Bafin-Aufsicht in der Kritik: 13.000 DVAG-Vermittler könnten ihre Zulassung abgeben
Der Wirecard-Skandal zieht weite Kreise. Auch die Aufsicht erlebte hier einen Moment der Schwäche. Präsident Felix Hufeld räumte Fehler ein. Kritiker aus der Branche nehmen das mit Kusshand an, zweifeln offen an der aktuellen Leistungsfähigkeit der Bafin und schießen an anderer Stelle gegen die Pläne, ihr die Kontrolle über die Vermittler zu übertragen. Die politische Entscheidung ist derzeit ausgesetzt. Die Vermittler selbst werden Experten zufolge wohl die Flucht ergreifen.
Ein Aufseher lebt wie ein Schiedsrichter von seiner Autorität. Ist diese beschädigt, wittern die Spieler ihre Möglichkeiten, sei es auf dem Fußball- oder Finanzfeld. Der Wirecard-Skandal, dem VWheute das gestrige SCHLAGLICHT widmete, untergräbt das Ansehen der Finanzaufsicht Bafin. „Das ist ein komplettes Desaster, das wir da sehen, und es ist eine Schande, dass so etwas passiert ist“, erklärte Hufeld offen. „Wir befinden uns mitten in der entsetzlichsten Situation, in der ich jemals einen Dax-Konzern gesehen habe“. Wegducken will er sich nicht, seine Behörde sei „nicht effektiv genug gewesen, um zu verhindern, dass so etwas passiert“.
Die Krise kommt für die Bonner zu einem schlechten Zeitpunkt. Eigentlich sollte die 34f- und h-Vermittler nach ab 2021 unter Bafin-Aufsicht kommen, doch die politische Entscheidung wurde verschoben. Die Kritiker der Aufsichtsverschiebung, vorneweg der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) wittern bereits ihre Chance, ein fast verlorenes Spiel noch zu drehen. „In Anbetracht des Wirecard-Skandals und der damit mehr und mehr öffentlich werdenden Versäumnisse erscheint es unmöglich, der Bafin zusätzliche Aufgaben zu übertragen, schreibt Norman Wirth, Vorstand des Verbandes in einer Pressemitteilung.
Der SPD-Finanzminister Olaf Scholz, das Finanzministerium und die Bafin sollten bestehende Strukturen und Arbeitsweisen der Bafin hinterfragen und aufarbeiten, anstatt für viele Millionen Euro und mit viel Personal dort neue, völlig unnötige Strukturen für die 34f-Vermittler zu schaffen, heißt es weiter. „Das geplante Gesetz ist so wertlos wie aktuell die Wirecard-Aktie“, zürnt Wirth.
Es kann eingewendet werden, dass der Wirecard-Skandal nicht in Verbindung zur Vermittleraufsicht steht, doch lebt eine Behörde von ihrer Autorität und dem Ansehen in der Bevölkerung und Politik. Dieser ist der Skandal abträglich.
Studie zeigt Vermittler offen für Änderung
Von Kritikern wie dem AfW und dem Bundesverband der deutschen Versicherungskaufleute (BVK) wurde die Übertragung der Aufsicht auf die Bafin immer wieder kritisiert: Zu teuer, unnötig und aufwendig waren die größten Kritikpunkte, lange vor Wirecard. Zudem werde dadurch das Vermittlersterben beschleunigt, doch genau diese den Menschen die benötigte Beratung bieten.
Eine aktuelle Studie des Petersmann-Instituts zeigt dagegen, dass „fast 70 Prozent der gehobenen Finanzanlagenvermittler ihre Tätigkeit unter der Bafin-Aufsicht fortführen würden. „Es werden rund zwölf Prozent der Vermittler ihre Lizenz aufgeben“, heißt es in der Studie. Die Zahlen von anderen Verbänden sind weitaus höher, teilweise wurde von bis zu 40 Prozent gesprochen. Der Leiter des Instituts, Hartmut Petersmann, sprach gegenüber VWheute von zehn bis maximal 30 Prozent, die ihre Tätigkeit einstellen würden.
Wirth macht dagegen folgende Rechnung auf: „Von den ca. 37.000 Vermittlern mit Zulassung nach § 34 f GewO sind nahezu die Hälfte an große Vertriebe angeschlossen. Allein ca. 13.000 bei der DVAG. Diese werden – wenn das Gesetz doch kommen sollte – mit sehr hoher Sicherheit ihre Zulassung abgeben und sich der jeweiligen Vertriebsgesellschaft unmittelbar anschließen.“ Von den übrigen werden mindestens die Hälfte sich nicht dem „Bafin-Regime“ unterordnen, also die Zulassung abgeben. Diejenigen, die abgeben, werden sich zum Teil einem Haftungsdach anschließen, oder auch gar nicht mehr im Finanzanlagenvermittlungsgeschäft aktiv sein, glaubt Wirth. Insgesamt wären das weit mehr Vermittler als in der Petersmann-Studie prognostiziert.
