Präzedenzfall Bank J. Safra Sarasin? AIG soll für Millionenverluste bei Cum-Ex-Geschäften aufkommen

Basel - Unternehmensstandort der Bank J. Safra Sarasin, Quelle: Markus Krebs auf Pixabay

Die Schweizer Privatbank will sich ihre Verluste von Cum-Ex-Geschäften vom US-amerikanischen Versicherer erstatten lassen. Soll hier ein Präzedenzfall geschaffen werden, an dessen Ende die Versicherer für einen Teil der Cum-Ex-Verluste der Banken aufkommen? Der Fall ist Sprengstoff für die Versicherungsbranche.

Die Sarasin Bank hat Cum-Ex-Geschäfte und entsprechende Fonds betrieben, die schlussendlich dreistellige Millionenverluste zur Folge hatten, wie das Handelsblatt meldet. Bei den Finanzämtern wurde der Eindruck erweckt, eine Aktie hätte zwei Besitzer. Eine bezahlte die Dividendensteuer, zwei ließen sich selbige erstatten. Bei den Fonds wurden zweistellige Renditen in Aussicht gestellt. Das Geschäft florierte eine Zeit, bis die Finanzämter sich irgendwann querstellten. Die Anleger verloren nicht nur den Gewinn, sondern auch die Einlagen.

Die Cum-Ex-Geschäfte waren auch keinesfalls geringfügig, wie diese Grafik zeigt.

Was Cum-Ex kostet, von Statista

Mittlerweile ermitteln Behörden europaweit gegen Finanzinstitute wegen Cum-Ex-Geschäften.

Vor dem Hintergrund der Ermittlungen verwundert es zunächst, dass die Sarasin ihren Versicherer AIG verklagt, denn schließlich sind kriminelle Handlungen grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Doch genau das muss geklärt werden. Helfen könnte der Bank ausgerechnet ein verlorener Gerichtsprozess in einem Cum-Ex-Fall.

Die Drogeriegröße Erwin Müller hatte in die oben beschriebenen Cum-Ex-Geschäfte der Bank investiert und das Institut verklagt, als nicht nur die Gewinne ausblieben, sondern auch die Einlagen weg waren. Die Bank hätte ihn nicht über Sinn und Zweck der Geschäfte aufgeklärt, klagte Müller und hatte Erfolg. Er erstritt 50 Mio. Euro, nachdem er wohl in den Sheridan-Fonds investierte.

Genau diesen Gerichtsspruch will die Bank nun kurioserweise für sich nutzen. Im Urteil heißt es, Sarasin hätte beim Fall Müller lediglich die „bankübliche Sorgfaltspflicht“ verletzt. Das würde bedeuten, die Bank hat nicht kriminell gehandelt und AIG wäre wieder in der Haftung.

Der Streit mit Müller ist übrigens kein Einzelfall, mit Carsten Maschmeyer wurde eine außergerichtliche Einigung getroffen, er hatte offensichtlich ebenfalls in den Sheridan-Fonds investiert. Der Prozess gegen den Fleischfabrikanten und Schalke 04-Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies läuft noch. Beide Großinvestoren wussten offenbar nicht, wie die Cum-Ex-Geschäfte funktionieren.

Wie es weiter geht

AIG und Sarasin streiten weiter darüber, ob und wie gehaftet werden muss. Offenbar haben beide Unternehmen sich bereits vor Schiedsgerichten getroffen, ohne eine Einigung zu erzielen. AIG will mehr Informationen von den Schweizern. Insbesondere möchten die Amerikaner Einsicht in bestimmte Akten, die die Bank aber nicht herausgeben will oder kann, denn diese werden bereits in anderen Prozessen benötigt. Die Herausgabe der Schreiben wäre laut der Schweizer eine „strafbare Handlung“ und der Bank läge nichts ferner, „als sich strafbar zu machen“.

Die ehrbare Bank würde bei einem Erfolg gegen AIG wohl einen Präzedenzfall gegen die Versicherungsbranche schaffen, den auch andere Banken nutzen könnten. Und an potenziellen Nutzern mangelt es nicht.

Peter Biesenbach, Justizminister von Nordrhein-Westfalen, erklärte aktuell, dass allein bei der Staatsanwaltschaft Köln 56 Verfahrenskomplexe in Sachen Cum-Ex anhängig sind. In Düsseldorf wird in drei Ermittlungsverfahren gearbeitet, insgesamt gibt es mehr als 400 Beschuldigte. Es ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Zeit schrieb zu Beginn des Skandals, dass an den Geschäften „fast alle Banken auf die eine oder andere Art beteiligt“ waren, darunter „Deutsche Bank und Commerzbank sowie große amerikanische Investmentbanken“. Es könnte also viel Arbeit auf die Versicherer und deren Rechtsabteilungen zukommen.

Doch selbst wenn kriminelle Handlungen in Sachen Cum-Ex nachgewiesen werden könnten, ist die Schuldfrage noch nicht geklärt. Aktuell läuft der Prozess gegen zwei britische Staatsbürger und ehemalige Börsenhändler der Hypovereinsbank. Bei einem Urteil gegen die Angestellten wäre eine Schuld der Institution Bank nicht geklärt. Es müsste nachgewiesen werden, dass die Bank von den Geschäften wusste und diese forderte und förderte. Genau darauf beruft sich in dem Fall auch die Bank Sarasin, von kriminellen Machenschaften will das Geldhaus laut dem Wirtschaftsmagazin nichts gewusst haben.

Würde einem Manager eines Bankhauses nachgewiesen werden, dass er Cum-Ex-Geschäfte verlangte und wollte, könnte das zu einem D&O-Fall führen – vorausgesetzt, es liegt keine kriminelle Handlung des Managers vor. Auf Nachfrage erklärte ein D&O-Versicherer, dass es sehr schwierig sei, „den Sachverhalt zu bewerten“. Es würden „klare Belege für eine Einschätzung“ fehlen. Vielleicht werden die Beweise durch den Prozess J. Safra Sarasin gegen AIG ans Licht kommen. Es bleibt auf jeden Fall sehr spannend im Cum-Ex-Skandal.

Anmerkung der Redaktion: Die Bank Sarasin schrieb auf Anfrage: „Die Bank gibt hierzu jedoch keinen Kommentar ab.“

Autor: VW-Redaktion

2 Kommentare

  • Sebastian Klapper

    Auch das noch, kein Wunder, dass die Versicherer nervös sind, Haftungssummen reduzieren und Prämien erhöhen !

  • Ich weiß, dass der Betrug rechtlich nachgewiesen werden muss.
    Aber ich würde mich als Betrüger fühlen, wenn ich mir etwas erstatten
    ließe, das ich nie gezahlt hab

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