Problemkind D&O: Branche kann nicht einmal die Kosten decken

Sie nehmen 100 Euro ein, müssen aber 112 Euro an Ausgaben zuzüglich Kosten aufwenden, klingt das nach einem guten Geschäft? Die D&O-Branche hierzulande scheint dieser Meinung zu sein, wie aktuelle GDV Zahlen zeigen. Die Probleme der Branche sind erheblich.

Stolze 112,9 Prozent beträgt die Schaden-Quote der Branche bei der Vermögensschadenhaftpflicht für Unternehmensleiter, kurz Directors-and-Officers-Versicherung oder D&O.

Wie schwach das Ergebnis in der D&O tatsächlich ist, zeigt ein Zitat von Nepomuk Loesti, Head of Liabilities Financial Lines & Client Engagement bei der AIG Europe Limited. Er rechnete Anfang des Jahres „mit einer Schadenquote von 87 Prozent“ für das Jahr 2019.  „Rechnet man die Kosten hinzu, dann steckt der deutsche D&O-Markt im tiefroten Bereich“, führt er aus. Zwischen 87 erwarteten Prozent für 2019 und tatsächlichen 113 Prozent für das Vorjahr liegen aber noch einmal Welten. Vielleicht deswegen hat der GDV die Schaden-Kosten-Quoten nicht angegeben.

Die Schadenaufwendungen im Bereich D&O zeigen, welcher Teil der Beiträge unmittelbar in Versicherungsleistungen fließt. Die 113 Prozent sind für die Branche desaströs. Zwar sind die Beitragseinnahmen gegenüber dem Vorjahr gestiegen, doch gleichzeitig die Aufwendungen noch stärker. Im April dieses Jahres erklärte AIG-Deutschlandchef Alexander Nagler bereits, dass der D&O-Markt „für uns nicht gesund“ sei.

Schrecken mit Ansage

Die Entwicklung im Bereich der Managerhaftung kommt nicht überraschend. In einem VWheute-Gastbeitrag erklärte Rechtsanwalt Oliver Sieg bereits Anfang des Jahres 2018 prophetisch, „dass unmittelbare Zahlungsansprüche geschädigter Gesellschaften gegen D&O-Versicherer zunehmen werden“.

Michael Hendricks, D&O-Experte und Rechtsanwalt von Howden, erklärte zu Beginn des Vorjahres: „Das Tief am Horizont hat sich für den D&O-Versicherungsmarkt schon länger angekündigt. Doch zu den Schäden in Millionenhöhe, die Konzernmanager bei VW, der Deutschen Bank oder Siemens vor Jahren schon durch Fehlentscheidungen verursacht haben, kommen heute Hunderte, wenn nicht gar Tausende von D&O-Haftungsfällen im Mittelstand hinzu.“ Tausende zusätzliche Klagen in Verbindung mit Millionengräbern wie die Prozesse der Automanager Winterkorn und Stadler ergeben in der Summer ein erhebliches Verlustgeschäft. Eine solche Entwicklung kann ein fünfeinhalb prozentiger Beitragsanstieg nicht auffangen.

Wer darauf hofft, dass das Jahr 2018 ein besonders schweres aber einzigartiges Schadenjahr war, dem sei gesagt, dass kürzlich die Verhandlung der Verbraucher gegen VW im Abgasskandal begonnen hat. VW hatte, ebenso wie Audi und Mercedes, die Abgaswerte ihrer Autos manipuliert. In dem Fall klagen 449.000 Betroffene mittels Musterfeststellungsklage gegen den Konzern aus Wolfsburg.

Eine solche Klage betrifft auch die D&O-Versicherer, denn die Mechanismen der Managerhaftung haben sich verschoben. Die Unternehmen nutzen das als Schutzschild für die Chefs vorgesehene Vehikel längst als eigene Deckung. Die Schuldfrage und daraus resultierende Forderungen werden vom eigenen Unternehmen weg und zu den verantwortlichen Managern hingelenkt. Plötzlich ist der Manager im Fokus der Ermittlungen und damit auch dessen D&O-Versicherer. Das Unternehmen hofft ungeschoren davonzukommen und kann der Öffentlichkeit im besten Fall noch direkt einen Schuldigen präsentieren. Ein gutes Beispiel ist wieder der VW-Konzern, der von seinen Managern Regress fordert.

Dieses Gebaren ist auch jenseits der großen Konzerne mittlerweile üblich, die Unternehmen lassen ihre Manager haften, wohlwissend, dass diese eine millionenschwere Absicherung haben.

Der Fall Michael Woodford als Beispiel

Der Versicherer wird nur dann leistungsfrei, wenn dem Manager vor Gericht ein Rechtsbruch bestätigt wird, ansonsten müssen sie haften. Nicht nur die Schadensummen sind in einem solchen Fall riesig, auch die Rechtskosten sind enorm.

Lehnen die Versicherer die Haftung für die Manager ab, klagen diese gegen ihre Versicherer. Das ist oft erfolgreich, wie der Fall des ehemalige Olympus Chef Michael Woodford zeigt. Am Fall des Kameraherstellers Olympus kann aufgezeigt werden, warum die D&O für Versicherer ebenso kompliziert wie klage- und kostenintensiv ist.

Als CEO des Kameraherstellers deckte Woodford einen millionenschweren Betrug im eigenen Haus auf, den wohl sein Vorgänger und mittlerweile Aufsichtsratschef Tsuyoshi Kikukawa initiierte. Die Aufdeckung war nicht beliebt und Woodford wurde vom Unternehmen entlassen.

Er verklagte daraufhin Olympus, das seinerseits mit einer Klage wegen Bereicherung antwortete. Der D&O-Versicherer, in diesem Fall AIG, musste für den Manager einspringen. Als AIG sich dazu nicht bereit erklärte, klagte Woodford zunächst gegen seinen Versicherer, um nach dem Erfolg in diesem Teilprozess gemeinsam mit AIG gegen Olympus vorzugehen. Die Klagesummen befanden sich jeweils im zweistelligen Millionenbereich.

Der Fall zeigt die Probleme der D&O-Versicherung, das Produkt ist kaum kalkulierbar, es wird wild in alle Richtungen geklagt und die Prozesse sind lang und kostenintensiv. Wird ein Prozess verloren, kommen Millionensummen in Form von Schadenersatz und Strafen hinzu. Kein Wunder, dass die Beitragseinnahmen nicht einmal die Schadenaufwendungen decken.

Die Prämien für die Managerhaftpflicht werden in Deutschland schon in „naher Zukunft ansteigen“, erklärte Nepomuk Loesti, Anfang des Jahres und sprach der Branche Mut zu. Für einige kommt es zu spät, im vergangenen Jahr zog sich MS Amlin vom deutschen D&O-Markt zurück. Einzelfall oder Vorbote, die Zukunft wird es zeigen.  

Autor: VW-Redaktion

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