCYET und steht auch Nicht-Versicherten zur Verfügung.

Das eigene Portfolio hat der Versicherer in der Krise -mit Ausnahmen der Krankenversicherung – nicht verändert, jedoch seinen Absatzkanal ausgebaut. Seit Ende Mai hat sich das Hamburger Haus mit einem anderen in der Hansestadt ansässigen Schwergewicht vertrieblich verbunden und versucht so, den Absatz anzukurbeln. Die Partnerschaft mit Tchibo reicht von Zahn- und Krankenzusatzversicherungen bis hin zu Speziallösungen wie einer Police, die OP-Kosten bei Hunden übernimmt. Zusätzlich gibt es eine 100 Tage Geld-zurück-Garantie bei Abschluss.

Komposit unaufällig, Reisversicherung fällt

Im Kompositbereich gibt es bei der Hanse Merkur keinen wirklichen Einbruch, doch dürfte Wachstum immer willkommen sein. Dafür haben die Hamburger mit Arne Bröker einen nach eigenen Angaben „versierten SHU-Profi“ an Bord genommen. Er wird sich deutschlandweit als Vertriebsdirektor im Geschäftsfeld Schaden und Unfall dem „konsequenten Ausbau“ der Kompositsparte widmen – VWheute berichtete über die Personalie. Ob sich die Hanse Merkur bereits in die (Komposit)-Karten für das laufende Jahr schauen lässt, wird die heutige Konferenz zeigen. Große Verluste sind nicht zu erwarten, denn den Bedarf an einem Hausrat- oder Wohngebäudeschutz verändert auch eine Pandemie nicht.

Bereits im Februar konnte der Reisevertrieb der Hanse ­Merkur international personell gestärkt werden.  Fuad Izmirlija wurde als Geschäftsleiter der Hanse Merkur International AG bestellt, Vera Scheuermann übernahm den Reisevertrieb International & Online als Bereichsdirektorin. Die beiden haben dank Corona keine leichtes erstes Jahr, denn während einer Pandemie sinkt die Reiselust rapide. Im besagten Interview bestätigte der Vorstand, dass es im Geschäftsfeld Reiseversicherung „erhebliche Rückgänge“ gäbe, doch er rechnet auch mit einer sukzessiven Erholung, wenn der Tourismus wieder anzieht.

Show must Go on

Generell ist das Lamentieren seine Sache nicht, sodass der vertriebsverantwortliche Bussert in der Krise auch Chancen sieht. Das gelte besonders in der Krankenversicherung. Wer den Kunden in einer Krise „zahlreiche“ Mehrwerte“ biete, habe auf dem Markt „beste Chancen“. Wie er den Wettbewerb nach Corona angehen möchte, darüber wird Bussert auf der morgigen Veranstaltung sicherlich Auskunft geben. Im Jahr 2018 hatte das Unternehmen die höchsten Beitragseinnahmen in der Unternehmensgeschichte veröffentlicht, auch für das kommende Jahr wird eine gute Entwicklung erwartet. Schwieriger dürfte 2020 werden.

Bei der Hanse Merkur ist die Stimmung trotzdem „gut“. Das hat wohl auch damit zu tun, dass sich der Versicherer schnellt auf die neue Situation einstellte. Schon im Februar, also vor der großen Welle in Deutschland, wurde ein Krisenstab gebildet. In der heißen Phase wurden 90 Prozent der Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Das Geschäft lief weiter. Die große Erkenntnis: Man ist vielleicht weiter als selbst gedacht.

Autor: Maximilian Volz