GDV: Gute Zahlen, offene Fragen und Kritik an Merkels Regierung

Präsidium des GDV bei der Pressekonferenz 2020, Quelle_MV

Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht auf die Barrikaden. Offen kritisiert der Verband die Politik für ihr zögerliches Vorgehen, beispielsweise bei der Riester-Rente. Die Zahlen der Branche stimmen spartenübergreifend, allerdings gerieten die GDV-Vorstände und ihr Präsident Wolfgang Weiler bei Fragen nach den Einmalbeiträgen in der Lebensversicherung gehörig in Erklärungsnot.

Gefühlt betraf jede zweite Frage das Thema Lebensversicherung, was bei den präsentierten Zahlen zunächst verwundern mag. Die Lebensversicherer, Pensionskassen und Pensionsfonds verzeichneten im abgelaufenen Jahr zusammen ein Beitragsplus von 11,3 Prozent auf 102,5 Mrd. Euro. Davon entfielen 64,3 Mrd. Euro auf das Geschäft gegen laufenden Beitrag (plus 0,1 Prozent) und 38,2 Mrd. Euro auf Einmalbeiträge (plus 37,1 Prozent). Das Geschäft gegen laufenden Beitrag in der Altersvorsorge stagniert also, während das gegen Einmalbeitrag explodiert.

In der Lebensversicherung ohne Pensionskassen und -fonds stieg das Neugeschäft gegen laufenden Beitrag um 10,1 Prozent auf 5,8 Mrd. Euro, das Eimalbeitragsgeschäft um 36 Prozent, die Zahl der Verträge sank leicht. Warum das Geschäft gegen Einmalbeitrag so dominant ist, war die beherrschende Frage auf der Pressekonferenz.

Die Antworten des GDV-Präsidenten Weiler und Andreas Wimmer, Allianz LV-Vorstand sowie beim GDV zuständig für Altersvorsorge, überzeugten nur bedingt. Die Differenz zum Neugeschäft gegen laufenden Beitrag habe vor allem buchungstechnische Gründe, erläuterte Weiler und später auch Wimmer. Viele moderne Lebensversicherungen würden beispielsweise flexible Beitragszahlung erlauben und auch Riester-Zulagen würden als jährliche Zahlungen erfasst, erklärte Weiler. Die Antwort war nicht zufriedenstellend, da diese Erfassung bereits in den Vorjahren Anwendung fand.

Weitere Nachfragen der Journalisten zum Thema blieben leider unbeantwortet. Dazu gehören der Anteil der Einmalbeiträge aus dem Ausland oder wie groß der Anteil der buchungstechnisch als Einmalbeiträge erfassten Zahlungen ist. Laut Wimmer, der sich bei seinem ersten Einsatz auf dem Podium tapfer schlug, könne das „nicht auseinandergerechnet werden“. Im europäischen Ausland wäre der Anteil der LV-Einmalbeiträge am Gesamtgeschäft generell höher, die Anpassung hierzulande wäre möglicherweise eine „Normalisierung“. Bei aller Kritik kann festgehalten werden, dass es der Branche gelang, auch in schwierigen (Zins-) Zeiten ein sattes Plus zu erzielen – VWheute hat die Zahlen bereits veröffentlicht.

Liebe für Draghi, keine für Merkel

„Die Beitragsentwicklung ist für unsere Branche ein klarer Vertrauensbeweis der Kunden“, erklärte der GDV-Präsident und hat damit sicher nicht unrecht. Ironischerweise hilft ausgerechnet die Europäische Zentralbank (EZB) der Branche. Anstatt anderenorts Strafzinsen zu bezahlen, investieren Menschen mehr Geld in die geringer werdende, aber sichere Verzinsung der Lebensversicherer. Ob die heimlich planen, ein Rosenbukett an Ex-EZB Chef Mario Draghi zu schicken?

Nein, tun sie nicht. Eine nüchterne Analyse der Risiken der EZB-Politik werde ergeben, dass „die Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems durch die extreme Niedrigzinspolitik der Ära Draghi längst größer sind als deren Vorteile“, erklärte Weiler. Die Kritik an der EZB war vorhersehbar, anders dagegen der Tadel an der Bundesregierung.

Die Reform der Riester-Rente müsse angegangen, der Weg für mehr Infrastrukturinvestments geebnet werden, kritisierte Weiler die Bundesregierung ungewohnt direkt. Zudem wären Änderungen an der Zinszusatzreserve und Bauvorschriften nötig.

