Problemzone D&O: Allianz-Tochter warnt vor Klagewellen gegen Top-Manager

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D&O bleibt ein Problemkind für die Versicherer. Nach langen Jahren des Verlustgeschäfts müssen sich die Anbieter einer Managerhaftpflicht nun auch auf steigende finanzielle Risiken einstellen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse von AGCS. Der Industrieversicherer beobachtet einen Kulturwandel bei Klagewellen.

So beobachten die Studienautoren der Allianz-Tochter derzeit einen „Kulturwandel“ hin zu einer Welle von Klagen von Aktionären gegen Manager und Unternehmen. Dabei gehe es nicht nur um finanzielle Aspekte: „Die AGCS beobachtet mehr Klagen gegen Unternehmensleiter, die nicht unbedingt durch schlechte Finanzergebnisse begründet sind, sondern aus kritischen Nachrichten oder Reputationskrisen resultieren“, erklärt Manager Shanil Williams, weltweit verantwortlich für Financial Lines bei AGCS.

Dazu gehören laut AGCS vor allem Probleme mit Produkten, Umweltkatastrophen, Korruption oder Cyberangriffe, aber auch Mobbingfälle oder sexuelle Übergriffe im Unternehmen, für deren Folgen sich die Manager verantworten müssten.

Ein weiterer Trend: Wertpapier-Sammelklagen nehmen weltweit zu, da sich rechtlichen Rahmenbedingungen massiv verändern. So beobachtet der Industrieversicherer nach eigenen Angaben eine wachsende Bereitschaft von Regierungen, kollektive Rechtsschutzinstrumente und Sammelklagen zu ermöglichen, insbesondere auch in Europa. Zudem erreiche die Klagefreudigkeit in den USA mit jeweils rund 400 zugelassenen Aktionärsklagen in den Jahren 2017 und 2018 Rekordwerte – dies seien fast doppelt so viele Klagen wie im Durchschnitt der letzten zwei Jahrzehnte.

Klimawandel und Insolvenzen wirken sich negativ aus

Auch der Klimawandel dürfte sich laut AGCS-Studie negativ für die D&O-Versicherer auswirken. Unternehmen, die die Risiken des Klimawandels verschleiern, müssen künftig verstärkt mit rechtlichen Auseinandersetzungen rechnen. Bisher wurden bereits in mindestens 28 Ländern auf der ganzen Welt Klimaklagen eingereicht, drei Viertel davon in den USA. Dabei werden Unternehmen häufig Versäumnisse vorgeworfen, ihre Geschäftspraktiken an die sich ändernden Klimabedingungen anzupassen.

Zudem erwartet AGCS erwartet eine Zunahme an Insolvenzen, die sich in D&O-Schadenfällen niederschlagen könnten. Die Unternehmensinsolvenzen weltweit stiegen 2018 gegenüber dem Vorjahr um mehr als zehn Prozent, bedingt durch einen starken Anstieg von über 60 Prozent in China. Im Jahr 2019 dürften Insolvenzfälle im dritten Jahr in Folge um mehr als sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen.

„Der Vorstand wird dafür verantwortlich gemacht, wie das jeweilige Unternehmen mit ESG-Themen und den Herausforderungen des Klimawandels umgeht. Das Management muss Klimarisiken angemessen berücksichtigen – bei der Strategieentwicklung, bei Governance-Strukturen, im Risikomanagement und in der Finanzberichterstattung“, konstatiert Stephan Geis, Leiter Financial Lines bei AGCS Zentral- und Osteuropa.

„Politische Risiken, einschließlich wichtiger bevorstehender Wahlen, die Brexit-Entscheidung, aber auch Handelskriege und neue Zölle machen eine Überprüfung der bisherigen Risikoplanung notwendig. Vorstände müssen ihre aktuelle Strategie, ihre Pläne zu Fusionen und Übernahmen und auch Lieferanten- und Einkaufsentscheidungen überdenken. Wer in diesen Bereichen Fehler macht, kann sich schnell mit Ansprüchen von Interessengruppen konfrontiert sehen“, kommentiert Geis.

Quelle: AGCS

Großes Sorgenkind in Deutschland

Vor allem der deutsche D&O-Markt ist bereits seit Jahren nicht gerade ein Gewinnbringer. Stolze 112,9 Prozent beträgt die Schaden-Quote der Branche bei der Vermögensschadenhaftpflicht für Unternehmensleiter. Wie schwach das Ergebnis in der D&O tatsächlich ist, zeigt ein Zitat von Nepomuk Loesti, Head of Liabilities Financial Lines & Client Engagement bei der AIG Europe Limited.

Er rechnete Anfang des Jahres „mit einer Schadenquote von 87 Prozent“ für das Jahr 2019. „Rechnet man die Kosten hinzu, dann steckt der deutsche D&O-Markt im tiefroten Bereich“, führt er aus. Zwischen 87 erwarteten Prozent für 2019 und tatsächlichen 113 Prozent für das Vorjahr liegen aber noch einmal Welten. Vielleicht deswegen hat der GDV die Schaden-Kosten-Quoten nicht angegeben.

Die Schadenaufwendungen im Bereich D&O zeigen, welcher Teil der Beiträge unmittelbar in Versicherungsleistungen fließt. Die 113 Prozent sind für die Branche desaströs. Zwar sind die Beitragseinnahmen gegenüber dem Vorjahr gestiegen, doch gleichzeitig die Aufwendungen noch stärker. Im April dieses Jahres erklärte AIG-Deutschlandchef Alexander Nagler bereits, dass der D&O-Markt „für uns nicht gesund“ sei.

„Im vergangenen Jahr hat sich der D&O-Markt stark verändert und wird voraussichtlich im Jahr 2020 weitere Schwankungen erleben. Unternehmen können sich am besten gegen diese Unsicherheitsfaktoren wappnen, indem Risikomanager und ihre Vorstände einen offenen Dialog mit Versicherern und Maklern führen, damit alle beteiligten Parteien ein besseres Verständnis der Risikokultur und der Governance innerhalb eines Unternehmens gewinnen können“, konstatiert Williams.

Autor: VW-Redaktion

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