Markenkampf der Versicherer: Das Image, der Fußball, die Fehler

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Die internationale Geldmaschine Fußball läuft wieder auf Hochtouren. Oliver Bätes Geschäftspartner Karl-Heinz Rummenigge lobt den „deutschen Weg“. Im August soll binnen einer Woche sogar die Champions-League-Saison fertig gespielt werden. Für die Versicherer ist das gut – vor allem mit Blick auf Sponsoring und Markenwerte, die zuletzt gelitten haben. Die Branche hat die große Chance, nicht nur mit den scheinbar unangenehmen Dingen des Lebens in Verbindung gebracht zu werden, sondern Lebensgefühle zu transportieren, Sicherheit in unsicheren Zeiten anzubieten. Das zu zeigen, fällt ihnen häufig schwer.

Corona bremst das Werbegeschäft der Branche. Laut einem Bericht des Beratungsunternehmens Brand Finance drohen den 100 größten Versicherungsunternehmen der Welt aufgrund der Corona-Pandemie Einbußen im Markenwert von bis zu 100 Mrd. US-Dollar. Auch, weil sie ihre Kampagnen im Kampf um Reichweiten und Popularität nicht mehr so steuern können wie zuvor. Vor allem im Sport litt das Geschäft.

Marken wurden nicht prominent jede Woche über die Fernsehbilder oder Fotos präsentiert, die Logen in den Stadien können nicht für Geschäftsbeziehungen oder Marketing-Maßnahmen genutzt werden. Die Deutsche Familienversicherung etwa hat sich in der Frankfurter Commerzbankarena einen festen Platz eingerichtet, die Allianz verfügt als Namensgeber der Münchener Arena über mehrere eigene Logen. Auch das ist Teil des Geschäfts. Sehen und gesehen werden.

Der Sport als Werbekanal bildet laut Vereinigung der Sportsponsoring-Anbieter einen mächtigen Wirtschaftsfaktor, generiert in Deutschland jährlich ein Geschäftsvolumen von mehr als drei Mrd. Euro – Tendenz steigend. Neben Big Playern sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen wichtige Träger der Sponsoringgesamtausgaben. Sie stellen rund 50 Prozent des Sponsoringvolumens bereit.

„Marken müssen überlegen, wie sie ihr Marketing zukünftig gestalten. Wir beobachten weltweit, dass Covid-19 das Sponsoring nicht komplett umkrempelt, sondern Entwicklungen und Tendenzen beschleunigt – insbesondere was ein größeres Fan-Engagement im Digitalbereich betrifft. Es zeichnen sich auch Trends ab zu mehr gesellschaftlicher Verantwortung im Zusammenhang mit einem Sponsoring-Engagement.“

Mike Wragg, Werbeexperte

Logos auf der Bande reichen nicht aus

Indes haben sich die Spielregeln in der Werbewelt stark geändert. „Als Eintracht Braunschweig 1977 das Jägermeister-Logo auf seinen Mannschafts-Shirts präsentierte, war das eine Revolution: Die erste Sponsoring-Aktivierung der Fußball-Bundesliga“, sagt Brand-Spider-Direktor Nenad Miljkovic heute. „Über 40 Jahre später erschafft die Platzierung eines Logos auf einem Banner oder T-Shirt für sich kein Engagement mehr mit den Zielgruppen und wird schnell als Spam wahrgenommen. Heute ist Sponsoring ein komplexes Feld der fortlaufenden Innovation, in dem der Content das Herzstück geworden ist“, glaubt der Experte.

Erfolgreiche Sponsorings müssten die Interessen der Zielgruppe treffen und Mehrwerte liefern. Falls diese Mehrwerte mit den Markenwerten übereinstimmten oder sogar mit Produkten in Verbindung gebracht würden, entstehe ein Perfect Fit für alle Beteiligten. Die Geschichte, die eine Marke mit ihrem Engagement erzählt, muss aus Sicht von Zuschauern und Fans stimmen.

Der Ball muss rollen

Nach langem Hin und Her mit der Politik rollt der Ball in der Bundesliga seit Mitte Mai wieder – er muss rollen, aus wirtschaftlichen Gründen. Der geschätzte maximale Verlust im Bereich der Werbeeinnahmen wird in der Fußballsaison 2019/2020 aufgrund der Corona-Pandemie auf 250 Mio. Euro beziffert. Zur Einordnung: In der vergangenen Spielzeit spülte der Kanal Werbung 845 Mio. Euro in die Kassen der Vereine.

