Swiss Re vs. Munich Re: Wer spielt hier wen aus?
Ohne Rückversicherer hätte die Branche ein Problem. Es sind Player mit dem markanten Re am Namensende, die unerwartete Katastrophenereignisse kalkulieren, abdecken und ihre Kunden – die Versicherer – so vor dem Aus schützen. Zwei von ihnen tun das besonders gut – und liefern sich im Verdrängungswettbewerb Reinsurance ein zähes Kopf-an-Kopf-Rennen um Wachstum und Leadership. In Baden-Baden musste man schon ganz genau hinsehen, um zu sehen, wer den anderen wie ausspielt.
Munich Re steht wieder über den Dingen. Erst am Freitagvormittag hat der Konzern überraschend einen ersten Einblick in seine Zahlen für das dritte Quartal gewährt. Demnach erzielte er trotz hoher Großschäden ein Konzernergebnis von 850 Millionen Euro. An der Börse kamen die Nachrichten gut an. Der Kurs der Munich-Re-Aktie sprang nach der Bekanntgabe auf ein Plus von fast zwei Prozent Plus und war zuletzt mit plus 0,90 Prozent noch unter den stärksten Werten im Dax.
Grund sind gute operative Entwicklungen, hohe Währungsgewinne und ein prächtiges Kapitalanlageergebnis. Das Konzernergebnis von 2,5 Mrd. Euro, das für dieses Jahr anvisiert wurde, erwartet der Versicherungskonzern nun zu übertreffen. Bereits in den vergangenen Quartalen liefen die Geschäfte bei der Munich Re sehr gut. Im zweiten Quartal wurden mit 993 Millionen Euro der höchste Quartalsgewinn seit vier Jahren verbucht.
Insgesamt standen nach sechs Monaten schon 1,6 Mrd. Euro auf der Gewinnseite. Mit den 850 Mio. Euro aus dem dritten Quartal, sind es bereits 2,45 Mrd. Euro. Bei einem guten Jahresendspurt könnte die Marke von drei Mrd. Euro in Sichtweite geraten könnte. Die endgültigen Q3-Zahlen sollen am 7. November stehen.
Ein großes aber gibt es bei alledem trotzdem: Der Zeitraum zwischen Oktober und Dezember ist oft von Hurrikans und Taifunen belastet. Erst in der vergangenen Woche sorgte Taifun „Hagibis“ in Japan für gewaltige Verwüstungen und eine dreistellige Zahl an Todesopfern. Die versicherten Schäden sollen zehn Mrd. US-Dollar erreichen. Ebenfalls kam es in den vergangenen Jahren im Schlussquartal zu außergewöhnlich hohen Schäden durch Waldbrände, beispielsweise in Kalifornien.
Cyber, immer wieder Cyber
Dass sich die Münchener derzeit im Aufschwung befinden, zeigt auch der bemerkenswerte Deal mit dem US-Start-up Next. Der Rückversicherer investierte etwa 250 Mio. am Start-up und erweiterte seine Beteiligung auf 27,5 Prozent. Next Insurance wird mit gut einer Milliarde Dollar bewertet. Aus München kommt die Botschaft, dass man auf Angriff schaltet, sowohl im Kerngeschäft als auch bei der grundsätzlichen Erneuerung.
„M&A-Offensive würde ich das nicht nennen. Aber wir sind durchaus bereit, durch Beteiligungen und Zukäufe zu wachsen“, erklärt CFO Christoph Jurecka dazu im Handelsblatt. Entscheidend sei, dass das Investment uns strategisch neue Geschäftsmöglichkeiten erschließe. „So war es bei dem IoT-Spezialisten Relayr, den wir im vergangenen Jahr gekauft haben. Und das ist auch jetzt bei unserer Anteilserhöhung an Next Insurance der Fall.“ Next adressiert mit seinen modularen, online abschließbaren Versicherungslösungen für kleine und mittlere Unternehmen in den USA einen hochattraktiven Markt.
