Anwalt von Ahrtal-Opfern: „Versicherer sprachen von schneller, unbürokratischer Hilfe. Das ist alles Quatsch, das stimmt nicht“
Nächste Woche jähren sich die Flut-Ereignisse im Ahrtal zum dritten Mal. Viele Geschädigte stehen unter Zeitdruck, denn sie streiten um den Anspruch auf die Neuwertspitze. Deren Anwälte klagen über komplizierte Verfahren, berichtete die Tagesschau. Doch der GDV beruhigt, was den Stichtag angeht.
Starke Regenfälle hatten am 14. und 15. Juli 2021 vor allem im südlichen Nordrhein-Westfalen und nördlichen Rheinland-Pfalz verheerende Überschwemmungen verursacht, die ganze Landstriche verwüsteten. Mehr als 180 Menschen starben. Das von Sturmtief „Bernd“ ausgelöste Hochwasser kostete die Assekuranz 8,75 Milliarden Euro und bis zum Juli 2023 hätten laut GDV betroffene Kunden 6,7 Mrd. Euro ausbezahlt bekommen. „Wenn noch nicht der komplette Betrag geflossen ist, liegt das in der Regel an Materialengpässen oder fehlenden Handwerkerkapazitäten“, sagte damals Jörg Asmussen. „Wo noch gebaut wird, kann noch nicht alles ausgezahlt worden sein.“ Die Schadenregulierung könne eben nur so schnell sein wie der Wiederaufbau.
Nächste Woche jähren sich die Flut-Ereignisse im Ahrtal zum dritten Mal. Viele Versicherer werden sich im Vorfeld mit Pressemitteilungen zur Schadenregulierung melden und darüber berichten, welche Lehren man daraus gezogen hat und wie viel man bereits Kunden ausbezahlt hat. Doch nicht alle haben ihre volle Entschädigungssumme erhalten und bangen nun um den Anspruch auf die Neuwertspitze. Drei Jahre nach dem Schadensfall müssen Geschädigte ihrem Versicherer nachweisen, dass sie wirklich wieder aufbauen. Nur dann werden sie nicht nur für den Zeitwert des zerstörten Eigentums entschädigt, sondern bekommen den Neuwert erstattet. Die Differenz ist die sogenannte Neuwertspitze. Die Tagesschau zitiert den Anwalt Markus Krämer, der die Frist für viel zu kurz hält, es seien sehr viele vom Stichtag betroffen. „Die Politik sprach von schneller, unbürokratischer Hilfe; die Versicherer von schneller, unbürokratischer Hilfe. Das ist alles Quatsch, das stimmt nicht.“ In der Praxis sei das genaue Gegenteil der Fall. „Ich habe selten so komplizierte Verfahren erlebt wie hier.“
Er unterstellt den Versicherern ein bewusstes Hinauszögern, denn läuft die Frist ab, dann spare der Versicherer viel Geld und Geschädigte müssten aus der Fluthilfe vom Steuerzahler Ansprüche zu stellen. Auch in einem im Juni veröffentlichen Juni-Beitrag in der Welt kommt der Anwalt zu Wort. Dass noch vielerorts gebaut werde, liege laut dem Anwalt Markus Krämer auch an den Versicherern selbst. Sie seien von der Vielzahl der Schadenfälle Fälle überfordert gewesen und agieren nach wie vor unflexibel. Die Folge seien oft lange Verzögerungen. „Handwerker machen einen Kostenvoranschlag, die Versicherung benötigt Monate, um den zu prüfen und inzwischen sind die Kosten so stark gestiegen, dass eine neue Kalkulation erforderlich ist“ zitiert ihn die Welt.
Andererseits wird im Tagesschau-Bericht darauf hingewiesen, dass Versicherer für die langen Genehmigungsverfahren auch nichts können. Dass Handwerker und Gutachter rar sind, kann man auch nicht Versicherern in die Schuhe schieben. Deshalb wird der GDV mit den Worten zitiert: „Nicht abgeschlossene Schadenfälle werden weiterhin bearbeitet. Niemand muss befürchten, dass die Versicherer am 15.07.2024 ‚die Arbeit einstellen‘ werden.“ Ausgenommen seien die Fälle, in denen der Wiederaufbau nicht sichergestellt sei, die Versicherten also nichts unternommen hätten. Die R+V Versicherung beispielsweise hat nach eigenen Angaben die Frist für den Nachweis der Wiederherstellung des Gebäudes von drei auf fünf Jahre verlängert.
Autor: VW-Redaktion