Ein Deal wie ein Krimi: Exor verkauft Partner Re an Covea

Covea-Chef Thierry Derez, Photo Stéphanie Têtu

Wächst hier ein neuer Rückversicherungsgigant heran? Die niederländische Investmentgesellschaft Exor, im Besitz der italienischen Unternehmerfamilie Agnelli, will den Rückversicherer Partner Re an die französische Versicherungsgruppe Covea verkaufen. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde abgegeben. Es entsteht einer der größten Rückversicherer am Markt, doch noch spannender ist die Vorgeschichte von Betrug, Männerfeindschaft und geplatzten Übernahmen.

Das Geschäft ist für den Verkäufer Exor lukrativ. Das Unternehmen wird laut einer Pressemeldung neun Milliarden Dollar und eine Cash-Dividende von 50 Millionen erhalten. Gekauft hatte Exor den auf den Bermudas sitzenden Rückversicherer Partner Re im März 2016 für 6.72 Milliarden, also rund drei Milliarden in drei Jahren verdient.

Es ist nicht der erste Rückversicherungscoup der Familie Agnelli, die hinter Exor steht. Die Agnellis sind eine italienische Unternehmerfamilie, deren Mitglieder unter anderem die Mehrheit am Fiat-Chrysler-Konzern halten, besaßen vor Jahren die US-amerikanische Constitution Re Corporation. Die einstige Tochtergesellschaft des Kopierer-Herstellers Xerox hatten sie im Jahr 1994 für 400 Mio. US-Dollar gekauft und 1998 an die Gerling Konzern Globale mit Gewinn weiterveräußert.

Glück gebracht hat der Kauf Gerling nicht. Wegen einer offenbar mangelhaften Prüfung entging dem Käufer, dass das Unternehmen unterreserviert war, insbesondere in Sachen Asbest-Exposures. Dies führte im Zusammenhang mit den 2001er World Trade Center-Ereignissen zur Einstellung des Geschäftsbetriebs. Offenbar waren die Managerfehler so groß, dass einem Verantwortlichen die Betriebsrentenbezüge wegen grober Pflichtverletzung gestrichen wurden. Einige Markteilnehmer sprechen davon, dass es der Sargnagel für die internationalen Bestrebungen Gerlings war, im Jahr 2006 kaufe der Talanx-Konzern die Gerling auf.

Partner Re hat Potenzial

Die Taktik der Agnelli bei Partner Re ist dieselbe wie zuvor bei Constitution Re. Das Unternehmen wird günstig gekauft, es werden Ressourcen und Knowledge investiert, sodass es zu einer Vermehrung des Wertes kommt, der schlussendlich kapitalisiert wird.

Aktuell hat Partner Re seine Zahlen präsentiert und zeigte Wachstum in vielen Bereichen, auch wenn sich große Unwetter bilanziell bemerkbar machten – VWheute berichtete.

Zahlen der Partner Re 2019 (Auszug), vom Unternehmen.

Die steigenden Zahlen von Partner Re überraschen nicht, der Rückversicherungsmarkt befindet sich im Aufschwung, die Preise steigen wieder, nicht zuletzt, weil es zu einer Konsolidierung des Marktes gekommen ist.

Zudem wird das Wissen über Schadenprävention und -vorhersage global gesehen immer wichtiger, was den Unternehmen in die Karten spielt. Eberhard Faust, Forschungsleiter Klimarisiken Munich Re, prophezeite bei einem Vortrag in Mannheim im Vorjahr, das die Überschwemmungsereignisse in diesem Jahrhundert zunehmen werden, in Mitteleuropa um das doppelte, im Osten- und Südosten Asiens wohl um das Fünffache. Die Anzahl der tropischen Wirbelstürme, verantwortlich für rund 80 Prozent der Schäden, wird zwar ab-, aber deren Stärke zunehmen. Mehr Schäden sind für Rückversicherer zwar erst einmal bilanziell schlecht, sorgen aber für Nachfrage nach Schutz und Wissen über Entstehung, Vorbeugung und Schadenbeseitigung. Kaum ein (Erst-) Versicherer und auch nur wenige Staaten können in Zeiten des Klimawandels das Hurrikan- oder Unwetterrisiko selbst stemmen, weswegen die Bedeutung der Rückversicherer zusätzlich steigt. Dennoch ist der Rückversicherungsmarkt kein El Dorado, in dem jeder Gewinn einstreicht, wie der US-Staranleger Warren Buffett und sein Unternehmen Berkshire Hathaway kürzlich schmerzlich erfuhren.

Es entsteht ein Gigant

In diesem umkämpften aber an Bedeutung gewinnenden Feld der Rückversicherung agiert Partner Re, nach der Bruttobeitragssumme ein Top-Ten Unternehmen.

Quelle: Statista

Nun erhält das Unternehmen mit Covea einen potenten Partner, der derart überkapitalisiert ist, dass es händeringend eine Kaufgelegenheit suchte. Anfang des vergangenen Jahres war eine Übernahme des französischen Rückversicherer SCOR gescheitert. Damals sagte Covea-CEO Thierry Derez: „Großes internes Wachstum dauert Jahrzehnte, externes Entwicklung ist daher wahrscheinlicher.“ Er hat Wort gehalten.

