PEPP: „Mit der Europarente werden Silos zwischen Banken und Versicherern aufgebrochen“
Mit der im März nächsten Jahres kommenden Europarente schafft die EU den Rahmen für eine zeitgemäße private Altersvorsorge. Angesichts des drängenden Reformbedarfs bedeutet das auch für Deutschland einen großen Fortschritt. Außerdem bietet sie die Chance für neue innovative Anbieter und Produkte. Der Erfolg hängt jedoch auch davon ab, ob die deutsche Politik den Ball aufgreift. Ein Kommentar von Vantik-Gründer und PEPP-Expertenrat-Mitglied der Eiopa, Til Klein.
Die Europarente oder wie es offiziell heißt, das Pan-European Personal Pension Product (kurz: PEPP), ist eine freiwillige private Altersvorsorge, die den Verbraucher:innen eine neue europaweite Möglichkeit zum Sparen für den Ruhestand bietet. Ab März können Anbieter die Zulassung für die Europarente beantragen und dann ab Mitte nächsten Jahres europaweit anbieten.
Zu den wesentlichen Kennzeichen des PEPP-Produktes zählen eine vollständige Transparenz über Gebühren und Kosten, eine grenzüberschreitende Übertragbarkeit auch bei Wohnsitzwechsel innerhalb der EU sowie eine hohe Flexibilität bei Anlage- und Auszahlungsoptionen. Hierbei können insbesondere die langfristigen Chancen am Kapitalmarkt genutzt werden. Hinzu kommt eine einfache und kostengünstige Standardvariante („Basis-PEPP“), bei der die Kosten auf ein Prozent des angesparten Kapitals pro Jahr begrenzt sind. Außerdem wurde erstmals ein rechtlicher Rahmen für alternative Maßnahmen zum Kapitalschutz jenseits teurer Garantien geschaffen. Um Eintrittsbarrieren zu senken, werden zudem digitale Vertriebs- und Nutzungswege ausdrücklich empfohlen. Des Weiteren werden die Produktanbieter ermutigt, bei ihren Investitionen nachhaltige ESG-Kriterien zu berücksichtigen.
Deutschland bekommt eine Lösung auf dem Silbertablett serviert
Inzwischen herrscht parteiübergreifend der Konsens, dass die private Altersvorsorge in Deutschland einer grundlegenden Reform bedarf, was inzwischen selbst von der Versicherungsbranche nicht mehr bestritten wird. Passiert ist bisher jedoch nichts. Die Politik hat es bis heute nicht geschafft, die drängenden Themen der privaten Altersvorsorge überhaupt anzugehen, geschweige denn zu lösen.
Mit der Europarente hat die EU ein zeitgemäßes Altersvorsorgeprodukt geschaffen, das ganz neue Maßstäbe beim Verbraucherschutz setzt und vor allem Antworten auf die wichtigen Fragen liefert, wie z.B. Rendite und Kapitalsicherung im Niedrigzinsumfeld, die Anpassung an die Veränderungen der Arbeitswelt sowie Nutzung digitaler Technologien. Mit der Europarente bekommt die deutsche Politik nun eine zeitgemäße Lösung für die private Altersvorsorge auf dem Silbertablett serviert. Und zwar eine Lösung, die besser ist als alles, was wir bisher haben und die auch noch kurzfristig verfügbar ist.
Die Europarente ist eine wirkliche Alternative zur Riester-Rente
Derzeit ist in Deutschland die Riester-Rente nahezu alternativlos als zusätzliche private Altersvorsorge für Angestellte. Doch die Riester-Rente ist schon lange nicht mehr zeitgemäß: zu teuer, unflexibel und bürokratisch – dazu erzielt sie kaum Erträge. Das zeigen auch die stagnierende Anzahl Verträge, der Anteil ruhender Verträge und die hohen Rückforderungen der Förderung. Die dringend nötige Riester-Reform wurde aber auf die nächste Legislaturperiode verschoben und damit das Vertrauen der Verbraucher:innen noch weiter zerstört. Mit der Europarente gibt es nun eine ernsthafte Alternative, die die wesentlichen Schwachstellen der Riester-Rente adressiert. Als Beispiele seien die Einführung eines sicheren und effizienten Standardproduktes sowie die Abkehr von der harten Garantie angeführt. Nun wird die Europarente die Riester-Reform zeitlich sogar überholen. Der Bundesregierung bietet sich jetzt die Chance, einer fertigen, von ihr selbst mitgetragenen, europäischen Lösung zum Durchbruch zu verhelfen.