Versicherer bekennen sich in dieser schwierigen Zeit für ihre Partner, auch in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Für die Bayerische, Hauptsponsor vom TSV 1860 München, kommt ein Ausstieg nicht infrage. „In dieser existentiellen Krise stehen wir fest an der Seite der Löwen“, sagte Martin Gräfer, Vorstand der Versicherungsgruppe. „Obwohl wir als Haupt- und Trikotsponsor aufgrund der Pausierung des Ligabetriebs kaum Werbeleistungen erhalten, unterstützen wir den TSV 1860 München weiterhin in vollem Umfang.“

Auch die Allianz will sich weiterhin engagieren: Alleine durch die besagte Arena im Münchener Stadtteil Fröttmaning bleibe man über lange Zeit verbunden. Der Versicherer lässt sich diese Rechte schätzungsweise sechs Mio. Euro pro Saison kosten.

„Marken müssen überlegen, wie sie ihr Marketing zukünftig gestalten. Wir beobachten weltweit, dass Covid-19 das Sponsoring nicht komplett umkrempelt, sondern Entwicklungen und Tendenzen beschleunigt – insbesondere was ein größeres Fan-Engagement im Digitalbereich betrifft. Es zeichnen sich auch Trends ab zu mehr gesellschaftlicher Verantwortung im Zusammenhang mit einem Sponsoring-Engagement“, sagt Werbeexperte Mike Wragg.

Steuervorteile

Indes hat das Bundesfinanzministerium sogar steuerliche Erleichterungen für Unternehmen geschaffen, die Geschäftspartner finanziell unterstützen, weil sie durch die Coronakrise in eine Notsituation geraten sind. Akteure, die sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Eindämmung der Pandemie engagieren und jene unterstützen, die in noch nie da gewesener Weise bei der Erledigung des Alltags gefährdet seien, würden demnach steuerlich entlastet werden (BMF, Schreiben vom 9. April.2020, IV C 4 – S 2223/19/10003 :003).

Aufwendungen für Sponsoring-Maßnahmen sind zum Betriebsausgabenabzug zugelassen. Das ist der Fall, wenn der Sponsor wirtschaftliche Vorteile, die in der Sicherung oder Erhöhung seines unternehmerischen Ansehens liegen können, für sein Unternehmen erstrebt. Erreichbar sind diese  wirtschaftlichen Vorteile dadurch, dass der Sponsor öffentlichkeitswirksam auf seine Leistungen in der Coronakrise aufmerksam macht. Die Zuwendungen sind beim Empfänger als Betriebseinnahme mit dem gemeinen Wert anzusetzen.

Was bleibt am Ende hängen?

Hinter der Lust an der Werbung steckt die Lust der Versicherer, Marken und Produkte emotional aufzuladen. Gerade in Coronazeiten, fernab von kritischen Debatten etwa um die Betriebsschließungsversicherungen, ein wichtiger Hebel im positiven Zugang und der Präsenz beim Kunden.

Wie oft hört man von einer vermeintlichen Ödnis im Policendschungel, von komplizierten Formularen, die eigentlich keiner unterschreiben will, von einer Branche, die als unsichtbarer Körper einfach nicht sexy sein kann, von dem Versichert-Sein als Pflicht. Ganz anders sei das in der Tech- oder Automobilbranche, wiederholen die Marketers. Kleine Krisen, große Krisen, Schwamm drüber. Die Versicherungswirtschaft wurmt das ihnen anhaftende Image, auch wenn sie es nicht gerne zugeben. Die Werbeoffensiven sind das Resultat.

Ihr Auftrag: Sichtbar sein, Bekanntheit und Image verbessern, mehr Produkte verkaufen. Fieberhaft suchen die Marketingstrategen nach emotionalen Werten, also Indikatoren, die die Aufmerksamkeit des Zuschauers messen, Auskunft darüber geben, was am Ende hängen bleibt und wie sich dies in seinem künftigen Kaufverhalten niederschlagen wird. Der Sponsor muss in der Lage sein, eine Geschichte darum zu konstruieren, die zu seiner Marke passt.

Werbung nicht wie Werbung aussehen zu lassen, darin besteht das Kunststück. Red Bull macht es vor. Ob bei Extremsportarten, Fußball oder in der Club- und Musikszene wie in jugendlichen Subkulturen. Immer geht es darum, tief in eine „Erlebniswelt“ einzudringen und sie mitzuprägen. Die jeweiligen Milieus bevorzugen Glaubwürdigkeit statt Dauerunterhaltung. Nicht das Logo ist die Markenbotschaft, sondern das transportierte Lebensgefühl.

Ob Thomas Müller den Bayern-Fans bei einem seiner Tore bald den blauen Adler zeigt? Fraglich.

Autor: Michael Stanczyk