Auf Nachfrage beschwichtigte er zwar, dass es keine „generelle Kritik am Staat“ sei, um direkt hinterherzuschieben, dass vieles „zu lange dauere“. Die Versicherungsbranche hätte konkreter Ansatzpunkte für Änderungen ins Spiel gebracht. Weiler führte den mit anderen Verbänden gemeinsam entwickelte Fünf-Punkte-Plan zur Riester-Reform an. Zudem möchte er Änderungen an den Bauvorschriften erreichen, um mehr Häuser gegen die kommenden Folgen des Klimawandels zu wappnen. Das sei ein großer Schritt, bei der Durchführung dürfe allerdings  nicht gezaudert werden.

Das Vertrauen fehlt?

Lebendig wurde die Diskussion, als das Thema Infrastrukturinvestments aufkam. In seiner Rede hatte Weiler vehement darauf hingewiesen, dass die Versicherer willens und in der Lage seien, Infrastruktur aufzubauen, gerade bei Energiewende-Projekten. Die Branche sei schon heute einer der größten Förderer der Energiewende, aktuell stelle sie knapp sechs Milliarden Euro Kapital für entsprechende Projekte zur Verfügung. Für Infrastrukturinvestments hätten die Erstversicherer im Jahr 2018 ihre Investitionen um fast ein Drittel auf 32 Mrd. Euro aufgestockt.

Dennoch seien Public-Private-Partnerships in Deutschland vielerorts leider „nicht vermittelbar“. Auf die Frage nach den Gründen für die Ablehnung sprach Weiler von „diffusen Vorurteilen“, wie das Privatinvestoren Projekte verteuern würden. Der Sozialismus hätte gezeigt, dass der Staat „keineswegs der „bessere Bauherr“ sei. Sein Kollege und Vorstandsmitglied Dr. Immo Querner assistierte, dass Infrastrukturinvestments im Ausland einfacher möglich wären. „Wir fragen uns auch, warum das hier nicht so ist“, er hoffe auf Besserung.

Sach- und Krankenversicherung nach Plan

In der Sach- und Krankenversicherung gab es wenig zu besprechen. Die Zahlen stimmen, ohne überragend zu sein.

Quelle: GDV

So blieb den zuständigen Vorstandsmitgliedern Norbert Rollinger und Ralf Kantak, erstmals als Vorstand beim GDV dabei, eher eine Statistenrolle. Doch wie gute Innenverteidiger waren sie da, wenn Gefahr drohte.

Als die Sprache auf neue Krankheiten und Epidemien wie Corona kam, beruhigte Kantak, hauptberuflich Chef der Süddeutschen Krankenversicherung. Die privaten Kassen wären auch solchen Gefahren gewachsen. Dass immer mehr Bundesländer Beamten den Weg in die Gesetzliche öffnen, beunruhige ihn nicht. Die PKV wäre immer noch das Beste für Beamte und Selbständige.

Ob er es noch erleben würde, dass in der Flottenversicherung die Schadenquote unter hundert falle, war die letzte Frage des Tages. Leicht gequält, oder war es hinterlistig wissend, lächeln erklärte Rollinger, dass die aktuelle Quote schon „deutlich schlechter gewesen“ wäre. Einige Unternehmen seien bereits unter einhundert, sodass er optimistisch sei, dass die Gesamtbranche unter die Trennlinie komme. Er sagte nicht, ob er es noch selbst erleben wird.

So endete der Tag versöhnlich, obwohl Fragen offenblieben. Herausgestellt werden muss, dass der GDV gute Zahlen präsentierte und den Druck auf die Politik (leicht) erhöht hat. Wohl wissend, dass man bei Fragen wie der Riester-Rente in Bälde wieder aufeinander angewiesen sein wird. Für das kommende Jahr erwartet der Verband wegen schwieriger Rahmenbedingungen ein „normaleres Beitragswachstum“ in Höhe von etwa 1,5 bis zwei Prozent.

Dass der GDV für die Mitarbeit an der Aktion #WeRemember, Kritik einstecken musste, machte nicht nur Herr Weiler betroffen. Mit der Maßnahme wird an die Verbrechen der Nazis gegen das jüdische Volk während des II. Weltkrieges erinnert. Der GDV-Präsident erklärte eindringlich und klar, dass es keinen Schlussstrich unter das Erinnern geben darf.

Autor: Maximilian Volz

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