Große Hoffnungen setzen die Münchener auch in das Geschäft mit Cyberversicherungen. Die Prämieneinnahmen der Branche in diesem Segment dürften bis zum Jahr 2025 von zuletzt 600 Millionen auf fünf Mrd. US-Dollar wachsen, teilte Munich Re in Baden-Baden mit. Ein jährliches Wachstum um durchschnittlich 37 Prozent.
Bisher sind spezielle Versicherungspolicen gegen Schäden etwa durch Hacker-Attacken und Datenlecks vor allem in den USA verbreitet. Die Vereinigten Staaten machen den Großteil der Prämien aus, den Erst- und Rückversicherer weltweit in diesem Geschäft einnehmen. Versicherer decken in diese Fällen Schäden ab, etwa weil der Betrieb durch einen Hackerangriff lahmgelegt wird oder Kunden Schadenersatz dafür einfordern, dass Unbefugte Zugriff auf ihre Daten bekamen. In Europa waren solche Verträge bisher vergleichsweise langsam auf dem Vormarsch.
Darüber hinaus werde in München stark in Data Analytics und KI investiert, um Kunden zu untersützen, sagte Munich-Re-Vorstandsmitglied Doris Höpke in Baden-Baden. Ziel seien schnellere Schadeneinschätzungen und ein detaillierteres Pricing. Am Rande des Meetings wurden neue Produkte wie „The Box“ für die Kfz-Versicherung und „Aqualitix“ vorgestellt.
Swiss will Spitzenposition behalten
Profitables Wachstum ist auch Teil der Strategie des großen, und aktuell führenden, Branchenkonkurrenten aus Zurich. Es sind Schweizer, die ihre Nase derzeit vorne haben, die Kapitalisierung ist prächtig. Die gebuchten Bruttobeiträge der Swiss Re lagen 2018 bei 36,4 Mrd. Euro. Bei dem deutschen Tradtionsplayer Munich Re mit 35,8 Mrd. knapp darunter.
Immer wieder ist aus Zürich von Plänen und strategischen Kniffen die Rede. So baut Swiss Re kräftig an ihren Strukturen. Bisher getrennte Teams für Insurance linked Securities (ILS) und Retrozessionen etwa werden zusammenlegt. Grund sei das konvergierende Geschäft, zumal sich die Funktionen von ILS und Retros annähern, berichtet der Schweizer Versicherungsverband. Darüber hinaus soll auf diesem Wege die eigene Bilanz entlastet werden.
Gemeinsam mit Sopra Steria will der Rückversicherer Altbestände verwalten. Statt eines klassischen Run-off setzen die Partner dabei auf eine neue Lösung, die Risikokapital, Versicherungsexpertise und Technologie bündelt. Das bestätigte Frank Reichelt, Market Executive Northern, Central, Eastern Europe im Gespräch mit VWheute in Baden-Baden.
Die größten neuen Geschäftspotenziale sieht der Manger ebenso wie die Munich Re im Bereich Data-Analytics. „Es gibt heutzutage kein Thema mehr, das man exklusiv für sich alleine haben kann“, erklärt Reichelt. Man sehe sich als „intellektueller Sparringspartner“ der Versicherer.
Was also bleibt für Swiss Re und Munich Re aus Baden-Baden? Beide setzen voll auf Digitalisierung, beide sind bereit, neue Wege zu gehen und beide scheuen sich nicht vor klugen Kooperationen.
Insgesamt erwecken die Branchenanführer den Anschein als würde man sich öffnen wollen. Weg vom reinen Kapazitätsgeber, hin zu zum Risikomodellierer und Berater.
Bemerkenswert bleibt am Ende eine Aussage von Reichelt. Für ihn ist Rückversicherung größer als das bloße Management von Schäden. „Wir wollen unseren Beitrag für eine nachhaltige Welt leisten.“ Eine Botschaft, die vielleicht in Erinnerung bleibt.
Autor: Michael Stanczyk
Steht bei Reichelt täglich das „Herrengedeck“ auf seinem Speiseplan? So ’ne rote Farbe kriegt man nicht nur mit viel Sonnenschein hin! Nachhaltigket beginnt übrigens auch bei sich selber. Weniger ist also mehr!
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