Der BVK-Präsident Michael H. Heinz schließt sich der Kritik Wirths an. „Die von Ihnen zitierte Passage der Petermann-Studie bestätigt uns in der Einschätzung, dass die geplante Verlagerung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bafin mit vielen Mehrkosten für diesen Berufsstand verbunden sein wird. Dies wird dazu führen, dass gerade diejenigen Finanzanlagenvermittler erheblich leiden werden, die einen geringeren Kunden- und Investmentbestand betreuen.“ Das werde „gerade viele kleinere Vermittler wirtschaftlich überfordern und aus dem Markt drängen sowie Neugründungen verhindern. Die Folge wird sein, dass ihre Anzahl sinkt.“
Dies sei im Hinblick auf das Thema der privaten Altersvorsorge und Altersvorsorgeprodukte und des demografischen Wandels problematisch. Denn eine Versorgungslücke bzw. Unterdeckung mit Finanzanlagenvermittlern und damit einhergehendem eingeschränktem Leistungsangebot wird zu „erheblichen Nachteilen bei Verbrauchern führen“, erklärt Heinz.
Es könne nicht im Interesse der Kunden und des Verbraucherschutzes sowie der Anleger sein, wenn ein Teil der Vermittler das Gewerbe aufgibt und sich dann die Anlagevermittlung und -beratung vermehrt auf große Vertriebe und Banken konzentriert und so die Beratungsvielfalt abnimmt“, stimmt Heinz in die Kritik an der Bafin mit ein. „Die Verschiebung des Beschlusses über die Aufsichtsübertragung deutet darauf hin, dass die politischen Entscheidungsträger noch zusätzlichen Beratungsbedarf haben. Wir hoffen sehr, dass im Zuge dieses Prozesses diese Aufsichtspläne aufgegeben werden. Jedenfalls wird sich der BVK weiterhin dafür einsetzen.“
Nicht wenige spekulieren hinter vorgehaltener Hand, dass Teile der Politik eine von Heinz und Wirth befürchtete Reduktion der Berateranzahl befürworten. Eine kleinere Gruppe ist leichter zu beaufsichtigen und vielen Politikern ist die Provisionsberatung seit jeher ein Dorn im Auge.
Gewinner Haftungsdach?
Wirth spricht neben aller Kritik einen interessanten Aspekt an, die (mögliche) Flucht der Vermittler unter ein Haftungsdach. „Man kann tendenziell sagen, dass je größer der Investment Bestand, desto gelassener die Stimmung. Je kleiner der Bestand, desto eher kommen Überlegungen hoch, das Investment-Vermittlungsgeschäft ganz aufzugeben, seinen Bestand zu verkaufen oder unter ein Haftungsdach zu schlüpfen, heißt es in der Studie. Wenigstens die Unternehmen in diesem Bereich, beispielsweise Jung, DMS & Cie (JDC), müssten also doch pro Bafin-Aufsicht sein.
Müssten – doch Sebastian Grabmaier, Vorstandsvorsitzender von JDC erklärt: „Auch wenn Unternehmen wie JDC, die heute schon erfolgreich ein aktives Haftungsdach für Investmentvermittler betreiben, sicher Marktanteile gewinnen werden, weil sich eine gute Zahl von Vermittlern den neu eingeführten „Vertriebsgesellschaften“ anschließen werden, befürchten wir, dass die geplanten Regulierungsschritte auch dazu führen, dass viele -vor allem ältere- Vermittler das Investmentgeschäft aufgeben und sich auf ihr Versicherungsgeschäft und die Vermittlung von Vermögensverwaltungsmandaten beschränken werden.“ Für Kunden, die ja eigentlich in Altersvorsorge investieren sollen und dafür eine Beratung brauchen, sei dies erst einmal negativ, „Verbraucherschutz also Fehlanzeige“. Eine zentrale Bafin-Aufsicht über Finanzanlagenvermittler sei „ungeeignet, teuer, unverhältnismäßig und auch verbraucherfeindlich“.
Kommt sie doch?
Es ist unwahrscheinlich, dass sich die negative Sichtweise einiger Marktteilnehmer auf die Bafin oder einer Erweiterung ihrer Aufgaben mit dem Wirecard-Skandal verändert hat. Dass die Entscheidung derzeit, aus anderen Gründen, auf Eis liegt, erschwert die Situation.
Trotz aller Kritik, Petersmann glaubt weiter an die Übertragung auf die Bafin, wie er im Gespräch erklärte. Auch der ehemalige Staatssekretär des Verbraucherministeriums Fred Billen glaubt an den Wechsel. Die Bafin selbst wollte sich weder zur Studie noch zu Spekulationen äußern.
Autor: Maximilian Volz