Erstmals gleiche Wettbewerbsbedingungen für Banken und Versicherer
Die Europarente hat das Potenzial, den Altersvorsorgemarkt massiv zu verändern. Sie schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter und damit ein „Level-Playing-Field“. Die Karten auf diesem lukrativen Markt werden dadurch neu gemischt. So werden zunehmend auch Asset Manager und neue digitale Anbieter auf den Plan treten und Versicherungsgesellschaften das angestammte Feld streitig machen.
Bisher wurde der Markt für private Altersvorsorge in den meisten europäischen Ländern von den Versicherern dominiert. Mit der Europarente werden diese Silos zwischen Banken und Versicherungen – zumindest teilweise – aufgebrochen. Neben Versicherern und Pensionsfonds dürfen auch Banken und Vermögensverwalter die Europarente anbieten bzw. sowohl Versicherungsvermittler als auch Finanzanlagenvermittler die Europarente vertreiben. Die Europarente schafft erstmals gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Banken und Versicherungen in der privaten Altersvorsorge. Es ist zu erwarten, dass gerade die Vermögensverwalter mit neuen Produkten ohne teuren Versicherungsmantel auf den Markt drängen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die einheitlichen Wettbewerbsbedingungen auf der Produktseite für eine nachhaltige Veränderung der Wettbewerbslandschaft ausreichen, da die Anbieter und der Vertrieb nach wie vor den nationalen und sektoralen Regelungen unterliegen.
Auch bei der Gestaltung von Altersvorsorge-Produkten kann die Europarente neue Impulse geben. Durch die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Mitnahme, die flexiblen Ein- und Auszahlungsoptionen sowie die flexible Anlage- und Kapitalsicherung entstehen ganz neue Möglichkeiten. Durch die Veränderung der Arbeitswelt sind non-lineare Lebensläufe heute schon fast zum Standard geworden. Die Europarente bietet die Möglichkeit für flexible Produkte, die für eine international mobile Generation, mit Wechsel zwischen Anstellung und Selbstständigkeit, mit Auszeiten und der dadurch schwankenden Einkommenssituation viel besser passen. Die Europarente kann auch für die Nutzung digitaler Technologien zum Beschleuniger werden. So kann sie u.a. der digitalen Beratung endlich zum Durchbruch verhelfen. Die Anforderungen an das Standardprodukt hinsichtlich Qualität und Effizienz machen den Einsatz digitaler Technologie unausweichlich. Und die europaweite Skalierbarkeit macht entsprechende Investitionen in neue Technologie deutlich attraktiver. Durch den höheren Wettbewerbsdruck, u.a. durch das Recht den Anbieter alle fünf Jahre wechseln zu dürfen, haben solche innovative Modelle auch eine realistische Chance, sich am Markt gegen traditionelle Angebote durchzusetzen. Die etablierten Player können sich nicht mehr auf ihrem Bestand ausruhen.
Der Ball liegt bei der Politik
Während die PEPP-Verordnung direkt in allen Ländern der EU in Kraft tritt, muss die steuerliche Behandlung jeweils durch die Mitgliedstaaten geregelt werden. Die Europäische Kommission empfiehlt allen Mitgliedstaaten eine bevorzugte steuerliche Behandlung von PEPP-Produkten in dem Maße, wie sie ähnlichen nationalen Vorsorgeprodukten bereits zugutekommt. Die Bundesregierung sollte nun zügig der Empfehlung der EU-Kommission Taten folgen lassen und steuerliche Anreize für die Europarente einführen. Das bedeutet, die Europarente steuerlich mit Riester bzw. Rürup mindestens gleichzustellen.
Aber das zuständige Finanzministerium unter Olaf Scholz hat es bisher versäumt, die steuerliche Behandlung der Europarente zu regeln. Wenn wir demnächst möglicherweise einen liberalen Finanzminister bekommen, gibt es aber eine gute Chance, dass dieses Versäumnis schnell nachgeholt wird. Denn die FDP war die einzige Partei, die die Europarente in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl adressiert hat. Der neue Finanzminister könnte damit bereits in den ersten Monaten seiner Amtszeit eines der drängendsten Probleme der neuen Legislaturperiode lösen.
Autor: Til Klein, Gründer von Vantik und Mitglied im PEPP-Expertenrat der Eiopa