Ein Zusammenschluss wie der von Partner Re und Covea ist aber weit mehr als nur die bloße Addition von Bilanzzahlen eines Erst- und Rückversicherers, durch die Kooperation können Strukturen verschlankt Kosten reduziert und Wissen ausgetauscht werden. Hierzulande wird das Modell durch die Munich Re und Ergo praktiziert.

Ein Selbstläufer ist ein solcher Zusammenschluss allerdings nicht, unterschiedliche Ansätze und Vorstellungen von Unternehmen können eine Verschmelzung erschweren. Die Axa kämpft beispielsweise immer noch mit der Integration von XL Catlin. Genau dieses XL Catlin wollte Derez übernehmen, bevor die Axa schlussendlich für viel Geld zuschlug, einige sagen zu viel.

Bei Covea hört man solche Vorwürfe (bisher) noch nicht. Der Versicherungsverein kann es sich aber so oder so leisten. Zum Ende 2018 hatte der Versicherer 384 Prozent der Mindest-Solva gemäß Solvency II erreicht, der Standard für die Bewertung AA- liegt ungefähr bei 180 bis 200 Prozent. Das Unternehmen ist damit praktisch „doppeltkapitalisiert“. Der VVaG erwirtschaftet rund 17 Milliarden Prämienvolumen, davon rund 90 Prozent auf dem heimischen Markt.

Genau diese Zentrierung war Derez ein Dorn im Auge, mit dem Kauf will er international und dabei besonders in Europa eine größere Rolle spielen. Der CEO von Partner Re, Emmanuel Clarke, hört das gerne, sein Unternehmen befände sich in „einer guten Marktposition“ und wolle sich unter der neuen Führung „weiterentwickeln“. Das klingt nach einem Angriffsplan.

Der Exor-Chef John Elkann stimmt Clarke zu, es sei für Partner Re eine „einmalige Chance“ unter dem Dach von Covea ihre Wettbewerbsfähigkeit „weiter zu steigern“ und „neue Optionen zu erschließen“.

Es wird persönlich

Elkann ist einer der Enkel des legendären Fiat CEO Avv. Gianni Agnelli und hat einen etwas exzentrischen Bruder namens Lapo Elkann. Dieser soll im Jahr 2016 seine eigene Entführung vorgetäuscht haben, um Geld von seiner Familie zu erpressen. Der Fiat-Spross hatte laut FAZ und Stern mit einer Transvestiten-Prostituierten zwei Tage lang in einer Wohnung gefeiert, Substanzen wie Alkohol, Kokain und Marihuana kamen dabei offenbar reichlich zum Einsatz. Als ihm das Geld ausging, kam er auf die Entführungsgeschichte, die für ihn nach deren Scheitern ohne Gefängnis endete. Es war auch nicht die erste Begegnung mit Drogen und Transvestiten für L. Elkann.

Die Beziehung von L. Elkann zu seiner Familie ist offenbar ähnlich gespannt wie die von Thierry Derez zu SCOR, die, je nachdem wem man glaubt, schlussendlich mit der Übernahme von Partner Re endete. Ein bemerkenswerte Geschichte.

Wie bereits erwähnt wollte Covea im letzten Jahr SCOR übernehmen. Dafür wollte Mr. Derez den Anteil seines Unternehmens am französischen Rückversicherer, etwa acht Prozent, als Einstieg nutzen. Der Kaufwillige bot 43 Euro je Aktie, das waren etwa 20 Prozent mehr als der damalige Aktienkurs, aber weniger als die von Analysten veranschlagten 45 Euro pro Anteil. Das zu geringe Angebot erzürnte den SCOR-Chef Denis Kessler, der das Unternehmen in den letzten Jahren hochgepäppelt hatte, es ist derzeit einer der fünf größten Rückversicherer.

Weit mehr als das Angebot dürfte Mr. Kessler aber geärgert haben, dass Mr. Derez für das Angebot interne Dokumente verwendete, die er während seiner Zeit als Verwaltungsratsmitglied bei SCOR zu Gesicht bekam. Das ist zumindest die Ansicht des Unternehmens.

Derez habe vertrauliche Unterlagen in unzulässiger Weise genutzt und sein Insiderwissen für das bereits erwähnte Übernahmeangebot verwendet, insbesondere auch das im Auftrag von SCOR durch BNP Paribas erstellte Bewertungsgutachten. Es folgte eine Klage wegen ungetreuem Verhalten bzw. einer „diesbezüglichen Hehlerei“.

Das ist aber nicht alles, den Einblick in die Unterlagen bekam Mr. Derez während seiner SCOR Zeit bei einer Aktion mit dem Tarnnamen Parfüm; es war die angedachte Übernahme von Partner Re durch SCOR.

Derez schied im November 2018 aus dem SCOR-Verwaltungsrat aus, einige Stimmen sprechen von Rauswurf, im März 2020 übernimmt das von ihm seit 2008 geführte Unternehmen Covea den Rückversicherer Partner Re.

Ob die neuen Tatsachen dafür sorgen, dass SCOR seine ursprüngliche Klage gegen Mr. Derez ausweitet oder neu auflegt, ist derzeit offen, aber nicht auszuschließen. Der Kauf von Partner Re, der in diesem Jahr abgewickelt werden soll, könnte noch ein juristisches Nachspiel haben.

Autoren: Maximilian Volz und Philipp Thomas

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